Wer sein Rad schiebt oder trägt, darf dies überall im Wald machen. Dann gilt man als Fußgänger und denen steht ein allgemeines Betretungsrecht zu.

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Jurist, der sich beim Radeln auskennt: Armin Kaltenegger, Leiter der Abteilung Recht und Normen im KfV.

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Wien – Viele Vorbehalte gegen den Mountainbike-Sport fußen auf falschen Annahmen. Für ein friedliches Miteinander am Berg und im Wald ist aber derselbe und vor allem der auf Fakten basierende Wissensstand Grundvoraussetzung. Daher hat das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) im Rahmen eines Pressetermins einen Faktencheck zu den wichtigsten Themen rund ums Wandern und Mountainbiken durchgeführt.

Zu den Grundvoraussetzungen: Knapp 48 Prozent der Staatsfläche Österreichs sind mit Wald bedeckt, also mehr als vier Millionen Hektar. Und ja, in diesen Wäldern gilt basierend auf dem Forstgesetz aus dem Jahr 1975 ein allgemeines Betretungsrecht für zu Fuß Gehende. Aber, wie Armin Kaltenegger, Leiter der Abteilung Recht und Normen im KfV ausführte, es gilt zugleich ein generelles Fahrverbot für Radfahrer. "Nur dort, wo es ausdrücklich erlaubt ist, darf man mit dem Rad fahren, also in der Regel auf ausgewiesenen Mountainbikestrecken", erklärte der Jurist.

Shared Trails – Rücksicht als oberstes Gebot

Auf Wanderwegen gilt dieses generelle Verbot ebenfalls. Es sei denn, diese sind als so genannte "Shared Trails" ausgewiesen, auf denen sich Radler und Wanderer gleichberechtigt bewegen dürfen. Auf "Shared Trails" gilt ein gegenseitiges Rücksichtnahmegebot, wie Kaltenegger sagte: "Konkrete Regeln, wer welche Seite des Wegs benützt oder wohin ausweicht, gibt es nicht." Für Mountainbiker gelte der Ehrenkodex, dass sie Wanderern oder Reitern grundsätzlich den Vorrang einräumen, die Geschwindigkeit reduzieren und falls nötig auch anhalten, um gefahrloses Passieren zu gewährleisten. Zudem sollten sie ausreichend Seitenabstand einhalten, rät der Experte. Und: "Ein gegenseitiger höflicher Gruß ist natürlich auch niemals verkehrt."

Soweit die Verbotslage, die den meisten bekannt sein dürfte. Wer nun aber sein Rad im Wald schiebt, der gilt als Fußgänger und darf sich demnach frei im Wald bewegen. Auch die Straßenverkehrsordnung (StVO) ist auf Forststraßen nur bedingt gültig, wie Kaltenegger erklärte: "Die StVO ist hier nur in abgeschwächter Form anwendbar. Elementare Regeln wie Fahren auf Sicht, Abstand halten, Rechtsfahrordnung und dergleichen gelten jedenfalls. Ordnungsvorschriften wie das Aufstellen von Verkehrszeichen oder bestimmte Halte- und Parkverbote sind aber nicht anwendbar."

Aber die Haftungsfrage...

Für Grundeigentümer hatte der KfV-Jurist eine gute Nachricht, was die immer wieder beschworenen Angst vor einer möglichen Haftung bei Unfällen auf ihrem Besitz anbelangt. Denn diese Angst wird oft als Grund für ein Radfahrverbot vorgeschoben. In der Realität verhält es sich anders, wie Kaltenegger sagte: "Eigentlich haftet der Grundeigentümer nahezu nie. Primär haften Mountainbiker selbst. In Ausnahmefällen, wenn durch grobe Fahrlässigkeit eine atypische Gefahr geschaffen wurde, kann der Wegehalter haften. Also derjenige, der sich um den Weg kümmert. Das ist bei Mountainbike-Strecken sehr oft nicht der Eigentümer." Gerichte würden außerdem dazu tendieren, Mountainbiker an ihre Selbstverantwortung beim Befahren des Waldes zu erinnern.

