Dem Entwurf nach würden etwa die Verbreitung pornografischer Bilder ohne Zustimmung oder eine Heirat gegen den Willen der Frau als Verbrechen gelten.

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Teheran – Der Iran will die Strafen für Gewalt gegen Frauen verschärfen. Dafür verabschiedete das Parlament die Grundzüge eines entsprechenden Gesetzentwurfs mit dem Titel "Verhinderung von Schaden für Frauen und Verbesserung ihrer Sicherheit vor Fehlverhalten", wie die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna berichtete. Der Text könnte in den kommenden Monaten als Gesetz verabschiedet werden, er kann allerdings noch geändert werden.

Die am Sonntag vereinbarten Grundzüge sehen den Angaben zufolge unter anderem längere Haftstrafen für Morde an Frauen vor. Männer, die wegen Mordes an ihrer Frau verurteilt wurden, müssten dann mit bis zu 15 statt bisher zehn Jahren Gefängnis rechnen – sofern die Familie des Opfers sich gegen ein Todesurteil ausspricht. Die Verbreitung pornografischer Bilder ohne Zustimmung der Frau oder eine Heirat gegen den Willen der Frau würden als Verbrechen gelten.

Außerdem soll es der Justiz ermöglicht werden, verheirateten Frauen eine Ausreisegenehmigung zu erteilen – auch wenn ihr Ehemann sie daran hindern will, ins Ausland zu reisen.

Reaktion auf Protestbewegung

Der Gesetzentwurf kommt rund sieben Monate nach dem Beginn der Protestbewegung, die durch den Tod von Mahsa Amini ausgelöst würde. Die junge Frau war im September von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben soll.

Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, der das letzte Wort bei wichtigen politischen Fragen hat, hatte im Jänner ein strengeres Gesetz zum Schutz der Frauen gefordert. "In unserer Gesellschaft werden Frauen in manchen Familien unterdrückt", sagte er. "Wenn das Gesetz eine Frau nicht schützt, kann ein Mann sie missbrauchen." Die Lösung sei, dass die Gesetze so stark sind, "dass kein Mann Frauen unterdrücken kann".

Neue Vergiftungsfälle

Indes haben nach neuen Vergiftungsfällen an Mädchenschulen im Iran Angehörige fehlende Aufklärung beklagt. Mehr als vier Monate nach den ersten Verdachtsfällen sagten Parlamentsabgeordnete, dass Irans Sicherheitsbehörden keine Erklärung für die mysteriösen Vergiftungen hätten, berichtete die Zeitung "Etemad" am Montag. Vergangene Woche wurden nach den Ferien rund um das persische Neujahrsfest, das den Frühlingsbeginn markiert, direkt mit Schulbeginn wieder Dutzende Fälle gemeldet.

Etwa 100 Schülerinnen seien am Sonntag in der kurdischen Stadt Saghes, dem Heimatort der Protestikone Jina Mahsa Amini, vergiftet worden, berichtete die Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) mit Sitz in den USA. Zwei Dutzend Schülerinnen sollen im kritischen Zustand sein. Protestierende Eltern seien festgenommen worden. Von offizieller Seite gab es zunächst keine Informationen zu den Vergiftungen in den iranischen Kurdengebieten.

Mehr als 13.000 potentiell Betroffene

Am Freitag hatten Behörden nach Kritik angekündigt, in Kürze einen Bericht zu den Vorfällen vorzulegen. Seit Monaten sorgt die Vergiftungswelle im Land für Unruhe. Betroffen sind fast ausschließlich Mädchenschulen. Landesweit wurden Schülerinnen in Krankenhäusern behandelt. Ärzte sprechen von Gasvergiftungen. Mehr als 13.000 Verdachtsfälle verzeichneten die Behörden offiziell.

Eltern und andere Angehörige werfen den Behörden Versagen vor. Aus Sorge ließen viele Familien ihre Kinder bereits vor den Neujahrsferien nicht mehr zur Schule gehen. Die Vorfälle setzen die iranische Regierung weiter unter Druck. Proteste nach dem Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini im Polizeigewahrsam lösten in Teheran im vergangenen Herbst die schwerste politische Krise seit Jahrzehnten aus. Kritikerinnen und Kritiker bezeichnen die Vergiftungen als Rache an den Protesten. Wer dahinter steckt, ist jedoch weiter unklar. (APA, red, 10.4.2023)