Alex Beer alias Daniela Larcher: Bluse und Rock Jana Wieland.
Zuletzt erschien ihr Kriminalroman "Felix Blom. Der Häftling aus Moabit".
Foto: Yasmina Haddad

Sie lassen sich so leicht nichts vormachen. Alex Beer, Michaela Kastel, Edith Kneifl, Martina Parker und Ursula Poznanski sind spezialisiert auf Mord und Totschlag. Im Gespräch mit den Krimiautorinnen geht es dann aber um ganz andere Themen. Man tauscht sich über Lesereisen, Bestsellerplatzierungen und engagierte Buchhändlerinnen und Buchhändler aus. Und es wird richtig viel gelacht.

STANDARD: Sitzen Sie häufiger so wie heute zusammen?

Edith Kneifl: Wir begegnen uns üblicherweise bei Veranstaltungen wie der Kriminacht. Ansonsten gibt es Cliquen, in dieser Konstellation sehen wir uns seltener.

Michaela Kastel: Stimmt, allzu oft kommt das nicht vor.

Ursula Poznanski: Ich empfinde die Szene als sehr angenehm. Wir pflegen einen kollegialen Umgang miteinander, können den anderen ihre Erfolge gönnen.

Kneifl: Die Kolleginnen aus der sogenannten ernsthaften Literatur beneiden uns darum, dass wir so ein lustiger Haufen sind. Auch wenn das nach Klischee klingt.

Alex Beer: Unser Vorteil ist, dass wir durch Buchverkäufe Geld verdienen. Bei den erwähnten Kollegen und Kolleginnen dreht sich viel um Stipendien und Preise. Wir nehmen uns weniger weg. Auch, weil sich viele eine Nische erschrieben haben. In dieser Runde bin ich die Einzige, die historische Krimis schreibt.

STANDARD: Wie hat sich die Branche verändert?

Kneifl: Die Anzahl der Autorinnen und Autoren hat sich vervielfacht. In den Achtzigern waren wir im deutschsprachigen Raum rund 40 Leute, die sich jährlich während des Festivals Criminale getroffen haben. Heute sind es 800 oder mehr, die Zahlen steigen. Unter dem Mäntelchen der Kriminalliteratur erscheint leider auch viel Ramsch. Es gibt Verlage, die nehmen einfach alles. Dank der Landkrimis hat jedes deutsche oder österreichische Dorf einen eigenen Detektiv oder Kriminalkommissar.

Kastel: Das größte Problem ist wahrscheinlich das Selfpublishing.

Ursula Poznanski: Kleid Balenciaga.
Ihr aktueller Krimi heißt "Böses Licht".
Foto: Yasmina Haddad

STANDARD: Warum boomt das Genre?

Poznanski: Andere Genres florieren momentan mehr. Dafür hält sich der Krimi schon sehr lange. Man kann im Rahmen eines Krimis wahnsinnig viel transportieren, ihn historisch oder sozialkritisch angehen. Ich finde auch das Wechselspiel mit den Leserinnen und Lesern interessant. Man entwirft ein Rätsel und hofft, dass einem ein überraschendes Ende glückt.

Kneifl: Der Krimi befriedigt unseren Spieltrieb, unsere Neugier und besänftigt unsere Ängste.

STANDARD: Was zeichnet das perfekte Verbrechen aus?

Poznanski: Dass man es nicht als solches erkennt. Das perfekte Verbrechen hat in einem Krimi deshalb eh nichts zu suchen. Wenn die Oma mit dem Polster erstickt wird und das vom Hausarzt als natürlicher Todesfall abgehakt wird, ist das so perfekt wie langweilig.

Kneifl: Ich finde das Motiv sowieso psychologisch interessanter als die Tat an sich. Es ist auch nicht einfach, immer neue Todesarten zu finden. Soll sich ein Protagonist irgendwo runterstürzen? Will ich Gift einsetzen? Ich habe schon eine Bohrmaschine als Mordinstrument eingesetzt.

Edith Kneifl: Mantel Hisu Park, Brille Gucci, Handschuhe Collina Strada, Schuhe Rosa Mosa.
Am 26. Mai erscheint ihr neuer Krimi "Klippensturz".
Foto: Yasmina Haddad

STANDARD: Wie wird ein Buch zum Bestseller?