Die Haftungsfrage ändert sich erst dann, wenn der Grundeigentümer vom Mountainbiker ein Benützungsentgelt einhebt. "Grundsätzlich haften Erhalter von Wegen nur für grobe Fahrlässigkeit", erklärte dazu der Jurist, "wird aber ein Entgelt verlangt, wie etwa in Bikeparks, dann wird schon für leichte Fahrlässigkeit gehaftet." Primär bleibe aber auch dann der Sportausübende selbst für sein Verhalten verantwortlich.

Auch die Angst der Grundbesitzer, dass sie durch eine Erlaubnis von Mountainbiken auf ihren Wegen mehr Pflichten aufgebürdet bekämen, weil dann die StVO gelte, sei unbegründet, wie Kaltenegger erklärte: "Weil die StVO auf Forststraßen sowieso immer gilt, aber nur eingeschränkt anzuwenden ist."

Wer darf Mountainbiker stoppen?

Besonders heikel ist die Frage, wer Mountainbiker im Wald stoppen darf und welche Mittel dafür zulässig sind. Im Falle von Grundbesitzern sei nur das im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) verbriefte "Selbsthilferecht" zulässig. Und dieses muss mit Bedacht angewandt werden, mahnt der Jurist: "Waffengewalt wird jedenfalls nicht zulässig sein, sonstige Gewalt wohl nur in seltensten Ausnahmefällen. Der Schutz des eigenen Eigentums muss nämlich angemessen im Hinblick auf die Beeinträchtigung erfolgen."

Beeidete Jagdschutzorgane dürfen nur bei Eingriffen in fremdes Jagdrecht tätig werden, was im Falle von Radfahrern wohl eher selten sei, wie Kaltenegger sagte. Beeidete Forstschutzorgane hingegen sind berechtigt, "in angemessener Art und Weise die Identität von Personen, die Forstrecht verletzen, festzustellen und dafür in Ausnahmefällen sogar eine Festnahme vorzunehmen". Der Einsatz einer Waffe wäre wohl theoretisch denkbar, so der Jurist, werde aber aufgrund der Angemessenheit wohl wieder ausscheiden.

Videoüberwachung ist straf- und angreifbar

Alle anderen Waldnutzer – sonstige Waldbenutzer, wie Wanderer, Jäger, Waldarbeiter oder Forstorgane (die nicht auch Forstschutzorgan sind) haben all diese zuvor genannten Rechte nicht. Und wer zum Schutz seines Eigentums zu Mitteln wie Videoüberwachung greift, der sei gewarnt, wie Kaltenegger ausführte: "Sofern nicht sichergestellt ist, dass durch die Überwachung unbeteiligte Dritte aufgenommen werden, ist eine Überwachung verboten, auch wenn sie angekündigt wird." Als Schutz vor dem unberechtigten Benutzen einer Forststraße sei Videoüberwachung ohnehin ein ungeeignetes Mittel, so Kaltenegger weiter: "Denn sie wird auch alle Wanderer aufnehmen und diese damit ohne Rechtfertigung in deren Grundrecht auf Datenschutz verletzen. Damit macht sich der Verantwortliche strafbar und zivilrechtlich angreifbar."

Insgesamt täte eine allgemeine Entspannung dem Miteinander im Wald wohl gut. Dass die Bergwelt wegen ein paar Mountainbikern nicht dem Untergang geweiht ist, beweist der Blick über die Grenzen Österreichs. Denn nirgends gilt ein ähnlich rigides Verbot für Radler im Wald, wie hierzulande. Zudem verschwimmen die Grenzen zwischen den Nutzergruppen stetig und unaufhaltsam. Denn viele sind Biker und Wanderer gleichermaßen. Mit ein bisschen mehr Verständnis füreinander sollte das also schon klappen. In dem Sinne, auf einen entspannten, friedlichen Bergsommer für alle. (Steffen Kanduth, 16.4.2023)