Sauerkraut ist ein Klassiker unter den fermentierten Lebensmitteln. Man kann es als eines der wenigen milchsauer vergorenen Lebensmittel auch im Supermarkt kaufen. Um von den Mikroorganismen profitieren zu können, sollte es nicht pasteurisiert sein.

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Fermentieren ist seit ein paar Jahren das liebste Hobby so mancher Freizeitköche, Kombucha, Kefir oder auch Sauerkraut blubbern in vielen Küchen vor sich hin. Diese Art der Lebensmittelkonservierung ist jedoch alles andere als neu. Die Technik, Lebensmittel durch Fermentierung länger haltbar zu machen, gibt es bereits seit tausenden Jahren, und das auf der ganzen Welt: Die japanische Misopaste, das koreanische Kimchi und das Sauerkraut sind wohl die bekanntesten Beispiele. Aber auch Joghurt, Käse, Wein oder Schokolade würde es ohne Fermentation nicht geben.

Der Prozess des Fermentierens ist an sich sehr simpel. Das Wichtigste dabei sind die Bakterien und Hefen, die etwa auf Gemüse ganz natürlich vorkommen. Gibt man ihnen die richtige Umgebung und etwas Zeit, brechen sie verschiedene Bestandteile der Lebensmittel auf und wandeln sie um. Diese mikrobiellen Lebewesen können etwa Milchsäurebakterien sein, sie verstoffwechseln Zucker zu Milchsäure. Man setzt den Prozess in Gang, indem man das Gemüse fein schneidet und, mit etwas Salz vermischt, so lange drückt, bis der natürliche Saft austritt.

Dieses Gut lagert man dann in einem Gefäß und beschwert es etwa mit einem Stein, damit das gesamte Gemüse mit dem Saft bedeckt ist. Spezielle Fermentiergefäße erleichtern das. Dadurch wird die Sauerstoffzufuhr gestoppt, die Milchsäurebakterien können ihren Job machen. Achtung, das Gefäß darf dabei aber nicht fest verschlossen sein. Denn es entstehen Gase, die austreten müssen, sonst könnte das Gefäß explodieren. Diese Gase steigen als Blasen auf und erzeugen das typische Blubbern. Beim Austreten kann man sie manchmal auch riechen, es riecht dann milchsauer oder essigähnlich.

Nicht auf alle übertragbar

Früher war die längere Haltbarkeit der Hauptgrund für Fermentation, inzwischen weiß man auch über den gesundheitlichen Nutzen Bescheid. Vor allem das Mikrobiom, die Gesamtheit aller Mikroorganismen wie Bakterien und Viren, die sich hauptsächlich im Darm und auf der Haut befinden, profitiert davon. Das Mikrobiom hängt eng mit dem Immunsystem zusammen, je gesünder und vielfältiger es ist, desto besser unterstützt es das körpereigene Abwehrsystem in seiner Arbeit.

Allerdings sind beim Thema Mikrobiom auch noch viele Fragen offen: Wie setzt es sich genau zusammen? Wie kann man es beeinflussen? Kann es gezielt verändert werden, um Krankheiten vorzubeugen? Aus wissenschaftlicher Sicht lässt sich bereits sagen, "dass Nahrung das Mikrobiom auf jeden Fall verändert. Sie ist sogar eine der wichtigsten Möglichkeiten, einen Einfluss darauf zu nehmen", erklärt Eva Untersmayr-Elsenhuber, Spezialistin für Allergologie und Immunologie an der Med-Uni Wien.

Ob fermentierte Lebensmittel tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Darmgesundheit haben, "dafür gibt es eindeutig noch zu wenige aussagekräftige Studien", erklärt die Expertin. "Wir wissen jedoch, dass in fermentierter Nahrung gesundheitsfördernde Bakterien, sogenannte Probiotika, enthalten sind, die einen Einfluss auf die Darmgesundheit haben können." Sie verändern das Darmmilieu, indem sie den pH-Wert im Darm senken, wodurch sich krankmachende Keime nicht mehr so gut vermehren können. Allerdings trifft das nicht auf alles Fermentierte zu, und es wirkt auch nicht bei jedem Menschen gleich. "Das Mikrobiom ist höchst individuell. Darum kann man nicht sagen, dass das Essen von Sauerkraut beispielsweise diesen oder jenen Effekt bei jedem Menschen hat."

Weniger Stress dank Sauerkraut?

