Mit einem der stärksten Halluzinogene der Welt hatte Albert Hofmann nicht gerechnet. Im Rahmen seiner Arbeiten zum Mutterkornpilz (Claviceps purpurea) hatte der Schweizer Chemiker Ende der 1930er-Jahre zu den giftigen Alkaloiden dieses gefährlichen landwirtschaftlichen Schädlings geforscht. Seit dem 17. Jahrhundert wurde Mutterkorn in der Volksmedizin verwendet – unter anderem, weil der Pilz starke Wehen auslösen kann. Ließe sich daraus ein interessanter Wirkstoff für die Pharmazie gewinnen?

Albert Hofmann (1906-2008) in seinem Labor in Basel. Dort hatte er 1938 LSD erstmals synthetisiert – und fünf Jahre später dessen Wirkung "am eigenen Geist" erfahren.
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Bei seinen Mutterkorn-Experimenten in einem Labor des Pharmakonzerns Sandoz in Basel hatte Hofmann 1938 zum ersten Mal eine synthetische Substanz namens Lysergsäurediethylamid (kurz: LSD-25) hergestellt, von der er sich eine kreislaufstimulierende Wirkung erhoffte. Eine Prüfung durch die pharmakologische Abteilung des Unternehmens hatte aber keine vielversprechenden Eigenschaften ergeben. Auf weitere Tests wurde verzichtet, Hofmann widmete sich anderen Wirkstoffen.

Ein "nicht unangenehmer Zustand"

Fünf Jahre später überkam ihn eine "merkwürdige Ahnung", LSD vielleicht unterschätzt zu haben, wie sich Hofmann später erinnerte. Und so machte er sich am 16. April 1943 noch einmal an die Herstellung der Substanz – diesmal mit weitreichenden Folgen: Der Forscher erfuhr am eigenen Leib, dass seine Entdeckung durchaus interessante und äußerst starke Wirkungen hervorrufen konnte. Oder besser gesagt, "am eigenen Geist", wie er es selbst ausdrückte.

Trotz Vorsicht bei der Arbeit überkamen ihn noch im Labor Unruhe und Schwindel. "Zu Hause legte ich mich nieder und versank in einen nicht unangenehmen, rauschartigen Zustand, der sich durch äußerst angeregte Phantasie kennzeichnete", schrieb Hofmann in einem Bericht an seine Vorgesetzten. War er unabsichtlich mit winzigen Mengen des Stoffs in Berührung gekommen? Wenn das den Zwischenfall ausgelöst hatte, musste LSD-25 eine hochwirksame Substanz sein. Hofmann war verblüfft – und fasste einen bemerkenswerten Entschluss: Um mehr über LSD herauszufinden, entschied sich der dreifache Familienvater zum Selbstversuch.

Horrortrip mit Happy End

Hofmann verabreichte sich im Labor die, wie seine Berechnungen ergeben hatten, kleinste wirksame Dosis LSD: 0,25 Milligramm. Später sollte sich herausstellen, dass dies etwa dem Fünffachen einer normal wirksamen Dosis entsprach. Kein Wunder also, dass Hofmann schon bald größte Schwierigkeiten damit hatte, seinen Selbstversuch zu protokollieren. Das hielt ihn aber nicht davon ab, mit dem Fahrrad nachhause zu fahren – immerhin in Begleitung einer Kollegin. "Schon auf dem Heimweg mit dem Fahrrad nahm mein Zustand bedrohliche Formen an. Alles in meinem Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie in einem gekrümmten Spiegel", schrieb er in seinem Nachbericht.

Es folgte der erste LSD-Horrortrip in der Geschichte: Albtraumhafte Stunden und wachsende Angst, verrückt zu werden, quälten den Forscher. Doch dann wandelte sich der Rausch: "Jetzt begann ich allmählich, das unerhörte Farben- und Formenspiel zu genießen, kaleidoskopartig sich verändernd drangen bunte phantastische Gebilde auf mich ein." Bemerkenswert erschien dem Chemiker, dass er sich trotz des intensiven Rausches an alle Einzelheiten des Erlebten erinnern konnte. "Was ich ferner an LSD erstaunlich fand, war seine Eigenschaft, einen derart umfassenden, gewaltigen Rauschzustand zu erzeugen, ohne einen Kater zu hinterlassen. Ganz im Gegenteil fühlte ich mich am Tag nach dem LSD-Experiment in ausgezeichneter physischer und psychischer Verfassung."

