Eine schwarz-blaue Landesregierung würde Salzburg isolieren, warnt Andrea Klambauer. Schon jetzt sei man für die dringend benötigten Fachkräfte kein attraktives Land mehr.

Franz Neumayr

Medienleute, die im Gespräch mit Andrea Klambauer auf einen knackigen Sager warten, werden oft enttäuscht. Die Quereinsteigerin führte ihre Ressorts in der Landesregierung ohne viel Getöse, ruhig und sachlich. Im oft marktschreierischen Politikbetrieb ist die Salzburger Neos-Frontfrau mit diesem Politikstil aber in den vergangenen fünf Jahren oft untergegangen. Bei der Landtagswahl am 23. April kämpft Klambauer nicht nur um den Regierungssitz, sondern auch um den Einzug in den Landtag.

STANDARD: In einem Brief an die Salzburger und Salzburgerinnen als Inserat stellen Sie selbst die rhetorische Frage: Wo waren die Neos die vergangenen fünf Jahre? Man hat tatsächlich oft wenig von den Neos gehört. Wurden Sie in der Koalition von der ÖVP an die Wand gespielt?

Klambauer: Es ist meine Art, mich zuerst auf das Umsetzen zu konzentrieren. Aber natürlich ist die ÖVP eine Machtpartei und spielt das auch aus. Aber es liegt wohl auch an uns, zu zeigen, was wir alles erledigt haben.

STANDARD: Wie ist das Verhältnis zur ÖVP? Immerhin hat Ihnen die ÖVP in den vergangenen Jahren mit einer ehemaligen Salzburger Stadträtin und dem ehemaligen Klubobmann im Landtag zwei wichtige Funktionäre abgeworben.

Klambauer: Innerhalb unseres gemeinsamen Koalitionsprogramms haben wir eine sehr gute Zusammenarbeit. Aber die zwei Fälle waren natürlich Fouls von der ÖVP.

STANDARD: In Sachen Öffentlichkeitswirksamkeit: Fehlt Ihnen Sepp Schellhorn?

Klambauer: Er fehlt der Politik insgesamt. Ich würde mich freuen, wenn er wieder zurückkommt. Wir sind aber in einem engen Austausch miteinander und haben erst vor kurzem eine gemeinsame Pressekonferenz zum Thema Arbeitskräftemangel gegeben. Hierher gehört auch, dass es keine schwarz-blaue Koalition geben darf. Diese würde Salzburg weiter isolieren. Wir sind international in den vergangenen Jahren ohnehin weit zurückgefallen: Wir sind kein attraktives Land mehr für die Fachkräfte, die wir dringend brauchen.

STANDARD: Wenn die Neos nicht mehr der kommenden Landesregierung angehören, bleiben Sie dann in der Politik?

Klambauer: Wenn das Wahlergebnis passt, bleibe ich auch in der Opposition. Wir Neos können konstruktive Politik, sowohl in Opposition als auch in der Regierung.

STANDARD: Würden Sie als Klubobfrau in der Opposition weitermachen?

Klambauer: Ja.

"Wir haben in fünf Jahren 880 zusätzliche Kräfte eingestellt", sagt Klambauer zum Personalmangel im Kindergarten.

STANDARD: Eines Ihrer Kernressorts ist die Kinderbetreuung. Sie sprechen von einem Betreuungsschlüssel bei den Elementarpädagogen und -pädagoginnen von 1:7 im Land Salzburg. Spricht man mit der Personalvertretung, hört man ganz andere Zahlen. Es gibt Fälle mit einem Betreuungsschlüssel von 1:20. Wie kommen Sie auf Ihre Zahlen?

Klambauer: Das sind die Daten der Landesstatistik und der Statistik Austria – wir reden hier von Fachkraft-Kind-Schlüssel. Wie es zu den unterschiedlichen Ansichten kommt, ist leicht erklärt. Die Zahlen hier beziehen sich auf den ersten bis zum sechsten Geburtstag. In der Kleinkindbetreuung ist der Schlüssel mit 1:4 viel besser als im Kindergarten. Im Kindergarten liegt der Betreuungsschlüssel derzeit bei 1:8. Die Berufsgruppe vertritt hier rein den Kindergarten, und da gilt es die nächsten Schritte zu setzen. Wir haben gerade die zweite fixe Fachkraft ab dem 20. Kind eingeführt.

STANDARD: Die Berufsgruppe spricht von 1300 oder mehr fehlenden Fachkräften.

Klambauer: Das ist der Bedarf bis 2030. Das ist genau das Tempo, in dem wir in den vergangenen fünf Jahren Personal aufgebaut haben. Wir haben in fünf Jahren 880 zusätzliche Kräfte eingestellt. Wir haben viele Maßnahmen zur Ausbildung und Weiterqualifikation ergriffen, um genügend Personal zu bekommen. Ebenso wichtig ist aber, die Arbeitsbedingungen so zu verbessern, dass wir das Personal halten können. Wir haben derzeit Einstiegsgehälter bei der Gruppenführung von 3000 Euro brutto, das halte ich für angemessen. Dazu kommt die verpflichtende siebte Vorbereitungsstunde, die aber leider auf Wunsch der Stadt Salzburg erst ab 1. Jänner 2024 kommt. Allein die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen machen zwölf Millionen Euro pro Jahr aus.

STANDARD: Zuletzt war auch wiederholt der Vorwurf an die Landesregierung und damit an Ihr Ressort zu hören, es würden zu viele Wohnbaumittel einfach im Budget versickern. Ist es da nicht sinnvoll, die Zweckwidmung für die Wohnbauförderungsgelder wieder einzuführen?

Klambauer: Zweckwidmung macht Sinn. Wichtiger wäre aber, um antizyklisch zu bauen, das in einem Jahr nicht ausgegebene Geld ins kommende Jahr mitnehmen zu können. Wir hatten in den vergangenen Jahren einen Bauboom, alle Firmen waren völlig ausgelastet, und die Bundesregierung hat mit ihrer Gießkannenpolitik den überhitzten Markt weiter überhitzt. Das war eine dumme Aktion der Bundesregierung. Für Salzburg verwehre ich mich gegen das Wort versickern. Es ist nichts versickert, im Gegenteil: Wir haben die Wohnbauförderung neu aufgestellt. Wir haben beispielsweise die Zersiedelung bei der Eigentumsförderung drastisch reduziert. Die Häuslbauerförderung hatte 20 Millionen Euro betragen, heute ist es nur mehr eine Million. Das Geld fließt in die Erhöhung der Fördersätze beim Mietwohnbau. Wir haben auch ein Mietensenkungsprogramm in den vergangenen drei Jahren für 23.000 Wohnungen umgesetzt. Das ist fast die Hälfte des Mietwohnungsmarktes. Hier kann man sich darauf verlassen, dass die Bruttomiete inklusive Betriebskosten neun Euro beträgt und pro Jahr nur um maximal zwei Prozent ansteigt.

STANDARD: Zum Abschluss die Koalitionsfrage: Ihr Wunsch ist, die aktuelle Koalition weiterzuführen? Gibt es auch rote Linien?

Klambauer: Ja, aber so, wie es jetzt aussieht, ginge auch Schwarz-Rot-Pink. Ich bin für jede Koalition, die etwas bewegen will im Land, wir brauchen Veränderung. Die rote Linie ist klar, das ist die FPÖ. Wohnbeihilfe an Deutschkenntnisse zu knüpfen – wie es die FPÖ in Oberösterreich macht – ist rassistisch. (Thomas Neuhold, 12.4.2023)