Schreibt Künstliche Intelligenz bald bessere Balladen als Beethoven?

Foto: AP/ Elise Amendola

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Dieser Spruch von Karl Valentin mag vor hundert Jahren einmal gegolten haben, heute gilt er nicht mehr. Denn heute bedarf es keiner Dichter, Maler und Musiker, um Kunstwerke hervorzubringen. Die vielbeschworene künstliche Intelligenz kann das auch, und sie kann es viel besser.

Fragen Sie mich nicht, wie die gewitzten Maschinen ihr Schaffen auf die Reihe bringen, aber dass sie es können, ist ein glorioser Fortschritt. Künstler waren schon immer ein zickiges Völkchen, auf das man sich nur bedingt verlassen konnte: da ein tagelanger Mangel an Inspiration, dort eine wochenlange Schreibhemmung, kurzum, ständig menschliche Pannenanfälligkeit und damit Scherereien am laufenden Band.

Transhumanistischen Zeiten

Wie anders in unseren poetischen transhumanistischen Zeiten! Falls Ihnen der Sinn danach steht, Shakespeare, Baudelaire oder Thomas Mann posthum in Grund und Boden zu dichten, können Sie sich problemlos einen Ingeniör dingen, der das Gesamtwerk der Genannten in die Maschine wirft. Die klescht Ihnen dann in Sekundenschnelle einen besseren Hamlet, noch bösere Blumen des Bösen oder einen hinreißenden zweiten Teil des Zauberbergs aufs Papier.

Leonardo, Michelangelo, Goya und Picasso werden in Nullkommanichts zu Bewohnern eines belanglosen Schmierantenstadels herabgestuft, wenn sich in naher Zukunft erst einmal Leinwand, Farbpalette und Quantencomputer zum optimalen digitalen Maler zusammenfügen. Der pinselt Ihnen zwischen Frühstück und Mittagessen ruckzuck ein paar alte Meister ins Bad oder in die Speisekammer, gegen die das Kunsthistorische einpacken kann. Oder eine aufgepimpte Mona Lisa in den Kartoffelkeller, das hätte erst recht Stil.

Klo putzen statt komponieren

Am allerleichtesten ist es aber, der KI das Tuten und Blasen bzw. das Komponieren beizubringen. Wenn Ihnen die ewiggleichen Hadern von Mozart, Beethoven und Mahler längst auf die Nerven gehen, gibt man einfach 15 oder 20 weitere Symphonien bei seinem Laptop in Auftrag, und ab die Post.

Kunstschaffende brauchen wir keine mehr. Sie können sich in Disziplinen nützlich machen, bei der sich die KI schwertut, beim Dreckwegputzen von schwer berechenbaren Oberflächen oder beim Instandsetzen verstopfter Klos. Für irgendwas muss ja auch der Homo sapiens noch gut sein. (Christoph Winder, 15.4.2023)