Outfit, Location, Blumenschmuck: Alles muss perfekt sein bei der Hochzeit, so will es der Zeitgeist, und so sehen wir es auf Instagram. Das betrifft besonders auch den Körper, der für den großen Tag im viel zu teuren Kleid – oder, seltener, im Anzug, aber dazu später – geformt werden will.

Darauf zielen unzählige Fitnessvideos für den "Wedding-Body" auf Youtube ab, in denen der Traumkörper für den Traumtag wahlweise durch Barre, HIITs oder Hanteltraining versprochen wird. Mit grazilen Ballerina-Verrenkungen, platschenden Burpees oder unhandlichen Gewichten kommt ihr innerhalb kürzester Zeit in Form, so das implizite Versprechen an die angehenden Bräute (und manchmal auch Bräutigame, aber wie gesagt: später).

Hanteltraining für den Hochzeitstag: Die Arme sollen schön straff sein.
Foto: Marice Jecel

Die Videos tragen Namen wie "Bridal Bootcamp", "Shredding for the Wedding" oder "Happily Ever After Abs". Echte Profis turnen standesgemäß in weißen Sportoutfits und vor cremefarbenem Blumenpomp. Sie plaudern bei Ausfallschritten und frei von Schweißperlen auf der Stirn über ihre Vorbereitungen für den großen Tag, auf den sie sich, so viel ist nach der ersten halben Minute klar, schon ihr Leben lang freuen. So exciting!

In manchen dieser Videos finden auch die Bridesmaids Erwähnung, offenbar sollten auch sie ihren Körper stählen. In anderen wird der Bräutigam erwähnt. Aber meist geht es nur um die Frau. Die Welt der Hochzeitsfitness ist zugleich schweißtreibend und süß wie Kaugummi – und ziemlich konservativ.

Warum dreht sich alles um die Braut? Bianca Lehrner beschäftigt sich seit 20 Jahren mit dem Heiraten. Sie führte bis zur Corona-Pandemie ein Brautmodengeschäft und hat das Unternehmen Die Hochzeitsplaner gegründet. Sie sagt: Frauen würden sich vor der Hochzeit mehr Druck machen als Männer, auch was ihren Körper betrifft.

Eine Größe kleiner, bitte!

Ein ganz großes Thema ist der eigene Körper mit all seinen angeblichen Schwächen bei der Wahl des Kleides, das normalerweise sechs bis acht Monate vor der Hochzeit gekauft wird. "Meine Empfehlung: lieber die Kleidergröße nehmen, die man aktuell hat", sagt Lehrner. Manchmal werde aber auch ganz bewusst eine kleinere Größe genommen – und dann auf Biegen und Brechen versucht, den Körper ans Kleid anzupassen. Ein riskantes Unterfangen.

Davon können auch Personal Trainerinnen ein Lied singen. Die Wienerin Anna-Lena Kollos trainiert seit sechs Jahren mit angehenden Bräuten, nur ein Bräutigam war bisher dabei. Oft seien die Heiratswilligen spät dran und die Hochzeit stehe schon vor der Tür: "Ich kann nicht zaubern", betont Kollos daher. Was steht auf der Wunschliste der Heiratswilligen ganz oben? "Ich dachte anfangs, es geht um Bauch, Beine, Po", sagt die Trainerin. Heute weiß sie: "Es sind die Arme."

Das bestätigt auch Wedding-Plannerin Lehrner: "Die Arme sind beim Kleiderkauf der Störfaktor Nummer eins." Dort, wo es im Brautmodengeschäft vielleicht noch hängt, wünschen sich viele bis zur Hochzeit definierte Arme. Die Krux daran: Bei den Armen kann es dauern, bis sich die ersten Muckis abzeichnen.

Immer wieder sind Trainerinnen auch mit völlig unrealistischen und teils ungesunden Vorstellungen konfrontiert. Die Linzer Fitnesstrainerin Carola Lenzenweger erzählt beispielsweise von einer Braut, die sie wegschickte: "Sie wollte zehn Kilo in drei bis vier Wochen abnehmen." Das Brautkleid war zu dem Zeitpunkt schon gekauft.

blogilates

Aktuell trainiert Lenzenweger mit einer jungen Frau, die im Herbst heiratet und bis dahin fünf Kilo abnehmen will: "Das ist machbar", sagt sie. Insgesamt gehe es darum, den Körper zu straffen. Trainiert werde mit dem eigenen Körpergewicht, Hanteln und Kettlebells.

Realistische Ziele

Auch Carola Lenzenweger kennt die Youtube-Videos, die einen Traumkörper für die Hochzeit versprechen. Sind sie realistisch? Für die meisten Menschen nicht, sagt sie, "wenn man etwas erreichen will, muss man sich ein bisschen quälen. Das macht man nicht alleine daheim."

Der Sportwissenschafter Heinz Kleinöder von der Deutschen Sporthochschule Köln findet die Vorstellung, auf ein einzelnes Event im Leben hinzutrainieren, fragwürdig. Das sei nicht nachhaltig, festgefahrene Gewohnheiten stelle man so nicht dauerhaft um. In vielen Fällen werde man so nicht nur das ohnehin unrealistische Ziel bis zur Hochzeit nicht erreichen – sondern danach auch gleich wieder in den alten Trott zurückfallen. Vor allem weil man den vermeintlichen Traumkörper nur in Zusammenhang mit einer Ernährungsumstellung erreiche. Drei bis vier Monate solle man dafür mindestens einrechnen.

Sixpack oder Popeye-Bizeps sind in ein paar Wochen sicher nicht machbar. Laut Kleinöder sind unter Zeitdruck aber doch noch ein paar Kleinigkeiten möglich. Die Bauchmuskeln ließen sich zum Beispiel ohne allzu großen Aufwand stärken. Wer die Matte täglich ausrollt und Klassiker wie Sit-ups und Crunches macht, um gerade und schräge Bauchmuskulatur zu trainieren, darf innerhalb weniger Wochen mit ersten – kleinen – Resultaten rechnen. Die gute Nachricht: "Ein gestärktes Muskelkorsett kaschiert auch den einen oder anderen Fettpolster", sagt Kleinöder. (Franziska Zoidl, 14.4.2023)