D'Artagnan (François Civil, links) ist gekommen, um im verderbten Königreich Frankreich umfangreiche Aufräumarbeiten vorzunehmen, auch gegen den erbitterten Widerstand klerikaler Kräfte.

Chapter2 / Pathe Films / M6 Films / Constantin Film Verleih GmbH / Ben King

Vincent Cassel als Athos und Eva Green als Milady – mit ihr wird es eine Fortsetzung geben.

Foto: Constantin/Pathe

Wie bei einem Zombie durchstößt eine Hand die Erde. Einen Moment später steht Charles d'Artagnan, zuvor nach einem blutigen Konflikt scheinbar tot beigesetzt, hustend über seinem Grab. Das Bild könnte nicht symbolischer sein. D'Artagnan und die Geschichte, wie er nach Paris ritt, die drei Musketiere Athos, Porthos und Aramis traf und Frankreich, König Ludwig XIII. sowie Königin Anna vor dem bösen Kardinal Richelieu und der Milady de Winter rettete, ist nicht totzukriegen.

Viele Darsteller haben dem aufbrausenden Helden bereits ihr Gesicht geliehen. Nach Douglas Fairbanks, Michael York, Chris O'Donnell oder Logan Lerman ist es in Die drei Musketiere – D'Artagnan von Regisseur Martin Bourboulon François Civil, der seinen d'Artagnan ohne allzu viele Kanten und Ecken anlegt. Mit ihm beginnt die weltberühmte Geschichte Alexandre Dumas’ auf ein Neues. Erfolge feierte Die drei Musketiere seit der Erstveröffentlichung 1844.

1845 folgte die Fortsetzung Zwanzig Jahre später, 1848 Der Vicomte von Bragelonne. Popkulturell dominiert der erste Teil der Geschichte, auch dank der Verfilmungen. Wie der Regisseur des Films von 2011, Paul W. S. Anderson, sagte: "Jede Generation kann ihre eigene Version schaffen."

Geistlicher Bösewicht

Die erste und leider verschollene Adaption entstand 1903 in Frankreich. 1921 schuf Douglas Fairbanks sen. eine Verfilmung, deren lockere Erzählweise und spektakuläre Degenduelle als Vorbild für alle anderen Filme galten. Statt auf Milady de Winter konzentrierte man sich auch auf Kardinal Richelieu als Bösewicht. Erst in späteren Filmen rückte Milady wieder ins Zentrum. Bei Bourboulon darf Eva Green ihr Talent für unheilvolle Charaktere genüsslich entfalten. Brutal die Kämpfe. Erstmals schießen die Musketiere auch mit Musketen.

Weitere filmische Meilensteine waren die erste Tonfilmversion aus Frankreich von 1932 sowie die US-Version von 1948. Auch hier setzte man mit Gene Kelly auf Lockerung. Ins Parodistische kippte das Ganze dann ab den 70ern. Zum einen durch die französische Komikertruppe Les Charlots und ihre Filme Wir viere sind die Musketiere (1973) und Hilfe, mein Degen klemmt! (1974).

KinoCheck

Zum anderen erschienen die mit Michael York, Oliver Reed, Faye Dunaway und Charlton Heston prominent besetzten Die drei Musketiere (1973) und Die vier Musketiere (1974) von Richard Lester. Hier wurde der Degen eindeutig zum Phallussymbol. Wesentlich prüder Disney: Die Version von 1993 mit Kiefer Sutherland und Charlie Sheen, unter anderem in Wien gedreht, strich die Affäre der Königin aus der Handlung.

2023 darf es wieder derber sein. D'Artagnan umwirbt die ihm stets einen Schritt vorausdenkende Constance. Aramis betört noch immer verheiratete Frauen. Porthos liebt alles, was "auf seinen Teller und in sein Bett passt". Athos, dessen Darsteller Vincent Cassel den Zyniker spielt, liebt und leidet.

Im Zentrum des Konflikts dieses launigen Actionkrachers steht das Verhältnis Frankreichs zu seinen Protestanten. Die Elite will den Krieg, der König eine zweite Bartholomäusnacht verhindern. Überzeugt werden soll er durch eine Intrige. Der Kardinal und Milady planen, die Liebe von Königin Anna zum britischen Duke of Buckingham auffliegen zu lassen. Eine Rolle, die Vicky Krieps abermals mit royaler Zurückhaltung leiden lässt. Zudem wurde Athos der Mord an einer Adeligen angehängt, in wenigen Tagen soll er geköpft werden.

Vicky Krieps als Königin Anna
Foto: Constantin/Pathe

Skeptische Weltsicht

Die Musketiere sind somit auch als Helden nie mehr als ein Spielball adelig-klerikaler Machtkämpfe. Und vielleicht liegt gerade hier die feine Linie zwischen Nationalstolz und Frankreichs postrevolutionärem Selbstverständnis. Krone und Religion sind Zerstörer. Mit dieser Erkenntnis entfaltet sich der feine Humor von Die drei Musketiere, den seine Vorgänger eher slapstickhaft eingesetzt hatten.

Als d'Artagnan seinem Vorgesetzten erklärt, eine Bibel an seiner Brust habe ihn vor dem eingangs erwähnten Tod bewahrt, meint dieser amüsiert: "Dann seid Ihr der Erste, den die Religion dieses Jahr gerettet hat." Noch pointierter Athos’ Worte an den König, als dieser ihn begnadigt: "Das Leben, das Ihr mir schenkt, werde ich gerne aufs Neue für euch verlieren." Eine Chance dafür wird er bald bekommen. Der zweite Teil Milady soll im Dezember 2023 in die Kinos kommen. (Susanne Gottlieb, 13.4.2023)