Ein Abkommen mit den Mercosur-Staaten sei ein möglicher "Gamechanger".

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Wien/Brüssel – Die Industriellenvereinigung (IV) hat ihre Forderung nach einer Umsetzung des Mercosur-Handelspakts erneuert. Eine Übereinkunft sei vor dem Hintergrund weltpolitischer Veränderungen von Bedeutung, sagte Generalsekretär Christoph Neumayer. Für Europa und Österreich gelte es, "neue Chancen, wenn sie sich ergeben, zu nutzen". Wirtschaftlich verspreche das Abkommen großes Potenzial.

Eine Einigung mit den Mercosur-Staaten berge die Chance, zusätzliche Verbündete inmitten geopolitischer Umwälzungen zu gewinnen, argumentierte Neumayer mit Blick auf den Ukrainekrieg sowie das zunehmende Erstarken Chinas als Weltmacht. Für Europa bedeute dies einen schwierigen Balanceakt, der nicht dazu führen dürfe, dass man von alten in neue Abhängigkeiten schlittere. So wisse man, dass China in verschiedensten Bereichen "gerne als Partner einspringt". Europa aber "sollte eher auf Partnerschaften mit befreundeten Demokratien und Staaten setzen", findet Neumayer. Eine Orientierung hin zu den Mercosur-Staaten sei naheliegend. Zu diesen zählen aktuell die vier südamerikanischen Länder Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.

Vereinfachter Handel und Naturschutz

Allen voran erhofft sich Österreichs Industrie Wettbewerbsvorteile durch den Abbau von Zöllen. Nach dem Plan der Europäischen Union sollen innerhalb einer Übergangszeit von 15 Jahren in etwa 90 Prozent der Zölle mit den Mercosur-Staaten abgebaut werden. Das komme einem möglichen Ersparnis von bis zu 4 Milliarden Euro jährlich für europäische Exporteure gleich, verwies Neumayer auf entsprechende Berechnungen der EU. Michael Löwy, Bereichsleiter für Internationale Beziehungen bei der IV, hob in diesem Kontext die Höhe der Tarife hervor, die einen Markteintritt aktuell in vielen Sparten de facto verhindern würden. Das Abkommen sehe er in diesem Kontext als "Gamechanger".

Für die von verschiedenen Seiten geäußerten Bedenken betreffend der Umweltschutz- und Sozialstandards habe er zwar Verständnis, so Neumayer, diese würden aber einer faktischen Grundlage entbehren. Denn die Standards seien staatlich geschützt, das Abkommen bringe diese nicht unter Druck. Außerdem biete es die Gelegenheit, Erwartungen an den Schutz des Regenwaldes in Brasilien vertraglich festzuzurren, so Neumayer.

Vorbild Ceta

Der IV-Generalsekretär zog hinsichtlich der Kontroverse um Umweltschutzstandards auch Parallelen zur Diskussion um das Handelsabkommen Ceta mit Kanada, die aus seiner Sicht ebenso emotional geführt wurde: "Weder sind wir von Chlorhühnern überschwemmt worden, noch sind heimische Bauern deswegen gestorben." Die Anwendung des Abkommens habe im Gegenteil zu enormen Exportzuwächsen und einer Fülle an zusätzlichen Arbeitsplätzen geführt.

Im Sinne einer baldigen Umsetzung des Mercosur-Pakts gab sich Neumayer optimistisch. Derzeit werde noch intensiv an einem Zusatzkapitel gearbeitet, das insbesondere Umweltschutzbedenken adressieren soll. Die Kommission möchte eine politische Einigung bis zum EU-Lateinamerika-Gipfel Ende Juli, davor steht noch ein entsprechendes Treffen auf EU-Ebene an. "Wir gehen davon aus, dass bis dorthin noch weitere Pflöcke eingeschlagen werden und wir ein Abkommen am Tisch liegen haben, über das dann letztlich abgestimmt werden kann." Er baue auch darauf, dass Österreich seine bisher ablehnende Haltung überdenken werde.

Gegenstimmen aus der Landwirtschaft

Besonders Vertreter der österreichischen Landwirtschaft warnen vor einem Mercosur-Abkommen. Sie fürchten Importe von Billigfleisch und mangelnde Qualitätsstandards. Obmann des Bauernbunds, Georg Strasser, der gleichzeitig Klubobmann-Stellvertreter der ÖVP ist, sagte im Ö1-"Morgenjournal": "Es ist notwendig, dass ein ordentliches Nachhaltigkeitskapitel im Abkommen abgebildet ist." Bei Lebensmitteln forderte er eine konsequente Lebensmittelkennzeichung.

Strasser fürchtet zudem, dass versprochene Qualitätsstandards durch ein Abkommen nicht eingehalten werden. "Unsere Qualitätsprodukte werden von den Regalen verdrängt", sagte Strasser im Hinblick auf frühere Freihandelsabkommen. Er sprach von einer existenzbedrohenden Lage für die österreichische und europäische Landwirtschaft. (APA, luza, red, 13.4.2023)