Mit aufgespannten Schirmen versuchten Rechtsextreme Medienleute abzudrängen. Man habe dagegen keine rechtliche Handhabe, sagte ein Polizeisprecher.

Foto: DER STANDARD

Wien – Am vergangenen Sonntag kam es bei einer Demonstration rund um eine Dragqueen-Lesung in Wien laut teilnehmenden Journalistinnen und Journalisten zu Behinderungen – nicht nur durch Demonstrantinnen und Demonstranten, sondern auch durch die Polizei. So sollen Polizeikräfte zumindest vier Journalistinnen und Journalisten, darunter Kolleginnen und Kollegen vom STANDARD, von Puls 24 sowie freie Journalistinnen und Journalisten, über einen längeren Zeitraum den Zugang zum großräumig abgesperrten Versammlungsort verwehrt haben, während Demonstrantinnen und Demonstranten ohne Einschränkungen durchgelassen wurden.

"Zuerst schickten uns Polizistinnen und Polizisten trotz unserer Presseausweise auf einen Spießrutenlauf von einem Tretgitter zum anderen, wo uns Beamte trotz anderslautender Informationen der Pressestelle nicht durchließen, dann wieder doch, dann wieder nicht. Neben uns konnten Teilnehmer der Demo dabei jedes Mal ohne weiteres passieren, während man uns stoppte", beschreibt Colette M. Schmidt vom STANDARD die Situation vor Ort.

Journalisten seien von der Exekutive mit Pfefferspray angegriffen worden, "ich dokumentierte, wie Polizisten Pfefferspray einsetzten, dabei schoss mir ein Beamter aus nächster Nähe Pfefferspray ins Gesicht. Ich war als Journalist erkennbar, weder von mir noch von den Menschen um mich ging Gefahr aus", sagt der freie Videojournalist und Fotograf Samuel Winter.

"Keine Einzelfälle"

In einer Aussendung verurteilen der Presseclub Concordia, die JournalistInnengewerkschaft und Reporter ohne Grenzen "diese Missstände als Angriffe auf die freie Berichterstattung aufs Schärfste". Die Vorfälle vom Sonntag seien keine Einzelfälle, "sie sind symptomatisch für ein strukturelles Problem, das seit längerer Zeit bei Demonstrationen zu beobachten ist. Es ist die Aufgabe der Polizei, Journalistinnen und Journalisten bei der Ausübung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu schützen und zu unterstützen", so die Journalistenorganisationen.

Die Vorkommnisse zeigten, dass es "nicht nur an rechtlichem Wissen mangelt, sondern auch am Bewusstsein für diese wichtige Aufgabe der Exekutive. Wir fordern deshalb die Verantwortlichen, insbesondere Innenminister und Landespolizeidirektor, dringend auf, die freie Berichterstattung konsequent zu schützen und dieses strukturelle Problem durch Schulungen, Bewusstseinsbildung, klare Einsatzvorgaben und Verbesserung der Planung und Organisation von Polizeieinsätzen im Zuge von Demonstrationen endlich zu lösen und damit auch der Empfehlung der EU-Kommission zur Gewährleistung des Schutzes und der Sicherheit von Medienschaffenden umfassend nachzukommen." (red, 20.4.2023)