Amy Beach (1867–1944) war ein Wunderkind. Ihre Eltern zwangen sie jedoch zu einer Ehe, öffentliche Konzerte wurden ihr lange – bis auf eines pro Jahr – verboten.

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Nobel hebt die Cellokantilene an, schwebt im romantischen Duktus über der perlenden Klavierbegleitung. Von Raphaela Gromes emotional aufgeladen dargeboten, wird das Stück Dreaming zur idyllischen Erzählung in Tönen. Die Umstände, unter denen die Urheberin des Stücks, Amy Beach (1867–1944), ihr Komponierhandwerk ausübte, waren weniger romantisch. Die US-Amerikanerin galt zwar als Wunderkind mit absolutem Gehör, das nicht nur als Pianistin glänzte. 1896 erschien auch ihre Gaelic Symphony, die erste Symphonie einer Amerikanerin, die aufgeführt wurde.

Dem Ganzen ging wohl aber ein Kampf voraus: Beachs Eltern hatten sie zu einer Ehe gezwungen, öffentliche Konzerte wurden ihr – bis auf eines pro Jahr – verboten. Veröffentlichen? Das durfte sie nur unter dem Namen ihres Mannes. Amy Beach, die nach dem Tod ihres Gatten mit ausgiebigen Tourneen Versäumtes nachholte, ist eine von 23 Komponistinnen, welche die deutsche Cellistin Raphaela Gromes auf ihrer Neuheit Femmes (bei Sony) vorstellt.

Junge Generation

Neben dem Briten Sheku Kanneh-Mason (Jahrgang 1999), der von Universal promotet wird, und der Niederländerin Arriet Krijgh (Jahrgang 1991) ist Gromes Teil einer nun durchstartenden jungen Cellogeneration, auf der die Hoffnungen der Labels ruhen. Zwar werden von den Jungen vor allem eher bunt zusammengewürfelte Potpourris veröffentlicht.

Krijgh etwa hat mit Silent Dreams einfach 16 Lieder für Cello uminterpretieren lassen. Auf Song wiederum hat Sheku Kanneh-Mason Miniaturen sogar von Popkomponist Burt Bacharach (etwa I Say a Little Prayer) für sein Instrument arrangiert. Der Hang zu Häppchenproduktionen, die auch von der schwierigen Marktlage der Klassik zeugen, hat im Falle von Gromes (Jahrgang 1991) immerhin aber eine Art Musiklexikon der Vergessenen hervorgebracht.

Melodisches Talent

Neben bekannten Komponistinnen wie der Benediktinerin Hildegard von Bingen, Fanny Hensel, der Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy, Clara Schumann und der legendären komponierenden Pädagogin Nadia Boulanger sind auch echte Entdeckungen zu finden. Etwa Laura Netzel oder Luise Adolpha Le Beau oder auch Matilde Capuis. Die überhaupt erstmals aufgenommenen Tre Momenti für Cello und Streicher sind überraschende Dokumente von Capuis’ melodischem Talent.

Gomes war von ihren Funden ebenso begeistert wie schockiert: Letzteres, weil sie im Zuge ihrer Ausbildung von den meisten Komponistinnen nichts vermittelt bekommen hatte.

Die Doppel-CD, auf der auch das Festival String Luzern und Pianist/Arrangeur Julian Riem zu hören sind, kann denn auch erhellend wirken, auch die stilistische Bandbreite ist beachtlich. Neben Bingen ist auch Billie Eilish vertreten. Ihr James Bond-Song No Time To Die wird auf Cello gespielt, was den Song natürlich ein bisschen harmlos wirken lässt. Das aber ist eine ganz andere Geschichte.

Buch zum Thema

Übrigens: Zur Vertiefung der Thematik empfiehlt sich das Buch von Andrea Schwab "Außergewöhnliche Komponistinnen" (bei Hollitzer). Darin geht es in unaufgeregtem Erzählstil um sechszehn Tonsetzerinnen aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

Im Musikverein zum Thema

Auch zum Hören gibt es demnächst, unter dem Titel "Revolutionary Women" gibt es am 20. April im Musikverein ein Konzert zu dem Thema: Zusammen mit ihrem Trio Parémi widmet sich Cellistin Marilies Guschlbauer Werken von Komponistinnen. Man hört Trios von Clara Schumann, Amy Beach, Lili Boulanger, Jennifer Higdon und Tatjana Nikolajewa. (Ljubiša Tošic, 7.4.2023)