Im Konflikt um den Inselstaat Taiwan – die Republik China – setzt die Volksrepublik China zunehmend auf eine militärische Drohkulisse. Nach Ansicht der chinesischen Regierung in Peking gehört Taiwan zu China, und international steigt die Sorge, dass China versuchen könnte, sich die Insel mit einer Invasion einzuverleiben.

VIDEO: Am dritten Tag ihrer Militärmanöver vor Taiwan hat die chinesische Armee nach eigenen Angaben die "Abriegelung" der Insel geübt. Eine Unabhängigkeit Taiwans und Frieden in der Region schlössen sich aus, drohte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking
DER STANDARD

Frage: Wieso gibt es de facto zwei chinesische Staaten?

Antwort: Infolge der Regelungen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das vormals japanisch beherrschte Taiwan in die Republik China unter der Kuomintang-Regierung von Chiang Kai-shek eingegliedert. Infolge des chinesischen Bürgerkriegs musste die Regierung 1949 vor den kommunistischen Truppen Mao Tse-tungs auf die Insel flüchten. Auf Taiwan herrschte die Kuomintang die kommenden Jahrzehnte diktatorisch in einem Einparteiensystem, während Mao auf dem Festland eine kommunistische Diktatur errichtete. Spätestens ab den 1980ern wurden auf Taiwan Schritte in Richtung einer Demokratisierung gesetzt, während in China jegliche Demokratisierungsbestrebungen brutal unterdrückt werden.

Frage: Wieso postuliert Peking, dass es nur ein China gebe?

Antwort: China verfolgt eine strikte antitaiwanische Politik, die sogenannte Ein-China-Politik. Peking akzeptiert nur diplomatische Beziehungen zu Staaten, die die Prämisse anerkennen, dass es nur ein China gebe, wobei dieses "eine China" freilich die Volksrepublik wäre. Taiwan sei lediglich ein Teil Chinas. Demnach kann ein Staat volle diplomatische Beziehungen entweder nur mit Peking oder nur mit Taiwan pflegen. Der überwiegende Teil der Staaten hat mittlerweile Chinas Ein-China-Politik anerkannt und unterhält diplomatische Beziehungen mit Peking. Viele Staaten umgehen jedoch die chinesische Position, indem sie zwar keine Botschaften in Taiwan unterhalten, aber dennoch inoffizielle diplomatische Beziehungen zu Taipeh pflegen.

Ein Kampfflugzeug startet vom chinesischen Träger Shandong.
Foto: AP/Xinhua

Frage: Welche Positionen nimmt die internationale Gemeinschaft ein?

Antwort: Nur noch 13 unabhängige Staaten haben volle diplomatische Beziehungen mit Taipeh. In den vergangenen Jahrzehnten hat Peking massive Bemühungen gesetzt, um Taiwan international zu isolieren. Zuletzt wurde Honduras, das seit jeher auf der Seite der Republik China stand, zum Überlaufen zur Volksrepublik bewegt. Auch Nicaragua, die Salomonen und Kiribati wurden erst in den vergangenen Jahren umgedreht. Österreich hat wie viele andere europäische Staaten bereits Anfang der 1970er-Jahre die Seiten gewechselt. Kurz zuvor musste damals die Republik China infolge der UN-Resolution 2758 den Uno-Sitz an die Volksrepublik abgeben.

Die USA haben bei ihrem Seitenwechsel im Jahr 1979 Taipeh die Verteidigungsfähigkeit garantiert und unterstützen Taiwan seither militärisch.

Frage: Wendet sich Paris unter Macron von Washington ab?

Antwort: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat am Sonntag im Bezug auf den Taiwan-Konflikt davor gewarnt, Europa als Vasallen zwischen China und den USA zu positionieren. "Das Schlimmste wäre zu denken, dass wir Europäer bei diesem Thema Mitläufer sein sollten und uns an den amerikanischen Rhythmus und eine chinesische Überreaktion anpassen sollten", sagte der Präsident in einem Interview. Es wäre eine Falle, in einem Moment der Klärung der eigenen strategischen Position in fremden Krisen gefangen zu sein. Europa drohe in so einem Fall, Vasall zwischen den USA und China zu sein, obwohl man ein dritter Pol sein könne.

