Wenn es um Gaming-Handhelds geht, kommt nach der Nintendo Switch lange nichts. Das wird sich auch nicht so schnell ändern.

Foto: APA/AFP/Yamazaki

Zuletzt waren die Absätze zwar rückläufig, ein Platz in der Hall of Fame ist der Nintendo Switch aber jetzt schon sicher: Bis zum Ende des Vorjahres konnte die hybride Spielkonsole 122,55 Millionen Mal verkauft werden – historisch betrachtet ist damit nur noch der Nintendo DS als Handheld kommerziell erfolgreicher, selbst der Game Boy konnte bereits überholt werden.

Das zeigt, dass unter gewissen Umständen – und allen vorangegangenen Unkenrufen zum Trotz – durchaus ein Markt für portable Spiele-Hardware da ist. Wenig verwunderlich daher auch, dass Nintendos Erfolg andere Hersteller mit entsprechenden Handhelds aus der Reserve lockt. Spätestens seit dem Start von Valves Steam Deck im Februar letzten Jahres ist immer öfter zu hören, dass Nintendo Konkurrenz bekommt. Mitunter ist sogar von einem Comeback oder gar einer "Renaissance" der Handhelds die Rede. Bei genauerer Betrachtung halten diese Vermutungen aber nicht den Tatsachen stand.

Die Blaupause

Die Gründe für den Siegeszug der Switch mögen hier und jetzt klar sein, damit gerechnet hat damals aber niemand. Nach dem veritablen Flop der Spielkonsole Wii U und der rasanten Ausbreitung von Handygaming hatte man den japanischen Konsolenhersteller und Spieleentwickler Nintendo 2016 eigentlich abgeschrieben. Schon wieder. Der medial unnötig aufgebauschte Kampf gegen Sony und Microsoft schien endgültig verloren, und das hartnäckige Narrativ, dass das Hardwaregeschäft aufgegeben und das wertvolle Markenportfolio besser über große Player wie Apple verwaltet werden solle, erlebte damals Hochkonjunktur.

Was im gleichen Jahr noch als Nintendo NX gerüchteweise die Runde machte und im Oktober 2016 als Nintendo Switch erstmals öffentlich präsentiert wurde, schlug im darauffolgenden Frühling allerdings ein wie eine Bombe. Das hybride Spielkonzept der Konsole war simpel umgesetzt, die Anschaffungskosten überschaubar und nicht zuletzt das Aufgebot an Spielen aus eigenem Hause, die Exclusives, unglaublich stark. Hinzu kam, dass Nintendo seine einst recht restriktive Veröffentlichungspolitik für Spiele über Bord warf und die Schleusen im E-Shop für ein größeres Angebot sperrangelweit öffnete. Dieses Konzept bewährt sich weitgehend noch bis heute.

Auch wenn die Blaupause für diesen Erfolg im Nachhinein offensichtlich ist, überrascht es dennoch wenig, dass es selbst Jahre später allenfalls Alternativen für die Switch gibt, aber keine echten Konkurrenten. Wirft man einen Blick auf die größten Hoffnungen, zeigt sich immer wieder, dass die clevere Komposition Nintendos eben doch nicht so einfach zu kopieren ist.

Eines vielleicht noch vorweg: Der Überblick über nachfolgende Handhelds erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern nennt nur prominente Alternativen zur Switch. Unter Gaming-Handhelds sind in diesem Kontext außerdem auch Geräte gemeint, die nicht (nur) auf das Spielen von Retro-Games fokussiert sind. Die Vielzahl diverser Gameboy-Klone am Markt findet hier keine Berücksichtigung, auch wenn die Geräte technisch durchaus als "neue" Handhelds klassifiziert werden können.

Steam Deck, Champion der Herzen

Spricht man heutzutage von Gaming-Handhelds, wird das Steam Deck von Valve oft im selben Atemzug genannt. Tatsächlich ist es auch beachtlich, wie der Spieleentwickler und Plattformbetreiber das Betriebssystem auf Linux-Basis laufend optimiert, damit die Spiele das meiste aus der Hardware herausholen können. Mittlerweile sind 76 der 100 meistgespielten Titel auf Steam auch auf dem Steam Deck spielbar oder sogar explizit dafür verifiziert. Mit kleinen Abstrichen kann das Steam Deck also durchaus als Spiele-PC in Taschenformat durchgehen – und zumindest auf inhaltlicher Ebene der Switch locker die Stirn bieten.

Das PC-Feeling setzt aber auch viel Liebe zum Produkt und den Tüftlergeist bei Nutzerinnen und Nutzern voraus, sich mit dem Betriebssystem, der Hardware und den (technischen) Spieleeinstellungen auseinanderzusetzen, wenn man das meiste aus dem Gerät herausholen will. Einfach einschalten und loslegen geht nicht immer: Die lockere Handhabung der Switch, die jede Altersgruppe versteht, sucht man vergeblich. Und das bei Hardware-Preisen, die deutlich höher sind als bei Nintendo.

