Bernhard Lang, Komponist eindringlicher Musik.

Harald Hoffmann

"War! Borders crossed! It’s war!", ruft die Stimme, unweigerlich drängen sich im Konzerthaus Assoziationen zum aktuellen Geschehen auf. Komponist Bernhard Lang wird es bei der Entstehung von "A Song For Rachela" ähnlich ergangen sein. Er berichtet, ihn hätte, als der Krieg gegen die Ukraine begann, eine bis dato unbekannte Schreibblockade gelähmt. Mag sein Werk somit ein universelles Kriegsentsetzen adressieren, so ist es vor allem aber auch dem Genozid an der jüdischen Bevölkerung in Polen verpflichtet.

Dabei steht "A Song for Rachela" Arnold Schönbergs "Ein Überlebender aus Warschau" nahe, in dem es um die Niederschlagung des Aufstands im Warschauer Getto 1943 geht. Langs Werk kreist um die Jahre davor, das Libretto beruht auf einem Text aus dem Ringelblum-Archiv, das Dokumente jüdischen Lebens von 1940 bis 1943 aufbewahrt. Es geht zurück auf den Historiker Emanuel Ringelblum, der während des Krieges mit der Gruppe Oneg Shabatt Dokumente sammelte, die nach der Zerstörung des Gettos teils in Milchkannen versteckt und vergraben wurden.

Poetische Erinnerungen

Lang hat ein individuelles Dokument gewählt: Ein unbekannter und wohl 1942 ermordeter Gettobewohner verbindet seine Situationsschilderungen poetisch mit Erinnerungen an glückliche Momente mit seiner Rachela und mit einer finalen Verbitterung, die in brutale Rachefantasien mündet.

Langs Siebenteiler setzt musiktechnisch nicht nur auf die bekannte für Langs Stil doch recht typische Repetitionstechnik von Passagen. Sein Opus vermittelt instrumentale Klage ebenso wie Flächenklänge, die auf anfliegendes Unheil verweisen. Mitunter groovt es komplex, auch improvisatorische Passagen sind Drama verdichtend zugegen. Schließlich mündet die dichte Emotionalität in einen dahinschmelzenden Instrumentalchor, der langsam aushaucht.

Werke voraus

Die glänzende Sopranistin Sarah Maria Sun muss Extremes durchleben. Begleitet vom exzellenten Klangforum Wien unter Lorenz C. Aichner geht es vom Aufschrei ins Flüstern, vom Falsett ins nüchterne Sprechen, von ariosen Momenten zu perkussivem Stimmeinsatz.

Atmosphärisch ging Lang Markantes voraus. Peter Ruzicka kombinierte in seinem "Stil.l." Memorial rund um die Posaunenkantilene von Mikael Rudolfsson subtil ruhige Strukturen mit linear zuckenden Einwürfen. Ustwolskajas "Dona nobis pacem" wiederum frappierte als monolithische Struktur aus Klavierexzess (Florian Müller), markanter Piccoloflöte (Wendy Vo Cong Tri) und imposanter Tuba (Jozef Bazsinka). Wirkte auch als aufwühlendes Präludium zu Langs "Rachela". (Ljubisa Tosic,12.4.2023)