"Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig": Springer-Chef Mathias Döpfner über Ostdeutsche.

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Berlin – Interne Chats von Springer-Vorstandschef und Aktionär Mathias Döpfner veröffentlicht "Die Zeit" am Donnerstag. Sie dokumentieren, wie der Konzernboss auf die Berichterstattung insbesondere des Boulevardriesen "Bild" Einfluss nimmt und über sie Politik macht. Sie zeichnen das Bild eines Trump-Fans und Corona-Maßnahmen-Gegners und einer – vorsichtig formuliert – tiefen Abneigung gegen Menschen aus dem Osten Deutschlands.

Döpfner reagierte am Donnerstag auf Anfrage des STANDARD: Er sieht die Zitate "aus dem Zusammenhang gerissen. Diese könnten "nicht als mein wahres Denken" dagegengesetzt werden.

"Ossis sind entweder Kommunisten oder Faschisten"

Die Zeit zitiert aus Döpfner-Nachrichten etwa – Schreibweisen wörtlich übernommen:

  • "Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig."
  • Über sie schreibt er auch: "Meine Mutter hat mich immer vor den Ossis gewarnt. Von Kaiser Wilhelm zu hitler zu honnecker ohne zwischendurch us reeduction genossen zu haben. Das führt in direkter Linie zu AFD."
  • "free west, fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs"
  • Nach der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani* schrieb Döpfner: "Ich bin so aufgekratzt, was diese Themen betrifft. Muss aufpassen. Mein Vorschlag. Friedensnobelpreis für Trump. Und ibama wieder wegnehmen."
  • "Umweltpolitik – ich bin sehr für den Klimawandel. Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte. Wir sollten den Klimawandel nicht bekämpfen, sondern uns darauf einstellen."
  • Beim Thema Migration sei er für klare Kriterien und "eher streng", wer "die Türen öffnet wird Rassismus ernten".
  • Dem von ihm lange gehaltenen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt schreibt er nach der Trennung wegen Vorwürfen von (sexuellem) Machtmissbrauch gegenüber Mitarbeitern: "Persönlich und was unsere gemeinsame Weltsicht betrifft fühle ich mich Dir nach wie vor sehr verbunden."
  • Zu Corona-Maßnahmen schrieb er im März 2020 über die "Grippe" Corona: "Das ganze ist so surreal. Kollektiver Verstandes Verlust. Der Coup der Gefühligkeit. Das absolute scheitern der Eliten. Es ist ein Endpunkt." Und Ende März 2020: "Das ist das Ende der Marktwirtschaft. Und der Anfang von 33." 1933 übernahm Adolf Hitler die Macht in Deutschland.
  • Zur Bundestagswahl 2021 forderte Döpfner "Bild"-Chefredakteur Reichelt mehrfach auf, die FDP zu "stärken". Erklärung: "Die einzigen die Konsequenz gegen den Corona Massnahmen Wahnsinn positioniert sind. It’s a patriotic duty."

"Zeit": "Direktiven" Döpfners seien "keine Privatangelegenheit"

Die Chats mit verantwortlichen Redakteuren seines Verlags seien keine Privatangelegenheit, erklärt "Die Zeit" die Veröffentlichung der Chats. Eine Vielzahl der ihr vorliegenden Nachrichten belegten frühere Chatveröffentlichungen von "New York Times" und "Washington Post" mit Lob für Ex-Bild-Chef Julian Reichelt als "der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR Obrigkeits-Staat aufbegehrt" und die Aufforderung zum "Beten, dass Donald Trump wieder Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird".

Die "Direktiven" Döpfners an Redaktionsverantwortliche zeigten, "wie sehr er Politisches, Publizistisches und gelegentlich Privates vermischt. Deshalb sind Nachrichten des Vorstandsvorsitzenden von öffentlichem Interesse". Döpfner habe ein Interview dazu abgelehnt, Springer habe einen Fragenkatalog nicht kommentiert.

Döpfners Antwort**

Dem STANDARD antwortete Döpfner am Donnerstag auf Anfrage:

Der Artikel in der "Zeit" bestehe aus "angeblichen Gesprächen oder Zitaten privater Textnachrichten, die Julian Reichelt mit Friede Springer, Jan Bayer und vor allem Mathias Döpfner individuell ausgetauscht haben soll", nimmt Springer Stellung: "Wir lassen uns an dem messen, was in unseren Publikationen steht. Nicht an angeblichen Ausschnitten aus persönlichen und aus jedem Zusammenhang gerissenen Gesprächen und Chats. Solche Gesprächsfetzen als öffentliche Statements und Handlungsanweisungen darzustellen, ist falsch."

Hier die Stellungnahme von Mathias Döpfner:

  • "Ich habe natürlich keinerlei Vorurteile gegen Menschen aus dem Osten Deutschlands. Aber ich bin seit Jahrzehnten enttäuscht und besorgt, dass nicht wenige Wähler in den neuen Bundesländern von ganz links nach ganz rechts geschwenkt sind." Der Erfolg der AFD beunruhige ihn.
  • "Nicht die geringsten Vorurteile" hat Döpfner "gegen Muslime". Er habe "großen Respekt für die Religion des Islam. Aber ich halte den Islamismus, also die terroristische Radikalisierung des Islams, für eine Bedrohung demokratischer Werte und unserer Sicherheit."
  • Donald Trump síeht Döpfner "sehr kritisch", dessen "Demokratieverständnis für gefährlich, aber manche Entscheidungen oder Äußerungen zu China und NATO fand ich richtig. So kompliziert ist es manchmal."
  • Der Springer-Chef hält in seiner Stellungnahme weiters fest: "Ich halte den Klimawandel für real und bedrohlich, aber nehme mir das Recht, mich trotzdem über manche Reaktionen auf dieses Thema lustig zu machen. Auch viele Politiker aller Parteien darf ich in direkten persönlichen Gesprächen mit Dritten polemisch kritisieren, so wie sie auch mich kritisieren dürfen. Aber das ist etwas anderes als ein Leitartikel."
  • Döpfner über die Veröffentlichung in der "Zeit": "Wie ich denke, zeigen meine über vier Jahrzehnte publizierten Artikel. Für jedes veröffentlichte Wort lasse ich mich in die Verantwortung nehmen. Aus dem Zusammenhang gerissene Text- und Gesprächsschnipsel können nicht als mein "wahres Denken" dagegengesetzt werden."
  • Er "streite gerne im Sinne der Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit – gerade auch mit unseren Chefredakteurinnen und Chefredakteuren, die alle mündig und selbstbewusst sind. Das gilt ausdrücklich auch für die behauptete Einflussnahme in Sachen FDP. Ich bin den Werten dieser Partei sehr nah. Aber unsere Journalistinnen und Journalisten lassen sich davon Gott sei Dank nicht beeinflussen. Am Ende entscheiden immer die Chefredakteure – oft im schärfsten Kontrast zu meiner persönlichen Meinung – was sie veröffentlichen, und sind dafür auch verantwortlich. Ich habe lange daran gearbeitet, dass in unserem Verlag nicht geschrieben wird, was ich für richtig halte."

Abschließend stellt Döpfner in dem Statement fest: "Und zur These, Mathias Döpfner nehme Einfluss auf BILD, kann ich nur sagen: ich hoffe doch sehr. Das ist als CEO und Miteigentümer mein Job. Aber über allem steht die Freiheit der Redaktionen. Und nichts schütze ich so sehr und leidenschaftlich. Darauf kann sich jeder in diesem Unternehmen immer verlassen. Und die, die mich kennen, wissen das auch." (fid, 13.4.2023)