Verbotene Substanz

LSD entpuppte sich als äußerst starkes Halluzinogen – und Hofmann erkannte sofort das Potenzial für die Wissenschaft, vor allem aber für die Psychiatrie. 1949 kam das Präparat dann auch unter dem Namen "Delysid" in den Handel. Zu Hofmanns anfänglicher Überraschung sollte es aber bei psychiatrischen Anwendungen nicht bleiben: Bald entdeckten Künstler, Musiker und die Hippiebewegung die Wirkung von LSD für sich, der Einfluss der Substanz auf die gesellschaftlichen Entwicklungen der 1960er- und 1970er-Jahre ist nicht zu unterschätzen.

LSD erlangte weniger als psychiatrisches Therapeutikum denn als Droge Berühmtheit.
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Nach und nach wurde der Substanz ihr eigener Erfolg zum Verhängnis. Die Schattenseiten des Konsums blieben nicht lange verborgen: Psychische Störungen, Unfälle, Verbrechen und politische Agitation brachten LSD zunehmend in Verruf. Ab Mitte der 1960er-Jahre wurde die Substanz nach und nach verboten, in Österreich 1971. LSD wurde zur stigmatisierten Droge – auch die Forschung kam zum Erliegen.

"LSD – Mein Sorgenkind"

Hofmann bedauerte diese Entwicklungen zutiefst. In seinem 1979 erschienenen Buch "LSD – Mein Sorgenkind" warnte er vor dem leichtfertigen Einsatz als Genussmittel ebenso wie vor einem Verbot der medizinischen Forschung und Anwendung. "Wenn man lernen würde, die Fähigkeit von LSD, unter geeigneten Bedingungen visionäres Erleben hervorzurufen, in der medizinischen Praxis besser zu nutzen, dann könnte dieses neuartige Psychopharmakon vom Sorgenkind zum Wunderkind werden", schrieb Hofmann.

Bis LSD und auch andere Halluzinogene in der Forschung wieder salonfähig wurden, sollte es noch lange dauern. Hofmann, der 2008 im hohen Alter von 102 Jahren starb, erlebte zumindest noch den Beginn dieser Renaissance: So wurden kurz nach der Jahrtausendwende wissenschaftliche Stimmen lauter, LSD wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Heute interessieren sich Forschende zunehmend für das Potenzial von LSD als Therapeutikum, etwa zur Behandlung von Angststörungen, Suchterkrankungen und Depressionen.

Forschung im Aufwind

Die Forschung zu LSD und anderen psychedelischen Substanzen hat in den vergangenen Jahren gehörig an Fahrt aufgenommen. Renommierte Hochschulen wie die Johns Hopkins University in den USA und das Imperial College in London haben eigene Forschungszentren dazu eingerichtet, während auch andernorts klinische Studien laufen. Etwa an der Uni Basel, also in der LSD-"Geburtsstadt": Dort zeigte kürzlich ein Team um Felix Müller, Leiter des klinischen Forschungsbereichs für substanzgestützte Therapie, dass ein therapeutischer Kurz-Einsatz von LSD Ängste anhaltend lindern kann.

"Ebenso läuft hier in Basel eine Studie mit Patienten mit Clusterkopfschmerzen, einer heftigen neurologischen Krankheit, bei der Patienten bei einer Attacke von maximal vorstellbarem Schmerz berichten", sagte Müller kürzlich zur Nachrichtenagentur "dpa". Der Wissenschafter warnte aber auch davor, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen: Halluzinogene dürften nicht als Wundermittel betrachtet werden. "Man muss aufpassen, dass es nicht in eine Glorifizierung kippt." Albert Hofmann hätte dem wohl vorbehaltlos zugestimmt. (David Rennert, 16.4.2023)