Im Gastblog erklärt Rechtsanwältin Yara Hofbauer, wieso es problematisch ist, dass der Schutz vor Diskriminierung sowohl spezifisches Wissen als auch finanzielle Ressourcen benötigt.

Der Umstand, dass das Rechtssystem zwar theoretisch für alle gleich gilt, faktisch aber jene bevorzugt, die über die Mittel verfügen, die eigene Rechtsposition auch durchzusetzen, ist eine Binsenweisheit. Dabei können die Mittel ökonomischer Natur sein (und sind es zumeist auch), aber auch andere Aspekte, die die Klassenposition determinieren – wie etwa Netzwerke –, stellen solche Mittel dar.

Umso erstaunlicher ist es daher, dass sich der Gesetzgeber dazu entschlossen hat, die Verantwortung für die Durchsetzung (ohnehin lückenhafter) diskriminierungsschutzrechtlicher Vorschriften in die Hände der Betroffenen zu legen. Denn deren Verstoß hat meist keine hoheitlichen Konsequenzen – wie eine Verwaltungsstrafe – zur Folge, sondern führt überwiegend lediglich zu einem Entschädigungsanspruch der konkret diskriminierten Person. Ein solcher ist eigenverantwortlich am Zivilrechtsweg einzufordern.

Abschreckungswirkung hängt von Betroffenen ab

Die Abschreckungswirkung von Diskriminierungsverboten ist damit maßgeblich von deren konsequenten Geltendmachung durch Betroffene abhängig. Das ist teuer, womit wir zurück zum Anfang kommen: Nicht jeder Person ist es in gleichem Umfang möglich, zu dem ihr zustehenden Recht zu gelangen, vielmehr ist dies von der sozialen Position und Herkunft abhängig.

Um sich gegen Diskriminierung wehren zu können, bedarf es des Wissens um die gesetzliche Lage – und auch des Geldes. Das ist auch eine Klassenfrage.
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Es bedarf jedoch nicht nur der Ressourcen, um den Rechtsweg überhaupt erst beschreiten zu können. Betroffene müssen ihr subjektives Recht auf Nichtdiskriminierung überhaupt erst kennen und wissen, dass das, was sie erleben, eben kein schicksalhaftes Übel, sondern einen Rechtsverstoß darstellt. Außerdem müssen sie bereit und in der Lage sein, den Rattenschwanz negativer Konsequenzen, die über die Prozesskosten hinausgehen, in Kauf zu nehmen, wenn sie sich gegen Diskriminierung zur Wehr setzen. Und auch das ist eine Klassenfrage: So kann sich eine finanziell abgesicherte Person, etwa, weil sie aus einer wohlhabenden Familie stammt (soziale Herkunft) oder sich einen sozialen Status erarbeitet hat (soziale Position), eher gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz zur Wehr setzen als jemand, der existenziell auf die Arbeit angewiesen ist oder auch nicht über dieselben Netzwerke verfügt, um schnell eine vergleichbare neue Stelle zu finden.

Diskriminierungsmerkmale bedingen sich

Die soziale Herkunft und soziale Position stellen damit nicht nur an sich Gründe dar, auf Basis derer Menschen Diskriminierung erleben, ohne dass dafür derzeit ein rechtlicher Schutz besteht. Sie führt auch dazu, dass Betroffene häufiger von Diskriminierung betroffen sind und sich gegen diese schlechter wehren können.

Insofern selbst die Ahndung rechtlich verbotener Diskriminierung gewisse Privilegien voraussetzt, bleibt der Abbau von (vor allem struktureller) Diskriminierung ein frommer Wunsch. Beschenkt werden im derzeitigen System allerdings jene, die immer noch davon profitieren. (Yara Hofbauer, 17.4.2023)