Macron erntete für die Aussagen in Europa heftige Kritik, sie wurden als Distanzierung von den USA aufgefasst. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen schalt den französischen Präsidenten: "Macron isoliert sich in Europa, er schwächt die Europäische Union, und er konterkariert ja das, was die Präsidentin der Europäischen Kommission in Peking gesagt hat." Der Élysée-Palast wies die Kritik zurück, die USA seien selbstverständlich die Verbündeten, mit denen man die gemeinsame Werte teile. China sei hingegen ein Konkurrent und Rivale. Mit Peking müsse man eine gemeinsame Agenda schaffen, um die Spannungen zu reduzieren. In der Frage Taiwans unterstütze Paris weiterhin den Status quo.

In einer programmatischen Rede in Den Haag am Dienstag legte der französische Präsident dann keinen großen Fokus mehr auf Taiwan, unterstrich aber erneut seine Forderung nach "europäischer Souveränität". Der Kontinent müsse die Fähigkeiten haben, auch in Zukunft selbst sein Schicksal zu gestalten, betonte er.

Macrons Abgrenzung von der Taiwan-Politik der USA könnte auch eine Revanche für die Aukus-Affäre sein. Australien hatte im Jahr 2021 einen U-Boot-Deal mit Frankreich auf Betreiben der USA platzen lassen, um gemeinsam mit Großbritannien die Pazifik-Allianz Aukus (Australien, United Kingdom, USA) zu begründen. Mehr dazu in der Analyse zu Macrons Taiwan-Aussagen.

Frage: Droht ein chinesischer Angriff auf Taiwan?

Antwort: China hat von Samstag bis Montag in dreitägigen Militärmanövern einen Angriff auf Taiwan simuliert und dies als Warnung "wegen der provokanten Aktivitäten der separatistischen Unabhängigkeitskräfte in Taiwan und ihre geheimen Absprachen mit ausländischen Kräften" bezeichnet. "Die Unabhängigkeit Taiwans und der Frieden und die Stabilität in der Straße von Taiwan schließen sich gegenseitig aus", erklärte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin. Bei dem Manöver, bei dem auch der Flugzeugträger Shandong und Landungsboote im Einsatz waren, sei die "Abriegelung" der Insel trainiert worden.

Von der Shandong starteten rund 80-mal Kampfflugzeuge und rund 40-mal Helikopter, was wiederum zum Einsatz von Kampfjets des Nachbarn Japan führte. Der japanische Generalstab berichtete, dass zwei Eskorten entsandt wurden, um die chinesischen Bewegungen zu überwachen. Die EU rief zur Zurückhaltung in der Region auf, eine Eskalation hätte weltweite Konsequenzen.

Peking rechtfertigte die Drohgebärde mit dem Treffen der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen mit dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, in Los Angeles. Tsai kritisierte den Aufmarsch Pekings: Dieser habe zu einer Instabilität in der Region geführt. Das sei keine verantwortungsvolle Vorgehensweise, schrieb sie auf Facebook. Sie vertrete ihr Land, Besuche im Ausland seien nichts Neues.

Auch nach dem offiziellen Ende des chinesischen Manövers seien neun Kriegsschiffe Pekings in den Gewässern um Taiwan aktiv, beklagte Taipeh am Dienstag. Das taiwanische Verteidigungsministerium erklärte, es habe Dienstagfrüh neun chinesische Schiffe und 26 Flugzeuge, darunter J-16- und Su-30-Kampfflugzeuge, bei Patrouillen in Kampfbereitschaft um die Insel gesichtet.

Frage: Worum geht es beim Balikatan-Manöver?

Antwort: Am Dienstag haben die USA gemeinsam mit den Philippinen umfangreiche Militärübungen begonnen. Auch die Philippinen sind – wie praktisch alle Nachbarn Chinas – von den Gebietsansprüchen Pekings betroffen. Im Fall der Philippinen geht es um die Spratley- und die Paracel-Inseln. An dem jährlich durchgeführten Balikatan-Manöver nehmen heuer 17.600 Soldaten teil, die zu mehr als zwei Dritteln von den USA gestellt werden.

Bei den Manövern wird bis 28. April die Verteidigung der Küsten und zur See geübt, wo auch mit scharfer Munition trainiert wird. Zum Teil finden die Manöver in den Provinzen Zambales und Palawan statt, die am Südchinesischen Meer liegen. Aber auch im Grenzgebiet zu Taiwan werden Übungen abgehalten.

China hat in dem rohstoffreichen Gebiet künstliche Riffe angelegt. Entsprechend warnt Peking, dass die Manöver nicht in den chinesisch beanspruchten Gebieten stattfinden dürfen. Das internationale Schiedsgericht in Den Haag wies die chinesischen Ansprüche im Jahr 2016 zurück, was Peking ignoriert. (Michael Vosatka, red, APA, 11.4.2023)