Im anspielungsreichen "Cocaine Bear" wird auch kostengünstig eine berühmte Szene aus "Der Weiße Hai" nachgestellt.

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Erinnern wir uns kurz an den Klassiker Scarface mit Al Pacino. Gegen Schluss zuckt der von diesem dargestellte Drogenbaron komplett aus, weil er einen Berg aus Kokain weggeschnupft hat und dann mit Schusswaffe heftig Amoklaufen geht. Für jüngere Kinobesucherinnen: Nicholas Cage unternimmt im Rahmen der Badezimmerszene aus dem im Wald spielenden Rache-Thriller Mandy Ähnliches. Das Ganze schließt man mit der ebenfalls im Forst spielenden berühmten Szene aus The Revenant kurz. In der wird bekanntlich Leonardo DiCaprio von einem Bären unprofessionell tranchiert. Schon hat man eine Vorstellung davon, was den eigentlichen Reiz des seit Monaten auf Social Media gehypten Films Cocaine Bear ausmacht.

Ein Bär sieht rot

Nachdem in Cocaine Bear ein Drogendealer aus einem Sportflugzeug etliche rote Sporttaschen voller ziegelsteingroßer Kokainpackungen über den Wäldern von Tennessee abgeworfen hat und beim Hinterherspringen mit dem Fallschirm ziemlich deppert zu Tode gekommen ist, taucht der Titelheld dieses "Creature-Feature" auf. Unser Bär kommt anhand der beim Aufprall zersprungenen Kokspackerln ziemlich schnell auf den Geschmack. Fortan dient ihm der Stoff als dringend gesuchte Nahrungsergänzung zu Menschenfleisch.

Wir schreiben in Cocaine Bear das Jahr 1985, und der für einen ersten Schocker im Kino sorgende Bär überfällt im Drogenwahn ein norwegisches heteronormatives Urlauberpärchen, das da – aha! – mit roten Rucksäcken in der laut Kinogeschichte schon immer mordsgefährlichen amerikanischen Hinterwäldlerflora herumlatscht. Der menschliche Kardinalfehler, die Panik zu kriegen und vor einem mannsgroßen Untier wegzulaufen und nicht etwa stehenzubleiben und zu kämpfen, wird als Wikipedia-Eintrag schon im Vorspann des Films erwähnt. Aber schmeck’s.

Universal Pictures

Die wanderlustige norwegische Scream-Queen wird nur kurz im Film mitspielen. Sie wird in Anspielung auf Stephen Spielbergs Der Weiße Hai statt unter das Wasser ins Gebüsch gezogen. Die nach Hilfe ausgestreckte Hand ist das Letzte, was man von ihr sieht. Anstelle von Wellenplatschen hört man dann nur noch den Bären schmatzen. Ihren rotbärtigen Gespons Kristopher Hivju kennt man als wilden Nordmann aus Game of Thrones. Hier darf man sein komisches Talent begutachten.

Es wird in Cocaine Bear, diesem Film im detailverliebten Retro-Style der 1980er-Jahre,viel Blut fließen. Köpfe und Gliedmaßen werden im Rahmen des sichtlich nicht allzu üppigen Budgets von Regisseurin Elizabeth Banks abgetrennt, und es wird auch pflichtschuldig in Gedärmen gewühlt. Das Publikum ist schließlich nicht gekommen, um eine Geschichte zu erleben, die von der Freundschaft eines wilden, aber eigentlich eh lieben Tiers mit den Menschen handelt.

Cocaine Bear ist nicht der ganz große Wurf geworden. Die Kombination aus blutigem Horror und Komödie, in der etwa auch in den Wäldern des Naturresorts "Blood Mountain" schulschwänzende Kinder ihre ersten Erfahrungen mit Koks, Bären und einer um das Leben der lieben Kleinen äußerst entschlossen kämpfenden Mutter machen, taugt als Popcornkino aber allemal. In nach heutigen Maßstäben schlanken 95 Minuten Spielzeit erprobt sich Elizabeth Banks nach ihren Schauspielrollen, etwa in Die Tribute von Panem, oder als Regisseurin von Pitch Perfect 2 und 3 Engel für Charlie im lustigen Schrecksekundenfach.

Kokain macht alle hin

Jede Menge Goldketterln, die in den 1980er-Jahren unabdingbaren Vokuhila-Frisuren und auch diverse menschliche Zwischenmahlzeiten aus dem Fach schrullige Provinzler werden aufgeboten. Ray Liotta in seiner letzten Rolle als cartoonhafter böser Großvater und Gangsterboss ist allein schon den Besuch wert. Vielleicht am schönsten ist die Szene mit einem Rettungswagen geraten. Dessen Besatzung versucht mit Hochgeschwindigkeit vor dem koksgierigen Bären zu flüchten. Der will sich aber zur Musik von Depeche Modes altem Hit Just Can’t Get Enough sein Menü namens Menschen to go nicht verderben lassen. Wird am Ende die US-amerikanische Kleinfamilie die Oberhand behalten? Ein Kinospaß für schon etwas ältere Kinder. (Christian Schachinger, 13.4.2023)