Der Kryptowährung Ethereum steht das wichtigste Upgrade seit "The Merge" bevor.

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Für das Ethereum-Netzwerk steht die nächste große Veränderung unmittelbar bevor: In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag erhält die Blockchain ein grundlegendes Upgrade. Es soll den neuen Proof-of-Stake-Mechanismus festigen, der für Ethereum im September letzten Jahres durch "The Merge" eingeführt worden ist – das Netzwerk aber auch flexibler auslegen.

Die nächste Phase in der Roadmap des populärsten Kryptoprojekts nach Bitcoin beinhaltet neben Neuerungen auch die Unsicherheit, wie sich die Upgrades auf den Kurs von Ether auswirken könnten. Der STANDARD beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Frage: Was ist bis jetzt passiert?

Antwort: In den vergangenen Jahren hat das Netzwerk mehrere Upgrades durchgeführt und ist nun von einem Mining-System mit hohem Energiebedarf zu einem System übergegangen, das durch den Einsatz der Kryptowährung Ether abgesichert wird. Die Teilnahme am Konsensfindungsprozess bei Ethereum wird nun als "Staking" bezeichnet, bei dem die Teilnehmer Ether freiwillig sperren und es "riskieren", um am Netzwerk teilnehmen zu können. Benutzer, die sich an die Regeln halten, werden belohnt, während Versuche von Betrug bestraft werden können.

Seit der Einführung des Staking-Deposit-Vertrags im November 2020 haben einige Anleger so bewusst Gelder gebunden, um sogenannte "Validatoren" zu aktivieren, also Konten, die das Recht besitzen, unter der Befolgung der Netzwerkregeln Blöcke formell zu bestätigen und vorzuschlagen.

Das Betreiben solcher Validatoren ist mit Kosten von 32 Ether (knapp 55.000 Euro) zwar teuer, dafür wurde man vom Netzwerk allerdings mit rund 4,4 Prozent neuen Ether pro Jahr belohnt. Jetzt kommt der Haken: Die 32 Ether samt der Belohnung waren bislang gesperrt, sobald sie einmal eingezahlt worden sind. Mit "Shapella" wird sich das jetzt ändern.

Frage: Was bedeutet die Bezeichnung "Shapella"?

Antwort: "Shapella" ist eine Wortkreuzung aus "Shanghai" und "Capella" und bezeichnet die beiden bevorstehenden Upgrades des Ethereum-Netzwerks. "Shanghai" bezieht sich auf den Execution Layer, also auf die Ausführungsebene der Transaktionen. "Capella" bezieht sich auf den Consensus Layer, also die Gesamtheit der Protokolle und Anreize, die es den Nodes im Allgemeinen und den Validatoren im Speziellen ermöglichen, sich auf den Zustand der Ethereum-Blockchain zu einigen.

Frage: Und was ändert sich konkret durch die Upgrades?

Antwort: Hinter der Umstellung steckt eine Reihe sogenannter Ethereum Improvement Proposals, kurz EIPs, die beide zuvor bezeichneten Upgrades der unterschiedlichen Ebenen betreffen. Neben kleineren technischen Verbesserungen besteht der wesentliche Sinn der Upgrades darin, dass die Staking-Belohnungen durch das Bereitstellen von Validatoren behoben werden können.

Selbst die 32 Ether "Einsatz" können wieder abgezogen werden, was aber logischerweise die Auflösung des Validators nach sich ziehen würde. Nach derzeitigem Stand von beaconscan.com sind weltweit knapp 563.000 aktive Validatoren von dieser "Shapella"-Umstellung betroffen.

Frage: (Warum) ist das jetzt so eine große Sache?

Antwort: Geht man davon aus, dass die Validatoren aufrechtbleiben und nur die Staking-Belohungen betroffen sind, dann erhalten deren Anleger mit Shapella theoretisch erstmals den (gestaffelten) Zugang zu Ether im Wert von knapp zwei Milliarden Dollar. In Summe verteilen sich aber rund 18 Millionen Ether auf die Validatoren in der Blockchain, was einem derzeitigen Gegenwert von knapp 34 Milliarden Euro entsprechen würde.

Dieser Umstand alleine wäre noch keine große Sache, bei Shapella geht es eher ums langfristige Bild: Es wird erwartet, dass das Upgrade die Popularität von Liquid Staking erhöht. Dabei kann eine Person ihre Tokens, die sie für das Staking von Kryptowährungen wie Ether verwendet, als Sicherheit verwenden, um eine andere Kryptowährung zu erhalten, die sie für andere Zwecke wie den Handel oder als Sicherheit für Kredite nutzen kann. Das bedeutet, dass Benutzer ihre gestakten Tokens nicht für einen bestimmten Zeitraum sperren müssen und trotzdem an der Konsensfindung des Netzwerks teilnehmen können.

Außerdem erhofft man sich mit dem Upgrade auch eine Senkung der Transaktionsgebühren für Entwickler. Diese Veränderung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Plattform stärker genutzt wird, da es Entwicklern einen kostengünstigeren Einsatz von Smart Contracts und dezentralen Anwendungen ermöglicht.

Frage: Wann genau erfolgen die Upgrades?

Antwort: Läuft alles nach Plan, dann findet die Umstellung in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag um 00:27 Ortszeit statt. Da die Umstellung bereits mit den Testnetzwerken Goerli und Sepolia erfolgreich getestet worden ist, sollten keine technischen Komplikationen und somit zeitlichen Verzögerungen zu erwarten sein.

Frage: Welche Auswirkungen könnte das auf den Kurs von Ether haben?

Antwort: Im Vorfeld der Umstellung nährten sich anfangs die Befürchtungen, dass ein massiver Abzug der Investorengelder einen Kurssturz für Ether auslösen könnte. Tatsächlich sind die Auszahlungsmodalitäten für die Belohnungen aber so geregelt, dass nur eine bestimmte Menge an Validatoren pro Tag komplett ausbezahlt werden kann.

Konkret setzt Ethereum hier ein tägliches Limit von 57.600 Ether (rund 98.7 Millionen Euro), was bei einem täglichen Ether-Handelsvolumen von rund zehn Milliarden Dollar keine großen Auswirkungen nach sich ziehen dürfte. Die On-Chain-Analysten von Glassnode gehen davon aus, dass insgesamt nicht mehr als 170.000 Ether (rund 291,2 Millionen Euro) nach den Upgrades verkauft werden. In Summe ist also mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Umstellung keine großen Kursschwankungen auslösen dürfte.

Frage: Welche steuerlichen Konsequenzen ziehen die Upgrades nach sich?

Antwort: Für österreichische Anleger mit Validatoren bedeutet das auch eine steuerliche Veränderung. Bislang wurden Belohnungen technisch zwar der jeweiligen Wallet-Adresse zugeschrieben, sind aber steuerlich nicht zugeflossen, da man sie weder umtauschen noch verkaufen konnte. Da das Upgrade nun aber eine Verfügungsmacht über die Consensus-Layer-Belohnungen einräumt, ist davon auszugehen, dass diese Belohnungen steuerrechtlich als Neuvermögen zu bewerten sind. (bbr, 12.4.2023)