Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ist gerade dabei, sich außenpolitisch zu vergaloppieren – wieder einmal. Er tut dies, indem er zwei oder noch mehr Schuldige für den Ukrainekrieg sieht und sofortige Friedensverhandlungen fordert.

Einer der Gründe für diese Haltung mag im Antiamerikanismus (gemeint sind die USA) liegen, der bei Lula und vielen anderen südamerikanischen Linken tief verwurzelt ist und oft dazu führt, die wahren Bösewichte auszublenden.

Verkennt Luiz Inácio Lula da Silva (li.) die Rolle, die Wladimir Putin (re.) im Ukrainekrieg spielt?
Foto: Fotos: AP/Eraldo Peres, AFP/Sputnik/Mikhail Klimentyev

Nun mag angesichts der von Sabotage, Putschen und versteckten Invasionen gekennzeichneten Geschichte Lateinamerikas im vergangenen Jahrhundert – angeführt oftmals von den USA – eine gesunde Portion Skepsis gegenüber der Weltmacht Nummer eins verständlich und womöglich auch angebracht sein. Im augenscheinlichen Bestreben, den USA eins auszuwischen und gleichzeitig einen Sitz an einem multipolaren Tisch der Weltpolitik zu ergattern, setzt Lula aber Angreifer mit Angegriffenen gleich – uns das ist langfristig gefährlich.

Falsche Einschätzung der Lage

Wenn Lula sagt, die USA und die EU müssten aufhören, den Krieg zu fördern, und anfangen, über Frieden zu reden, dann verkennt er eines: Nicht die USA können über das Kriegsende entscheiden. Erst recht nicht die EU, ja nicht einmal der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Würde dieser in der aktuellen Situation, mit rund einem Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets unter russischer Besatzung, für ein Kriegsende plädieren, so würde ihn seine nationalstolze Bevölkerung trotz aller bisherigen Beliebtheit aus dem Amt jagen und durch jemanden ersetzen, der bereit ist, die Gebiete zurückzuerobern.

Sollte sich eine Kiewer Regierung bei den aktuellen Frontverläufen zu Konzessionen bereit zeigen, wäre zudem ein jahrelanger Partisanenkrieg ukrainischer Patrioten die Folge – so motiviert sind die Ukrainer, ihr Land zurückzuerobern.

Folglich gibt es nur eine Person, die das von Rechten und vielen überzeugten Linken so emsig geforderte Kriegsende aktuell verkünden könnte: Russlands Präsident Wladimir Putin. So wie der Kreml-Herrscher die Invasion alleine befohlen hat, so kann er sie auch wieder beenden. Es braucht nicht immer zwei zum Streiten. Bloß weil sich der Verteidiger als stärker und wehrhafter erweist, als anfangs fast alle glaubten, kann er nicht zur Beendigung seiner Abwehr gezwungen werden.

Nur vordergründig neutrale Vermittler

"Wir sind natürlich daran interessiert, dass der Ukraine-Konflikt so schnell wie möglich endet", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow diese Woche in Brasilien, das seine Importe aus Russland gegenüber 2020 verdreifacht hat.

Aufstrebende Nationen wie Brasilien und China geben sich aktuell als vermeintlich neutrale Vermittler. Doch alle haben sie Schlagseite Richtung Moskau. Der Anspruch, gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Art "Friedensklub" zu sein, ist nicht überzeugend.

Auf seinen Tourneen durch den Globalen Süden wird Lawrow jedenfalls weiter die Trommel gegen die USA rühren und versuchen, eine breite Allianz jener Staaten aufzustellen, die mehr vom globalpolitischen Kuchen haben wollen und dafür bereit sind, die russische Aggression zu tolerieren.

Es ist traurig, dass beim Versuch, sich weltpolitisch besserzustellen, ganze Länder gleichsam geopfert werden könnten – im Fall der Ukraine wäre es eines mit mehr als 43 Millionen Menschen. Egal wie stark oder aufstrebend sich manche Staaten derzeit auch fühlen mögen: Sie sollten das Verbot der Aggression gegenüber anderen Staaten verteidigen und hochhalten. Nur so können sie in Zukunft darauf pochen, dass ihnen weite Teile der internationalen Gemeinschaft beistehen, sollten sie einmal selbst von einem Aggressor angegriffen werden. (Fabian Sommavilla, 19.4.2023)