Die Wissenschaft ist hierzulande in der Öffentlichkeit lange leise geblieben. Das änderte sich zuletzt – zuletzt auch bei Demonstrationen, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen.
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Es dauerte lange, bis die Hiobsbotschaften die zuständigen Stellen erreichten. Bereits 2010 schnitt Österreich bei der Eurobarometer-Umfrage zu den Themen Forschung und Technologie im EU-Vergleich außergewöhnlich schlecht ab. Die heimische Bevölkerung war vor 13 Jahren unter allen EU-Mitgliedsstaaten mit Abstand am skeptischsten, wenn es um die Förderung von Grundlagenforschung oder um neue Technologien ging. Vereinzelt berichteten damals Medien über diese Ergebnisse, was bei der Politik und der Wissenschaft im Jahr 2010 freilich ohne größere Resonanz und Folgewirkung blieb.

Bei der Eurobarometer-Umfrage 2021, die mitten in der Pandemie stattfand, wiederholten sich die peinlichen Befunde. Um ein paar ausgewählte Beispiele zu geben: Nur in Deutschland dachten noch mehr befragte Menschen als in Österreich, dass Wissenschafterinnen und Wissenschafter nicht ehrlich sind; nur in Kroatien wollte die Bevölkerung noch weniger über neue wissenschaftliche Erkenntnisse lernen als hierzulande. Und nur 27 Prozent der österreichischen Befragten stimmten der Aussage "sehr" zu, dass Interesse an Wissenschaft bei den Jungen wichtig für unseren künftigen Wohlstand ist. Das war der schlechteste Wert in ganz Europa.

Elfjährige Verspätung

Die Umfrageergebnisse wurden im September 2021 veröffentlicht. Bis sie in Österreich medial wahrgenommen wurden – zuerst übrigens hier in "Forschung Spezial" –, vergingen einige weitere Wochen. Doch nun, mit elf Jahren Verspätung, fanden die Diagnosen endlich doch Widerhall in Politik und Wissenschaft. Und seitdem herrscht in vielen Bereichen rege Betriebsamkeit, um dem offensichtlichen Problem der heimischen Wissenschaftsignoranz auf den Grund zu gehen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln.

Doch stimmt die Diagnose einer im EU-Vergleich ausgeprägten Wissenschaftsskepsis überhaupt? Was sind mögliche Erklärungen dafür? Wie ließe sich gegensteuern? Und welche Rolle kann der Wissenschaftsjournalismus dabei spielen?

Passt der Begriff Wissenschaftsskepsis?

Beginnen wir mit der Zustandsbeschreibung. Es ist in den vergangenen Monaten viel darüber diskutiert worden, ob Wissenschaftsskepsis der geeignete Begriff ist, um das Problem auf den Punkt zu bringen. Denn Skepsis sei ja – so wie Kritik – eigentlich eine Grundtugend innerhalb der Wissenschaft. Im Sinn von "Vorbehalten gegenüber Wissenschaft" scheint der Begriff aber nach wie vor brauch- und verwendbar.

Eine weitere Diskussion drehte sich zuletzt darum, ob es sich in Österreich nicht um eine besonders ausgeprägte Krise des Vertrauens in Wissenschaft und ihre Erkenntnisse handelt, was womöglich durch die Pandemie noch befeuert wurde. Nachfolgeuntersuchungen lieferten diesbezüglich aber nicht unbedingt eine Bestätigung.

Misstrauen oder Desinteresse?

Der erstmals durchgeführte Wissenschaftsbarometer der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) wies für Österreich höhere Vertrauenswerte aus als ganz ähnliche Umfragen für Deutschland und die Schweiz. Andere Studien zeigten, dass in Österreich zwar das Vertrauen in die Politik und in viele Medien seit 2020 in den Keller rasselte, die Wissenschaft davon aber kaum betroffen war.

Die Metaanalysen internationaler Studien, die Forschende des IHS und der dänischen Uni Aarhus im Auftrag des Wissenschaftsministeriums durchführen, kamen zum Zwischenergebnis, dass es in Österreich im Vergleich mit anderen Ländern keine besonders weit verbreitete Wissenschaftsfeindlichkeit gäbe. Auffällig sei hingegen ein ausgeprägtes Desinteresse an Forschung und ihren Erkenntnissen.

