Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) wurde zur Befragung vor der U-Kommission von Anwältin Mara-Sophie Häusler begleitet.

Was hat Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr von den Neos wann gewusst – und wie hat er es erfahren? Um diese Fragestellungen drehte sich im Kern die Befragung des Wiener Neos-Chef am mittlerweile neunten Sitzungstag der U-Kommission zur Causa Wien Energie. Wiederkehr blieb bei der Befragung vor dem gemeinderätlichen Gremium bei seiner bisherigen Darstellung, dass er von der finanziellen Schieflage der Wien Energie erst Ende August aus den Medien erfahren habe.

Die Befragung des Vizebürgermeisters zeigte aber auch deutlich, wie es um die Kräfteverhältnisse in der rot-pinken Wiener Koalition bestellt ist: Demnach hat es im Sommer 2022 – zwischen 15. Juli und 28. August, als die enormen Liquiditätsprobleme der Wien Energie publik wurden – kein einziges persönliches Gespräch zwischen Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und seinem Vize Wiederkehr über die Wien Energie gegeben, wie der Neos-Chef einräumte.

Von Notkompetenz am 15. Juli informiert

Aber von vorne: Am 15. Juli 2022 hat Bürgermeister Ludwig von seiner Notkompetenz Gebrauch gemacht und der Wien Energie einen ersten Kreditrahmen über 700 Millionen Euro genehmigt. Ludwig, der vor zwei Wochen vor der U-Kommission geladen war, argumentierte damit, dass extreme Preisentwicklungen am Strommarkt zu befürchten gewesen seien. Noch am selben Tag wurde Wiederkehr von der 700 Millionen Euro schweren Ausübung der Notkompetenz informiert: Die Gespräche liefen zwischen dem Präsidialchef des Bürgermeisters und Wiederkehrs Büroleiter.

Eine aktive Information der Öffentlichkeit "wäre sinnvoll gewesen", sagte Wiederkehr. Von Ludwigs erster Notkompetenz in der Causa Wien Energie vom 15. Juli erfuhr die breite Öffentlichkeit erst Ende August.

Der Kreditrahmen per Notkompetenz sei inhaltlich plausibel gewesen, sagte der pinke Wien-Chef aus. Allerdings habe er hinterfragt, wieso zum damaligen Zeitpunkt die Öffentlichkeit nicht informiert werde. Die Verantwortung, dass es nicht dazu kam, schob er auf Ludwig ab. "Es war die Entscheidung des Bürgermeisters", sagte Wiederkehr. Eine aktive Information der Öffentlichkeit "wäre sinnvoll gewesen", kritisierte er am Dienstag.

Wiederkehr selbst, der immerhin auch Wiens Transparenz-Stadtrat ist, dürfte zum damaligen Zeitpunkt aber auch nicht vehement darauf gedrängt haben. Wiederkehr trug aus Koalitionsräson die Geheimhaltung mit, wie er sagte. Bis Ende August blieben diese Vorgänge rund um die erste Notkompetenz den Wiener Oppositionsparteien und der Öffentlichkeit verborgen.

Information über Liquiditätsengpass erst Ende August

Vom enormen Liquiditätsengpass bei der Wien Energie will Wiederkehr erst Ende August "aus den Medien erfahren" haben, wie er in der U-Kommission sagte. Demnach wurde Wiederkehr vorab auch nicht über den Energiegipfel am 28. August im Bundeskanzleramt informiert. Einen Gesprächsaustausch zwischen Ludwig oder Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) mit Wiederkehr über die Probleme der Wien Energie hat es demnach erst ab dem 29. August gegeben.

ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch und der grüne Klubchef David Ellensohn kritisierten in der U-Kommission, dass es für Vizebürgermeister Wiederkehr auch eine Holschuld gegeben hätte, was Informationen rund um die Wien Energie in der Hochphase der Energiekrise betrifft. Wiederkehr wiederholte, dass er bis zum 28. August nicht laufend über die Liquidität bei der Wien Energie informiert worden sei. Wiederkehr habe Ende August eben erst seinen kurzen zweiten Sommerurlaub angetreten und nach den ersten medialen Berichten über die Wien Energie entschieden, den Urlaub abzubrechen und nach Wien zurückzukommen.

Ellensohn bedankte sich bei Wiederkehr zwar über "sichtbar ehrliche Antworten" in der U-Kommission. Das Fazit fiel dann aber äußerst kritisch aus: "In überraschender Offenheit gibt Wiederkehr zu, absolut nichts gewusst zu haben", sagte der grüne Klubchef. "Er gibt auch zu, sich nicht weiter darum gekümmert zu haben, Informationen zu bekommen." Dass Wiederkehr das Instrument der Notkompetenz am 15. Juli durch Ludwig nicht hinterfragt habe, monierte ÖVP-Klubchef Wölbitsch. In einer Aussendung forderten die ÖVP-Mandatare Wölbitsch und Caroline Hungerländer, dass Wiederkehr sein Amt zur Verfügung stellen solle. Für FPÖ-Klubchef Maximilian Krauss ist Wiederkehr "rücktrittsreif". (David Krutzler, 11.4.2023)