Der Mars-Hubschrauber Ingenuity ist um 2.214 Prozent weiter geflogen als zu Beginn der Mission erwartet. Diese Aufnahme stammt von der Mastcam-Z von Perseverance und wurde am 15. Juni 2021 geschossen.

Foto: NASA/JPL-Caltech

Vor genau zwei Jahren schrieb die kleine Nasa-Drohne Ingenuity Geschichte: Der Minihubschrauber, der gemeinsam mit dem Rover Perseverance wenige Wochen zuvor auf dem Mars gelandet war, unternahm am 19. April 2021 den ersten Flug eines Luftfahrzeugs auf einem fremden Planeten. 39,1 Sekunden lang schwirrte der Drehflügler bei dieser Premiere in der dünnen Mars-Luft umher, 30 Sekunden davon verbrachte er schwebend in etwa drei Meter Höhe über dem Mars-Boden.

Seither ist das Ingenuity-Team vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) am California Institute of Technology (Caltech) ihres "Spielzeugs" kein bisschen müde geworden, nicht zuletzt auch, weil sich der Mars-Helikopter in den harschen Umweltbedingungen unseres Nachbarplaneten erstaunlich gut hält: Fast pünktlich zum zweiten Jahrestag hat Ingenuity am 13. April den 50. Flug über die Mars-Oberfläche absolviert.

Die Komponenten von Ingenuity.
Foto: NASA/JPL-Caltech

Neuer Höhenrekord zum 50er

Der Ausflug dauerte 145,7 Sekunden, und die Drohne legte eine Strecke von 322,2 Metern zurück – und stellte dabei auch noch einen neuen Höhenflugrekord auf: Ingenuity erklomm in der Nähe des 800 Meter breiten Belva-Kraters die bisher unerreichte Flughöhe von 18 Metern.

Als ein technisches Machbarkeitsexperiment sollte der Hubschrauber eigentlich nicht mehr als fünfmal abheben, um zu beweisen, dass ein motorisierter, kontrollierter Flug auf einem anderen Planeten möglich ist. Doch die kleine Drohne übertraf alle Erwartungen und demonstriert weiterhin fleißig, wie nützlich ein solches Gerät auf dem Mars sein kann.

Verblüffend an dem Erfolg der Mission ist vor allem die Einfachheit der Konstruktion: Ingenuity besteht aus vielen handelsüblichen Komponenten wie Smartphone-Prozessoren und Kameras – und doch hat das Gerät unter unwirtlichen Bedingungen insgesamt schon über 89 Minuten in der Luft verbracht und dabei eine Strecke von 11,6 Kilometern zurückgelegt.

"Als wir zum ersten Mal geflogen sind, dachten wir, wir können von Glück reden, wenn wir fünf Flüge zusammenbringen", sagte Teddy Tzanetos, Ingenuity-Teamleiter am JPL. "Und nun haben wir die erwartete kumulative Flugzeit um 1.250 Prozent übertroffen, die erhoffte Flugstrecke sogar um 2.214 Prozent."

Video: 50 Flüge auf dem Mars.
NASA Jet Propulsion Laboratory

Daten für künftige Mars-Helikopter

Jedes Mal, wenn Ingenuity zu einer Expedition losgeschickt wird, erkundet der Helikopter neues Terrain und sorgt für neue Perspektiven, die keine andere bisherige Planetenmission liefern konnte. Die rund 1,8 Kilogramm leichte Drohne besitzt zwei koaxial montierte Rotoren, Lithium-Ionenakkus und Solarpanele für die Energieversorgung sowie zwei Kameras: eine Schwarz-Weiß-Kamera, die nach unten blickt und der Navigation dient, und eine Farbkamera für Landschaftsaufnahmen.

Die gewonnenen Bilder und Daten sind nicht nur für künftige Planetenmissionen nützlich, sondern haben sich auch für das Perseverance-Team als hilfreich erwiesen. Indem es die Grenzen des Hubschraubers auslotete, sammelte es auch wertvolle Informationen für künftige Nachfolger von Ingenuity. Dazu zählt etwa der Entwurf für einen Helikopter, der im Rahmen der Mars-Sample-Return-Mission von Perseverance an einigen Stellen deponierten Mars-Proben einsammeln könnte.

Video: Künftige Helikopter auf dem Mars
NASA Jet Propulsion Laboratory

Riskantes Terrain

Seitdem Ingenuity die flachen Gefilde des Jezero-Kraters am 19. Januar verlassen hat und die Hangregionen erforscht, hat der Heli mit 6,5 Metern pro Sekunde auch einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. Das zerklüftete unbekannte Terrain ist nicht ohne Gefahren für den Helikopter: "Wir sind hier nicht mehr im marsianischen Kansas", sagt Josh Anderson vom Ingenuity-Team am JPL in Anspielung an den "Zauberer von Oz".

"Wir fliegen über die ausgetrockneten Überreste eines alten Flusses, der mit Sanddünen, Geröll und Felsen gefüllt ist, umgeben von bedrohlichen Hügeln", so Anderson. "Obwohl wir vor kurzem die Navigationssoftware an Bord verbessert haben, um sichere Flugregionen zu identifizieren, ist jeder Flug immer noch ein Nervenkrieg."

Ingenuity wird in den kommenden Wochen nicht nur mit schwierigerem Gelände konfrontiert, der Helikopter soll dort auch noch häufiger fliegen als bisher. Der Grund dafür: Der Hubschrauber muss gleichsam in Hörweite des Rovers Perseverance bleiben, und dieser ist gerade flott im rauen Gelände westlich des kleinen Kraters Belva unterwegs und begutachtet ein kleines Felsenmeer. Sein nächstes Ziel ist Mount Julian, eine Erhebung, die einen attraktiven Blick auf das Panorama des Kraters Belva gewährt.

Wo sich Perseverance und Ingenuity gerade befinden. Die graue Linie zeigt die vom Rover bisher zurückgelegte Strecke.
Illustr.: NASA/JPL-Caltech

Ingenuity muss Schritt halten

"Ingenuity verlässt sich darauf, dass Perseverance als Kommunikationsrelais zwischen ihm und Mission Control hier am JPL fungiert", sagte Anderson. "Wenn der Rover zu weit vorausfährt oder hinter einem Hügel verschwindet, könnten wir die Kommunikation verlieren. Das Rover-Team hat eine Aufgabe zu erfüllen und einen Zeitplan einzuhalten. Daher ist es unerlässlich, dass Ingenuity Schritt hält und wann immer möglich die Führung übernimmt."

Doch auch Ingenuity wird nicht ewig weitermachen können. Einige Teile des Hubschraubers zeigen bereits Verschleißerscheinungen, hinzu kommt, dass das Gelände immer anspruchsvoller wird. "Wir haben von Anfang an gewusst, dass unsere Zeit auf dem Mars begrenzt ist, und jeder Einsatztag ist ein Segen", sagte Tzanetos. "Ob die Ingenuity-Mission morgen, nächste Woche oder in einigen Monaten endet, kann derzeit niemand vorhersagen. Was ich vorhersagen kann, ist, dass wir dann eine Riesenparty feiern werden." (tberg, 19.4.2023)