Kastel: Angeblich umfasst der durchschnittliche Bestseller zwischen 250 und 300 Seiten, er darf nicht zu lang sein. Früher hätte ich das nicht unterschrieben, weil ich als Leserin 500-Seiten-Wälzer bevorzugt habe. Mittlerweile präferiere ich auch schmalere Bücher.

Poznanski: Unsere Aufmerksamkeitsspanne ist dank der sozialen Medien geschrumpft. Das Rezept für einen Bestseller existiert nicht.

Beer: Oft bestimmen Trends die Verkäufe. Eine Zeitlang waren es die Skandinavien-Krimis, dann kamen der Regio- und der History-Boom, derzeit verkaufen sich Krimis gut, die an Sehnsuchtsorten angesiedelt sind.

Kastel: Die Kassenschlager werden kopiert. Die Kopien kommen allerdings nie an die Originale heran. Ich kann als Autorin die beste Idee aller Zeiten haben. Aber wenn der Verlag gerade an Schweden-Krimis glaubt, wird in diese Richtung Stoff gewünscht. Egal, ob mir das taugt oder meinem Stil entspricht.

Martina Parker: Dabei geht es darum, die eigene Stimme zu finden. Meine Bücher sind zu 20 Prozent Krimi und zu 20?Prozent Gartenroman, der Rest ist Milieustudie. Die Deutschen bezeichnen sie gern als schwarzhumorig oder bitterböse, dabei ist das der normale österreichische Schmäh.

Michaela Kastel: Oberteil Valeria Lehner, Hose Collina Strada, Schuhe Versace.
Ihr aktuelles Buch heißt "Unsterblich".
Foto: Yasmina Haddad

STANDARD: Was kommt denn momentan gut an?

Poznanski: Ein durchschlagender Trend fällt mir nicht ein. Aber es ist schon so, dass im Sommer in den Buchhandlungen verlässlich die Provence-Krimis aufliegen. Oder welche, die in Italien, Frankreich oder Portugal spielen.

Beer: Marc Elsberg hat mit seinem Klimawandel-Thriller ein brandaktuelles Thema aufgegriffen, das sich gut verkauft und die Medien interessiert.

Poznanski: Überhaupt verkaufen sich Namen gut, da geht es dann um den neuen Fitzek und nicht mehr so sehr um den Titel.

Beer: Bei Ursula heißt es mittlerweile auch: "Die neue Poznanski ist raus."

STANDARD: Wie viele Bücher braucht es, um sich einen Namen zu machen?

Beer: Das hat mit Kontinuität zu tun.

Poznanski: Sicher auch. Man muss aber nicht zwangsweise zwei Bücher im Jahr herausbringen. Man etabliert sich auch, wenn man ein oder zwei Longseller hat, die sich sukzessive gut verkaufen.

Kneifl: Unheimlich beliebt sind auch Serienkrimis mit demselben Personal, ich denke da an Donna Leon.

Martina Parker: Anzug Pouran Parvizi, Kette und Ringe Collina Strada, Plateauschuhe Jeffrey Campbell, Socken Burlington.
Zuletzt erschien ihr Krimi "Aufblattelt".
Foto: Yasmina Haddad

STANDARD: Kann man seine Karriere in die Hände eines Ermittlers oder einer Kommissarin legen?

Poznanski: Wenn das erste Buch einschlägt, kann das funktionieren.

Kneifl: Mir wird spätestens nach fünf Bänden mit dem gleichen Personal langweilig.

Kastel: Mir geht das auch so. Ich habe bislang nur eine Fortsetzung geschrieben. Mein oberstes Ziel ist, mich selbst zu unterhalten. Deshalb schreibe ich intuitiv. Es geht in meinen Büchern eher um psychologische Konflikte und Abgründe als um Leichen und die Suche nach den Mördern und Mörderinnen. Ich möchte eine Atmosphäre erzeugen, habe beim Arbeiten eine Art Filmtrailer im Kopf.

Poznanski: Hätte ich das Ende nicht im Kopf, würde mich das verrückt machen. Angenehm am Bücherschreiben finde ich aber, dass man immer wieder etwas ändern kann.

Beer: Meine Leidenschaft ist das Plotten. Ich entwerfe in alter Agatha-Christie-Manier vorab Pläne. Mein Albtraum wäre, monatelang zu schreiben, um dann auf Seite 23 einen Kardinalfehler zu entdecken. Mich zu verzetteln kann ich mir nicht mehr leisten. Das Schreiben ist mein Brotberuf, ich habe ständig Deadlines.

