Ebenfalls beim Festival zu sehen: "Birth of Venus".

Pornfilmfestival

Das Paar Elisa und Samuel wird in "À mes amours" in den Ferien bald nicht mehr allein sein.

Pornfilmfestival

Wenn diese Woche beim Pornfilmfestival Vienna (PFFV) wieder Pornos über die Kinoleinwand flirren, ist Erregung gleich mehrfach Teil des Spiels. Immerhin ist ein Kinosaal ja eine Art Öffentlichkeit, wenn auch eine mit Konsens durch Eintritt. Aufmerksamkeit erregen Sex und seine Darstellung sowieso immer noch verlässlich. Ärger darüber trauen sich nur mehr wenige Konservative kundzutun. Doch wie sieht’s mit der Lust aus?

Pornografie hat sich längst vom Schimpfwort zensurfreudiger Sittenwächter zum wiedereroberten Begriff zwischen Provokation und Hedonismus gemausert. Ästhetisch ist Porno längst schick. Beim öffentlichen Pornoschauen zelebriert das Wiener Pornfilmfestival aber auch im sechsten Jahr die Erweiterung der Komfortzone seines Publikums über diesen Chic hinaus.

Ethischer Zugang

Wie jedes Filmfestival sucht auch das PFFV dabei die blühende Vielfalt abseits des Mainstream samt Gästen wie Jennifer Lyon Bell. Denn gerade bei Pornos gibt es eine bunte Subkultur, die sich der faden Vereinheitlichung der Konsumlogik widersetzen. Das reicht von Animationen und "Female Pleasure Porn" über Experimentelles und BDSM (eine Sammelbezeichnung für eine Gruppe von Sexualpräferenzen) bis hin zu "Ecosexuality & Nature Porn" und "Fun Porn". Und mit dabei sind auch einige österreichische Beiträge.

In "À mes amours" aus dem Jahr 2022 ist Polyamorie ein Thema.
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Eine wichtige Rolle spielt der ethische Zugang, mit dem Anspruch von Subversion antiquierter Sexualmoral. Denn ethische Pornografie in der Produktion und der Darstellung ist ein Riesenthema, nicht erst seit die Berliner Pornfilmfestival-Leiterin Paulita Pappel für Böhmermanns ZDF-Magazin einen öffentlich-rechtlichen Porno drehte – hierzulande wohl eher schwierig im ORF-Sparprogramm unterzubringen.

Auch in den Porn Shorts des Wiener Festivals geht es um Inklusion und Repräsentation von unterschiedlichen Sexualitäten, Körpern und Präferenzen. Aber nicht nur: "From hard to soft, from political to playful", jedenfalls aber "proud and loud" weit über das hinaus, was gemeinhin "Vanilla Sex" genannt wird, und dezidiert für ein Publikum über Männer hinaus. Nicht alles ist explizit, vieles durchaus humorvoll, und fünf Langfilme wie Ruth Beckermanns "Mutzenbacher" begleiten die überbordenden 25 Kurzfilm-Programme.

50er-Jahre-Chic

Das Festival bespielt neben dem Hauptquartier Schikaneder auch Topkino, Votivkino, Volkskundemuseum und das großartige Fortunakino, ein echtes Pornokino mit 50er-Jahre-Chic im wilden Favoriten. Das umfangreiche Rahmenprogramm bietet Festivitäten, allerlei Workshops etwa zum Thema "Abtreiben ist okay", einen Vortrag zu Sexualität und Technologie und zwei Ausstellungen, unter anderem in der Akademie der bildenden Künste, und eine Burlesque Show.

Auf die Frage, warum man sich Pornos gemeinsam mit anderen in einem Kinosaal anschauen soll, stellt das Pornfilmfestival Vienna einfach die Gegenfrage: warum eigentlich nicht? (Marian Wilhelm, 12.4.2023)