Die Zusammensetzung des Mikrobioms kann sich möglicherweise auch auf die Psyche auswirken. Ob fermentierte und pflanzenbasierte Lebensmittel das Wohlbefinden beeinflussen, untersuchten Wissenschafterinnen und Wissenschafter des APC Microbiome Ireland. Die Ergebnisse ihrer Studie sind im Oktober 2022 im Fachmagazin Nature erschienen.

45 gesunde Menschen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren nahmen an der vierwöchigen Studie teil. Die eine Hälfte der Gruppe ernährte sich in dieser Zeit nach einer sogenannten psychobiotischen Diät, die Kontrollgruppe erhielt lediglich allgemeine Ernährungsempfehlungen. Die psychobiotische Diät umfasste Obst und Gemüse mit einem hohen Anteil an präbiotischen Fasern wie Bananen und Kohl, Getreide und Hülsenfrüchte. Dazu sollten sie fermentierte Lebensmittel wie Kefir und Sauerkraut zu sich nehmen. Nach vier Wochen fühlten sich die Teilnehmenden der Gruppe mit der psychobiotischen Diät weniger gestresst und gaben an, besser zu schlafen.

Allerdings hat diese Studie, wie auch viele andere zu diesem Themenbereich, einige methodische Schwächen. Weil nur eine kleine Anzahl an Personen teilnahm, ist unklar, ob sich die Ergebnisse auch auf eine breite Masse übertragen lassen. Man kann nicht sagen, ob die Effekte auf die fermentierten Lebensmittel zurückzuführen sind oder auf die pflanzenbasierte Ernährung generell. Außerdem sind die Personen am Ende der Studie lediglich befragt worden, es sind keine messbaren Ergebnisse vorhanden.

In der Vielfalt liegt das Geheimnis

Ob wissenschaftlich bewiesen oder nicht, viele möchten sich selbst von der möglichen Wirkung sauer vergorener Produkte überzeugen. Dafür sollte man aber selber schnibbeln, denn in Supermärkten gibt es nur eine sehr kleine Auswahl dieser Lebensmittel, und viele von ihnen sind pasteurisiert – dabei werden die Milchsäurebakterien abgetötet. Bücher, Selbermachpakete aus dem Internet oder auch Workshops bringen aber immer mehr Menschen dazu, ihr Gemüse blubbern zu lassen. Lakto-Fermentations-Expertin Ingrid Palmetshofer vom Blubbergarten in Wien gibt ihr Wissen auch in Workshops an Fermentier-Interessierte weiter.

Sie selbst befasst sich schon seit vielen Jahren mit dem Thema und erzählt: "Ich litt viele Jahre an Müdigkeit, die ich mir nicht erklären konnte. Irgendwann stellet sich heraus, dass sich das Epstein-Barr-Virus, der Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers, bei mir reaktiviert hatte." Da sie sich bereits zuvor mit den Themen Ernährung, Fermentation und Mikrobiom befasst hatte, begann sie, Milchkefir und auch andere fermentierte Lebensmittel selber herzustellen. "Ich nahm drei Wochen lang jeden Tag etwas Milchkefir zu mir, und die Müdigkeit wurde immer weniger."

Danach beschäftigte sie sich noch intensiver mit dem Fermentieren und isst täglich fermentierte Produkte. "Es geht gar nicht darum, große Mengen zu verzehren, es kommt viel mehr auf die Vielfalt an. Denn leider funktioniert es nicht, dass man ein bestimmtes Produkt zu sich nimmt, und schon sind alle gesundheitlichen Probleme gelöst. Will man im Körper etwas verändern, muss man das auf mehreren Ebenen angehen." Sie empfiehlt allen, die sich dafür interessieren, "sich einfach durchzuprobieren. Milchsaures Gemüse, Kombucha, Milchkefir und Wasserkefir lassen sich recht einfach zu Hause herstellen." Dann bemerkt man auch relativ schnell, was einem gut bekommt und was eher nicht.

Mit diesem Zugang ist Palmetshofer nicht allein. Auch Tim Spector, Professor für genetische Epidemiologie am King's College in London, plädiert dafür, sich so vielfältig wie möglich zu ernähren. Seiner Ansicht nach sollten 30 verschiedene pflanzliche Lebensmittel pro Woche auf dem Speiseplan stehen, darunter auch täglich etwas Fermentiertes. So bietet man dem Darm und dem Mikrobiom eine größtmögliche Palette an nützlichen Mikroorganismen an. Dazu gehören dann auch die oben erwähnten Produkte wie Wein und Schokolade – aber natürlich nur in Maßen genossen. (Jasmin Altrock, 23.4.2023)