STANDARD: Wie lange arbeiten Sie an einem Buch?

Parker: Sechs bis acht Monate. Ich hasse das Plotten. Damit mir niemand dreinreden kann, gebe ich prinzipiell ein Jahr vor meiner Deadline ab. Ich halte diesen Druck nicht aus, das ging mir schon als Journalistin so.

Poznanski: (lacht) Ohne Deadlines würde bei mir kein einziges Buch fertig werden. Ich schreibe zwei Stück im Jahr, für 400 Seiten benötige ich viereinhalb Monate.

Kneifl: Ich mache mir keinen Stress, arbeite rund ein Jahr an einem Buch. Früher habe ich sogar zwei Jahre gebraucht, ich habe 25 Jahre lang als Psychoanalytikerin gearbeitet und nur abends geschrieben. Mit 60 habe ich mit der Psychoanalyse aufgehört, zwei Berufe waren einfach zu viel.

Edith Kneifl: Ledermantel Prada.
Foto: Yasmina Haddad

STANDARD: Wie viele Bestseller braucht es, um ausgesorgt zu haben?

Poznanski: Wenn man einen Verkaufshit wie Der Gesang der Flusskrebse geschrieben hat, reicht dieses eine Buch. Aber Bestseller ist nicht gleich Bestseller.

Beer: Stimmt, man kann schon mit dem Verkauf von 5000 Stück auf einer Liste landen. Damit kommt man nicht weit. Es kann aber auch passieren, dass man mit Longsellern über die Jahre mehr verkauft als mit einem Bestseller.

STANDARD: Nervt die Unterscheidung in unterhaltende und sogenannte ernsthafte Literatur?

Kneifl: Mich hat das am Anfang sehr gestört, weil ich mir eingebildet habe, ich sei eine Literatin. Heute ist mir das wurscht.

Parker: Ich mag den Begriff Krimi nicht sonderlich. Das klingt so verniedlichend à la "Ohne Krimi geht die Mimi nicht ins Bett".

Beer: Der Krimi gilt oft als possierlich, der Thriller als trashig. Im englischsprachigen Raum kann man mit Krimis den Booker-Preis gewinnen. Hier gilt die Regel: Wer mit Büchern Geld macht, hat keinen Preis verdient. Dabei kann ein Krimi genauso sozialkritisch sein oder sprachlich überzeugen.

Poznanski: Ich sehe die Unterscheidung in E und U völlig wertfrei. Ich will mit meinen Büchern in erster Linie unterhalten. Insbesondere bei meinen Jugendbüchern werde ich oft gefragt, was ich erreichen will. Dass sie gern gelesen werden, sage ich dann.

Kastel: Ich sehe das wie Ursula. Ich schreibe, um Menschen zu unterhalten. Ob das nun weniger wert ist, bloß weil man sich als Autorin nicht auf eine gewisse Intention oder zu vermittelnde Moral konzentriert, muss jeder für sich beantworten. Die Gesellschaft kritisiert man ohnehin, sobald man über Menschen und deren psychische Untiefen schreibt. Mir sind diese Kategorisierungen völlig gleichgültig.

Ursula Poznanski: Jacke Hisu Park.
Foto: Yasmina Haddad

STANDARD: Geben Sie was auf Amazon-Kritiken?

Poznanski: Am Anfang habe ich dort täglich reingeschaut. Das frustriert schnell, deshalb habe ich mir das abgewöhnt.

Beer: Ich lese, was die Zeitungen schreiben. Journalisten und Journalistinnen urteilen ausgewogener, auf den Online-Plattformen lässt es sich unter Fake-Namen wüst austoben.

STANDARD: Ist die Verfilmung eines Buches das höchste der Gefühle?

Kneifl: Finanziell schon.

Poznanski: Meine Geschichten wurden bislang noch nicht verfilmt. Bei Kolleginnen und Kollegen bekomme ich mit, dass es sich ökonomisch auszahlt. Und natürlich ist es fein zu sehen, wie andere Menschen den eigenen Stoff verarbeiten. Das kann aber auch über weite Strecken wehtun.