Bleibt die Frage nach möglichen Erklärungen für diesen Zustand: Warum ist unser Land, das bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung mittlerweile zu den Top 3 in der EU zählt, paradoxerweise auch bei der öffentlichen Geringschätzung von Wissenschaft im europäischen Spitzenfeld zu finden?

Vergleichsweise wenig Naturwissenschaft

Hier kommt eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren zusammen. Eine lange katholisch geprägte Geschichte des Landes und seiner Universitäten war für die Wissenschaften und ihre Wertschätzung in der Öffentlichkeit ebenso wenig förderlich wie die rassistisch und politisch motivierte Vertreibung von Forschenden, die nicht erst 1938 begann und bis weit ins 20. Jahrhundert nachwirkte.

An den Schulen wurde eine stärkere Ausrichtung an den Naturwissenschaften lange gebremst, was auch damit zu tun hatte, dass in Österreich die Geisteswissenschaften an den Universitäten bis in die unmittelbare Gegenwart eine im internationalen Vergleich besonders starke Stellung haben. In den Eurobarometer-Umfragen geht es aber nahezu ausschließlich um Science, also um die Naturwissenschaften beziehungsweise um die Mint-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

Auch die Hochschulen und andere Wissenschaftseinrichtungen haben sich nach 1945 allzu lange nicht um die Kommunikation ihrer Erkenntnisse gekümmert – anders noch als in der Zeit um 1900. Damals engagierten sich auch viele Kapazunder wie Ludwig Boltzmann, Ernst Mach oder Eduard Suess in der Vermittlung von Wissenschaft und machten die Uni Wien auch in der Hinsucht zum international bewunderten Vorbild. In der Zweiten Republik hingegen war den Hochschulen die Einrichtung von eigenen Vermittlungsstellen bis in die 1980er-Jahre absurderweise sogar untersagt. Bis heute fehlen an den Unis Anreize für ihre Lehrenden, sich in Sachen Wissenschaftskommunikation zu engagieren.

Viele mögliche Ansatzpunkte

Es gibt also viele Bereiche, in denen die Vermittlung von (Natur-)Wissenschaft verbessert werden kann, an den Schulen ebenso wie an den Universitäten. Dass mehr Forschende in Schulen gehen sollen, wie vom Ministerium geplant, ist fraglos eine gute Maßnahme, kann und wird aber nicht die einzige bleiben.

Schließlich ist auch bei der Wissenschaftsberichterstattung in den Medien noch viel Luft nach oben, wie auch Physiknobelpreisträger Anton Zeilinger unlängst bemerkte: Die heimische Wissenschaftsskepsis liege seiner Meinung auch darin begründet, "dass der Wissenschaftsjournalismus reduziert wurde, und das ist nicht gut". (Die STANDARD-Redaktion bildete in den letzten Jahren auch dank "Forschung Spezial" eine Ausnahme dieses Trends.)

Reform der Medienförderung

Immerhin gibt es auch in dem Bereich seit kurzem ein wenig Hoffnung: Nach vielen mühsamen Interventionen ist es zuletzt gelungen, dass in der geplanten Novelle zur Medienförderung die Berichterstattung über Wissenschaft und Forschung – neben und nach der über Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Ethik und Sport – zusätzliches Förderkriterium werden soll.

Die Rolle des Wissenschaftsjournalismus besteht dabei aber nicht darin, ein unkritischer "Cheerleader" der Wissenschaft zu sein, denn das täte weder dem Vertrauen in die Wissenschaft noch dem Vertrauen in die Medien gut. Unser Job ist es, verlässlich und verständlich über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und ihre gesellschaftlichen Implikationen zu berichten. Das schließt aus, irgendwelchen Narrativen zu folgen, sondern bedeutet, sich bestmöglich an die Fakten und Evidenzen zu halten.

Und wenn es etwas an der Wissenschaft zu kritisieren gibt – etwa, dass sie selbst ebenfalls mehr gegen Wissenschaftsskepsis unternehmen sollte –, dann wird selbstverständlich auch das nicht verschwiegen. Was zu beweisen war. (Klaus Taschwer, 11.4.2023)