Fettes Brot hören auf, wenn es am schönsten ist; die Bandscheiben machen – Gott sei Dank – noch mit.

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Aufhören soll man bekanntlich, wenn es am schönsten ist. Fettes Brot, das lustige Hip-Hop-Trio aus Hamburg, hat nach knapp über 30 Jahren beschlossen, das Baseballkapperl draufzuhauen. Ein letztes Mal werden sie am Mittwoch und Donnerstag im Rahmen ihrer Abschiedstournee in Wien im zweimal ausverkauften Gasometer auftreten. Laut einer alten Weisheit des freien Markts im Pop tritt der Fall des Amschönstenseins dann ein, wenn man es sich finanziell leisten kann und seine Bandkollegen schon in jeder nur erdenklichen existenziellen und körperlichen Krise im Tourbus – oder besser – Privatjet erlebt hat.

Vermögen Gerade im Hip-Hop sind im Laufe seiner Geschichte so mancher Reim und so manche Goldkette geschmiedet worden, die das hohe Lob des Mannes mit der dicken Hose anstimmen. Geld macht glücklich – und das anstrengende Bühnendasein als viriles, mit den Bandscheiben kämpfendes Jugendidol wirkt zunehmend bemitleidenswert. Das Vermögen der drei Fetten Brote namens König Boris, Doktor Renz und Björn Beton wird erfreulicherweise auf fünf Millionen Euro geschätzt. Über Mick Jagger ein anderes Mal.

Gasometer Apropos. Fettes Brot verabschieden sich von ihrem österreichischen Publikum in der Lokation des Grauens. Der einzige Vorteil dieser dem Architekturstil des Misanthropismus zuneigenden Konzerthalle am Rande Wiens, die 2001 als kleine Schwester der Stadthalle in einem lange stillgelegten Gasbehälter des Gaswerks Simmering eröffnet wurde, ist die U-Bahn-Anbindung. Sonst fällt einem kein weiterer Vorzug ein, schon gar nicht die grimmige Akustik im 4200 Personen fassenden Saal. Am besten waren dort in den frühen 1990er-Jahren noch die lustigen halblegalen Techno-Raves. Aber daran kann sich aus gewissen Gründen keiner der damals Beteiligten mehr so richtig erinnern. Hallo, Fettes Brot haben sich in der Rave-Hochzeit von 1992 gegründet! Alles hängt mit allem zusammen.

Fettes Brot

Humor ist (unter anderem) nicht nur in einer Beziehung wichtig, vor allem dann, wenn man einmal ein bisschen später, zu Mittag oder so, von einem Rave nach Hause kommt. Fettes Brot haben es im Laufe ihrer Karriere mit großen und längst zu Evergreens gewordenen Hits wie Jein, Bettina, Emanuela oder Schwule Mädchen auch geschafft, die Balance zwischen Humor und Blödeln zu halten. Ihr Albumdebüt von 1995 mit dem schönen Titel Auf einem Auge blöd und dem Hit Nordisch by Nature gab die Richtung vor. Das Schiff hat bis heute Kurs gehalten.

Kutter Ein Kutter ist ein kleines, auch für die Hochsee geeignetes Schiff. Ein solches, plus eine Hafenlandschaft mit Kränen und Überseefrachtkisten und darüber schwebender Riesenmöwe, haben die Hamburger Jungs für ihren Bühnenabschied "Fettes Brot ... is history" als Bühnendekoration gewählt. Dazu muss man eines sagen: Liebe Leute von der Waterkant, ihr könnt schön langsam damit aufhören, immer so zu tun, als würde es sich bei Hamburg um eine Stadt an der rauen Nordsee handeln. Wenn ein Kutter von der Nordsee in die Mündung der Elbe einbiegt, liegen bis zum Festmachen im Hamburger Hafen circa 107 Kilometer Flussfahrt vor dem Bug! He, ihr wohnt am Bach! Euer alter Seebär Freddy Quinn ist übrigens Leichtmatrose aus Wien. Donauflotte ahoi.

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Yasmin So heißt der Kutter, auf dem Fettes Brot nach 107 Kilometer langer Anfahrt vom Bach raus ans Meer ein letztes Mal in See stechen. Wir müssen jetzt über Frauen reden. Wie man anhand der Texte der klugen Lieder Bettina und Emanuela sieht, haben Fettes Brot im Gegensatz zu heute im deutschen Hip-Hop dominanten Berliner Neandertaler-Rappern, Möchtegerngangstern und Zeitungsständerkassa-Fladeranten ein etwas differenzierteres Frauenbild aufzuweisen. Vielen knallharten Kollegen weit, weit jenseits der Pubertät fallen zu Frauen in ihren Texten vor allem deutsche Worte ein, für die ihnen die beste Mutti von allen früher den Mund mit Seife gewaschen hätte. Diese Leute sollten auch aufmerksam den Song Schwule Mädchen hören. Er wendet sich nicht nur gegen die frauenfeindlichen, sondern auch gegen die homophoben Tendenzen im (deutschen) Hip-Hop.

Fettes Brot

Brot ist natürlich gar nicht fett. Selbst bei Toastbrot kommt man mit den Fingern einer Hand aus, wenn man die Prozente Fettanteil zählt. Womit wir bei blöden Bandnamen im deutschen Hip-Hop wären. Auch Blumentopf, Fischmob, Deichkind oder Die Fantastischen Vier sind stolz auf diese. Über Die Goldenen Zitronen, Einstürzende Neubauten oder Erdmöbel und Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs lacht ja auch niemand.

Ramschkiste Bevor also König Boris, Doktor Renz und Björn Beton mit Gehhilfe touren und ihre Platten direttissima in der Ramschkiste landen, schaufeln sich Fettes Brot laut Eigenaussage lieber selbst ihr Grab. Ein bisserl was geht ja auch nach dem Ende immer. In der bei der Altersgruppe 50+ enorm beliebten Trödel-Show Bares für Rares sind Fettes Brot 2023 schon aufgetaucht. Einer wegen des Kaufpreises zaudernden Händlerin sangen ihre Kollegen dort Jein vor: "Soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein? Jein!" (Christian Schachinger, 12.4.2023)