Das Steam Deck von Valve kann durchaus als Spiele-PC im Taschenformat durchgehen.
Foto: Valve

Und obwohl das Steam Deck von Öffentlichkeit und Community sehr gut angenommen worden ist, gibt Valve keine offiziellen Verkaufszahlen bekannt. Aus gutem Grund: Im Herbst des Vorjahres machten Gerüchte die Runde, wonach mehr als eine Million Konsolen verkauft worden seien. Das mag in Zeiten pandemiebedingter Bauteilknappheit respektabel sein, aber im Vergleich zu anderen Konsolen immer noch schwindend gering. Nintendo soll alleine im Jänner 2023 mehr als eine Millionen Switch-Konsolen verkauft haben.

Hier zeigt sich im Vergleich zu Nintendo eine weitere Schwäche möglicher Mitbewerber: Abgesehen davon, dass derart hohe Stückzahlen gar nicht bereitgestellt werden könnten, fehlt es an entsprechenden Vertriebsmöglichkeiten. Das Steam Deck ist gerade einmal über die hauseigene Steam-Plattform zu beziehen. Damit erreicht man zwar ein relativ großes, aber dennoch eingeschränktes Coregamer-Publikum.

Weit entferntes Exotentum

Noch eingeschränkter verhält sich die Situation bei den Handhelds von Ayaneo, Logitech oder Razer. Sie sind derzeit für Nicht-US-Einwohnerinnen und -Einwohner nur über Umwege zu beziehen und bieten in Summe auch kein stimmiges Paket, das einer Switch auf Augenhöhe begegnen könnte. Während Geräte von Ayaneo auf Windows setzen, kommt beim Razor Edge und beim Logitech G Cloud Android als Betriebssystem zum Einsatz. Ein Herumtüfteln ist wieder vorprogrammiert.

Das Razer Edge 5G ist als Streaming-Konsole ausgelegt und offiziell vorerst nur in den USA erhältlich.
Foto: Razer

Die Handhelds von Razor und Logitech sind zudem vorwiegend für Cloud-Gaming bzw. Streaming konzipiert, was sie in ihrer Nutzung entsprechend abhängig von einem reibungslosen Internetzugang macht. Was den Streaming-Konsolen also an Ubiquität fehlt, können sie immerhin preislich wettmachen.

Zumindest was die Anschaffungskosten betrifft, denn Cloud oder Streaming setzt entsprechende Folgekosten voraus, die für die Nutzung entsprechender Dienste zu entrichten sind. Die G Cloud wird auf der Website von Logitech sogar schon "verramscht" – nicht unbedingt ein Zeichen für anhaltenden Erfolg. Gar nicht preislich mithalten können derzeit Ayaneo-Modelle, die günstigste Version kostet 550 US-Dollar (Zusatzkosten nicht inkludiert).

Mögliche neue Herausforderer

Als missglückten Aprilscherz kündigte Asus zuletzt an, dass man mit dem ROG Ally quasi eine Premium-Version des Steam Deck ins Rennen schicken möchte. Der 1. April war für die Vorstellung zweifellos unglücklich gewählt, die Absicht bleibt allerdings aufrecht. Der Handheld mit maßgeschneiderter AMD-Lösung auf Basis von Zen 4 und RDNA 3 soll in zwei unterschiedlichen Konfigurationen erscheinen.

Kein Aprilscherz: Die Hardware des Asus ROG Ally dürfte richtig teuer werden.
ROG Global

Entsprechend den hochwertigen Hardware-Komponenten sollen bis zu 1.000 Euro in der besseren Ausstattung fällig werden. Derzeit geht man davon aus, dass die Konsole im Herbst erscheinen wird und vorrangig für den Game-Pass von Microsoft gepusht werden könnte. Zumindest der Preis dürfte vielen Gamern einen Strich durch die Rechnung machen.

Ein großes Fragezeichen steht unterdessen hinter den Gerüchten, dass offenbar auch Sony wieder zurück ins Handheld-Geschäft möchte. Allerdings nicht mit einem eigenständigen Gerät wie es bei der PSP oder später der PS Vita der Fall war. Vielmehr soll es sich "nur" um eine Art Playstation-Controller mit Acht-Zoll-Bildschirm handeln, der via PS Remote Play Inhalte von der Playstation 5 zugespielt bekommt. Ein Releasedatum wäre zum jetzigen Zeitpunkt vor 2024 unrealistisch, der Preis noch reine Spekulation. Angesichts ausbleibender Erfolge bisheriger Streaming-Konzepte müsste "Q Lite", wie das Projekt angeblich heißt, jedenfalls Pionierarbeit leisten.

Nintendos größter Feind

Angesichts der angestaubten Hardware, die in der Nintendo Switch verbaut ist, erscheint die Frage zunächst berechtigt, wo die nächste Switch bleibt. Ein Blick auf die Alternativen zeigt aber, dass die Switch selbst nach Jahren auf dem Markt immer noch mit Abstand das beste Gesamtpaket abliefert. Die Hardware selbst spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.

Selbst wenn sich der eine oder andere Handheld ein paar Millionen Mal verkaufen würde, wovon andere Hersteller derzeit noch weit entfernt scheinen, wäre das für Nintendo weitaus leichter zu verkraften, als übereilt einen Nachfolger der Switch auf den Markt zu bringen. Mittelfristig hat Nintendo auf dem Markt für portable Gaming-Hardware höchstwahrscheinlich also nur einen Feind zu fürchten: sich selbst. (Benjamin Brandtner, 8.4.2023)