Kneifl: Ich habe Tränen der Wut vergossen, als ich Murnbergers Verfilmung meines Buchs Ende der Vorstellung gesehen habe. Ich war verärgert über die vielen ordinären Dinge, die da hineingebracht wurden. Getröstet hat mich, dass der Film dann eine Romy bekommen hat.

Beer: Früher habe ich mir das mit den Verfilmungen sehr einfach vorgestellt. Ich dachte, es komme ein Anruf rein, und ein halbes Jahr später schaut man sich den Film im Kino an. Mir war nicht klar, dass es vorher gefühlt 200 Hürden zu nehmen gilt.

Parker: Die Filmrechte für mein erstes Buch Zuagroast sind optioniert, und ich bin optimistisch. Das Burgenland der Gegenwart ist aber auch einfacher, als Historisches zu verfilmen.

Alex Beer: Blusenkleid Jana Wieland, Schuhe Balenciaga.
Foto: Yasmina Haddad

STANDARD: Lesungen sind ein wichtiger Bestandteil Ihrer Arbeit. Warum?

Kastel: Ich bin keine Rampensau, für mich sind Lesungen hauptsächlich Buchvorstellungen. Es gibt Autoren und Autorinnen, die ein richtiges Kabarettprogramm veranstalten. Auf Messen oder Festivals bin ich oft die einzige und jüngste Frau und werde belächelt, so nach dem Motto: "Was kann die schon?" Ich zeige gern, dass ich sehr wohl was kann.

Parker: Ich habe in den vergangenen 18 Monaten 80 Lesungen gemacht. Es ist irre, wie sich die Buchhändler und Buchhändlerinnen engagieren. In Mattersburg wurde für die Premiere von Aufgeblattelt ein ganzer Wald auf die Bühne gebracht. Da entsteht eine großartige Dynamik, mit klassischen Lesungen hat das bei mir nur mehr wenig zu tun. Aber mir macht das alles einfach großen Spaß.

Kneifl: Mir ist der Kontakt zu meinen Leserinnen und Lesern sehr wichtig. Nach den Veranstaltungen ergeben sich oft interessante Gespräche mit dem Publikum.

Beer: Ich bin schon gefragt worden, ob ich in einem Ruderboot lesen möchte!

Poznanski: Bei Lesungen nehme ich Kontakt mit den Leserinnen und Lesern auf. Zu Beginn lese ich eine halbe Stunde, und dann wird über alles Mögliche geplaudert. Das wird meist lustig und kann richtig lang dauern, oft muss uns der Veranstalter bremsen.

Beer: Das ganze Drumherum ist aufwendig und anstrengend, ich mag das nicht besonders. Wir sind eben auch Event- und Social-Media-Managerinnen. Manchmal wünsche ich mir, einfach nur Autorin sein zu können.

Michaela Kastel: Jacke und Rock Hisu Park, Ohrringe Ottolinger.
Foto: Yasmina Haddad

STANDARD: Wer liest Ihre Bücher?

Poznanski: Hauptsächlich Frauen. Männer werden zu den Lesungen meist zwangsweise mitgeschleppt.

Kneifl: Die Statistiken bestätigen das. Etwa 70 Prozent der Krimi-Leser und -Leserinnen sind laut einer Erhebung Frauen.

Parker: Ich lasse meine Leser und Leserinnen auf Social Media "mitschreiben" und bemerke dabei immer, wie unterschiedlich die Menschen und deren Beiträge sind. Das ist wirklich das pralle Leben, das in die Bücher einfließt. Da ist alles dabei, von Gartentipps über Dorfg’schichtln bis hin zu Sex und Drogen.

Kastel: Ich bediene nicht nur ein Genre, meine Bücher werden von 14-Jährigen wie von Älteren gelesen.

Beer: Mein Publikum wiederum besteht überwiegend aus älteren, historisch interessierten Männern.

Kneifl: Interessant, die Uni Graz hat einmal mein Lesepublikum untersucht und festgestellt, dass bei mir der Anteil an jungen Männern auffällig hoch ist. Warum, ging daraus nicht hervor. Ich bin dann selbst draufgekommen. In meinen Büchern versagen die männlichen Figuren meist im Bett. Ich vermute, dass das den jungen Männern ihre Ängste nimmt. Aber Achtung, liebe Leser, in meinem neuen Buch ist wieder alles anders. (RONDO Exklusiv, Anne Feldkamp, 28.4.2023)