Im gelben Unterseeboot geht es auf "Magical Mystery Tour": Die Beatles waren zentrale künstlerische Nutznießer von LSD.

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Der 19. April 1943 ist heute in der Populärkultur als "Bicycle Day" bekannt. Damals vor 80 Jahren unternahm der Schweizer Chemiker Albert Hofmann eine zehn Kilometer lange Fahrradfahrt vom Labor nach Hause. Er hatte nach einem den Kreislauf stimulierenden Mittel geforscht und mit dem Mutterkornpilz experimentiert. Mit dem daraus gezogenen Lysergsäurediäthylamid entdeckte er dabei zufällig die stärkste bewusstseinsverändernde Substanz der Geschichte: LSD. Die fünffache heute als zumutbar geltende Dosis davon hatte Hofmann im Selbstversuch eingenommen, bevor er aufs Rad stieg. Die Fahrt geriet laut Tagebuch zum Horrortrip. "Von 18 – ca. 20 Uhr schwerste Krise. Alles in meinem Gesichtsfeld schwankte. Auch hatte ich das Gefühl, mit dem Fahrrad nicht vom Fleck zu kommen." Und weiter: "Die Nachbarsfrau war nicht mehr Frau R., sondern eine bösartige, heimtückische Hexe mit einer farbigen Fratze."

Bevor es spätestens mit seiner Illegalisierung im Jahr 1966 für die wagemutigeren Tunichtgute in der Popmusik mit LSD als "Teleskop in den Weltraum der Seele" so richtig interessant wurde, schätzten vor allem Psychiater und Psychotherapeuten die Wirkung der Droge. Sie diente als frei erhältliches Medikament Delysid zur psychischen Lockermachung der Patientinnen. Darunter befanden sich, wir haben es geahnt, viele Kreative. Hollywoodstar Cary Grant etwa war nach knapp 100 Sitzungen höchst angetan vom LSD: "Ich mag eigentlich keine Drogen, aber LSD hat mir sehr gutgetan. Ich finde, alle Politiker sollten LSD nehmen."

Kaleidoskope und Schaukelpferde

Ob sich in früheren Zeiten diverse Marienerscheinungen oder andere bewusstseinserweiternde Erfahrungen den Derivaten des über ungereinigtes Getreide eingenommenen Mutterkornpilzes oder narrischer Schwammerln generell verdanken, ist nicht überprüfbar. Fakt ist, in den 1960er-Jahren wurde LSD zu einer wesentlichen Inspirationsquelle der Popkultur.

The Beatles - Topic

Bob Dylan machte damals die Beatles mit LSD bekannt. Die ließen 1967 zum Dank für ihre tollen Erfahrungen Albert Hofmann ein Exemplar des Wunderalbums Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band zukommen. Ob sich der damals 61-Jährige über die komische Musik, die rückwärtslaufenden Tonbänder, diverse Tiergeräusche aus dem BBC-Soundarchiv und die sonderbaren Texte freute, ist nicht bekannt. In Lucy in The Sky with Diamonds war die Inspirationsquelle der Beatles jedenfalls offensichtlich: "Picture yourself in a boat on a river / With tangerine trees and marmalade skies / Somebody calls you, you answer quite slowly / A girl with kaleidoscope eyes …"

Auch wenn John Lennon immer spitzbübisch behauptete, das Lied verdanke sich nicht LSD, sondern einem von seinem kleinen Sohn Julian gemalten Bild: Dank Marmeladenhimmel, einem Mädchen mit Kaleidoskopaugen, Schaukelpferdmenschen, einem Pförtner aus Plastilin und Taxis aus Zeitungspapier gilt der Song als die definitive Hymne, wenn es darum geht, mit einem gelben Unterseeboot auf Magical Mystery Tour zu gehen.

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"Psychedelic Music" oder auch "Acid Rock" wurde der vielfach auf freien und das Raum- und Zeitgefühl außer Kraft setzenden Improvisationen beruhende Stil genannt. Er kam parallel mit der Hippiebewegung, dem Aufkommen lustiger Studio- und Aufnahmetechnik und der Inspiration aus Fantasy-, Science-Fiction- und esoterischer, östlich angehauchter Literatur aus Kalifornien. Zu den Vorreitern zählen etwa The Grateful Dead (die größten LSD-Barone von allen), The Doors, The Byrds, The Electric Prunes oder auch 1966 The 13th Floor Elevators mit dem Album The Psychedelic Sounds of the 13th Floor Elevators.

Nicht vergessen darf man natürlich Steppenwolf mit ihrem Magic Carpet Ride auf LSD-getränkten Löschpapierfitzelchen und Jefferson Airplane mit dem Lied White Rabbit und seinen Verweisen auf den frühen Drogentrip Alice im Wunderland von Lewis Carroll von 1865. Auch Jimi Hendrix betrachtete LSD zeit seiner Karriere als Grundnahrungsmittel. Dank Freunden und Drogenförderern wie "LSD-Papst" Timothy Leary oder Allen Ginsberg experimentierten auch Jazzmusiker wie Miles Davis oder John Coltrane mit LSD.

Wolke Sieben und Horrortrip

Dass eine falsche Dosierung beziehungsweise die übertriebene Einnahme von LSD nicht nur zu psychotischen Trips führen kann, sondern auch dazu, dass man in Alices Wunderland oder – mit viel Glück – zumindest im filmischen Acid-Trip Barbarella von 1968 für immer hängenbleibt oder dort zugrunde geht, war bis zum Niedergang der LSD-Welle Anfang der 1970er-Jahre die andere Seite der Medaille. Syd Barrett von Pink Floyd ging mit Interstellar Overdrive ebenso ins lebenslange Paralleluniversum auf Wolke sieben wie Brian Wilson von den Beach Boys in eine jahrzehntelange existenzielle Horrorshow. Brian Jones von den Rolling Stones ertrank im Pool.

SydMorrison67

Nach der Hochzeit der kalten Droge Kokain in den 1980er-Jahren verzeichnete LSD schließlich auf den Techno-Raves der 1990er ein Comeback. Man hoffte tanzend auf glückliche Stunden jenseits der berühmten "Pforten der Wahrnehmung". Heute wird LSD in der Krebstherapie eingesetzt oder ist als Microdosing bei Leuten aus der Selbstoptimierungsszene beliebt: kreativ, wach, glücklich. Nicht alle Künstlerinnen können davon allerdings noch ein Lied singen. Man google nur den Song "LSD made a wreck out of me". (Christian Schachinger, 19.4.2023)