Hohe Inflation, Notenbanken, die sich mit ungewöhnlich hohen Zinsschritten gegen die Teuerung stemmen, Turbulenzen im Bankensektor, der Krieg in der Ukraine – die Lage ist weltweit von großer Unsicherheit geprägt. Die Wirtschaftsaussichten sind dementsprechend getrübt.

Das Wachstum der Weltwirtschaft wird laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf absehbare Zeit überschaubar bleiben. Für dieses Jahr erwarten die IWF-Ökonomen ein globales Wachstum von weniger als drei Prozent. Die Hälfte davon dürfte dabei den beiden Volkswirtschaften China und Indien zuzuschreiben sein.

Keine erfreulichen Nachrichten angesichts des Umstands, dass die globale Konjunktur bereits im Vorjahr auf 3,4 von zuvor 6,1 Prozent eingebrochen ist. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa stimmte im Vorfeld der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington gleich einmal auf längerfristige Durststrecken ein.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der hungernden Menschen weltweit wieder deutlich gestiegen. Krisen treffen sie härter.

Das Wachstum bleibe im historischen Vergleich schwach, und das nicht nur kurzfristig, erklärte Georgiewa jüngst. "Wir prognostizieren, dass das weltweite Wachstum bei rund drei Prozent in den nächsten fünf Jahren bleiben wird – unsere niedrigste Mittelfristprognose seit 1990."

Ärmere Länder schwächeln

Der Schnitt der vergangenen beiden Jahrzehnte sei immerhin bei 3,8 Prozent gelegen. Am Dienstag wird der IWF seine Detailprognose vorlegen. Der scheidende Weltbankchef David Malpass sagte am Montag, es werde für 2023 mit einem globalen Wachstum von zwei Prozent gerechnet. Allzu hohe Erwartungen sollten die Staatenlenker rund um den Globus also nicht haben: Rund 90 Prozent der Industriestaaten dürften dieses Jahr niedrigere Wachstumsraten verzeichnen, warnte Georgiewa. Das große Problem: Auch ärmere Länder würden schwächeln und täten sich schwer, diese Lücke zu schließen. "Armut und Hunger könnten weiter zunehmen, ein gefährlicher Trend, der in der Covid-Krise begonnen hat", meinte Georgiewa.

Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen hat sich die Zahl der akut an Hunger leidenden Menschen von Anfang 2020 bis Mitte 2022 auf etwa 345 Millionen Menschen verdoppelt. Pandemie, Krieg in der Ukraine und Klimawandel treffen die Ärmsten am härtesten.

Georgiewa verwies darauf, dass der IWF seit Corona-Ausbruch im Jahr 2020 fast 300 Milliarden Euro Dollar an Finanzhilfen bereitgestellt hat, um 96 Ländern in Not unter die Arme zu greifen. Der IWF hat etwa der Ukraine eben erst ein Kreditprogramm in Milliardenhöhe genehmigt und dafür eigens seine Regeln geändert, um derartige Programme für Länder zu ermöglichen, die mit "außergewöhnlich hoher Unsicherheit" konfrontiert sind.

"Hungry For Action" nennt sich die Organisation, deren Mitglieder protestieren während der Frühjahrstagung des IWF und der Weltbank in Washington.
Foto: EPA/SHAWN THEW

Vor rund einer Woche floss die erste Tranche in einem Umfang von über 2,7 Milliarden Dollar (2,48 Milliarden Euro). Das IWF-Exekutivgremium hatte in der Woche davor ein Kreditprogramm im Umfang von 15,6 Milliarden Dollar genehmigt – der bisher größte Kredit für das Land seit Kriegsbeginn. Erstmals schnürte der Fonds auch ein größeres Paket – Teil eines internationalen Hilfspakets in Höhe von insgesamt 115 Milliarden US-Dollar – für ein Land, das sich im Krieg befindet.

Das Programm solle eine "Politik verankern, die die fiskalische, außenwirtschaftliche, preisliche und finanzielle Stabilität" aufrechterhalte und die wirtschaftliche Erholung unterstütze, so der IWF.

Kampf gegen die Inflation

All das wird auch Thema in Washington sein. Auf der Agenda der Frühjahrstagung steht auch ein runder Tisch zur Ukraine. Am Mittwoch treffen sich dann die Finanzministerinnen und -minister sowie die Spitzen der Zentralbanken der Staaten der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Im Fokus: die Bekämpfung der hohen Verbraucherpreise und die Zinserhöhungen der Notenbanken rund um den Globus, um dagegen anzukämpfen. Die jüngsten Probleme im Bankensektor in den USA und in Europa haben bereits gezeigt, wie heftig die Folgen unter Umständen in manchen Sektoren sein können.

Nach Einschätzung des IWF ein Indikator dafür, wie anfällig der Finanzsektor nach Jahren der extrem niedrigen Zinsen ist. "Solche Risiken könnten sich in den kommenden Monaten noch verstärken", warnten die IWF-Fachleute jüngst in einem Blog zur Finanzstabilität. Sie lenken den Blick auf wenig ausgeleuchtete Sektoren. Pensionsfonds, Versicherer und Hedgefonds – diese hätten seit der Finanzkrise von 2008 deutlich an Gewicht zulegt. Fast die Hälfte der weltweiten Finanzanlagen entfalle auf sie. Auch hier orten die IWF-Fachleute eine zunehmende Anfälligkeit. (Regina Bruckner, 10.4.2023)