Ein Duett von Drake (links) und The Weeknd wurde mit KI gefälscht. Für das Urheberrecht brechen schwierige Zeiten an.

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Mit Beethovens 10. Sinfonie hat es 2020 noch nicht so recht geklappt. Das mit einem KI-Programm zweihundert Jahre nach dem Tod des Komponisten fertiggestellte Werk wird nicht nur wegen der Pandemie selten bis gar nicht aufgeführt. So gut wie jeder Musikschaffende, der Noten lesen kann, bemängelt dessen Qualität. Dafür aber ist im Lande, wo Spotify, Youtube und Streaming meist gratis blühen, der Teufel los.

Gerade wurde von einem anonymen und dafür auf Tiktok gefeierten "Ghostwriter 977" mittels eines KI-Programms ein Fake-Duett der beiden Weltstars Drake und The Weeknd namens Heart on My Sleeve produziert – und flugs wieder aus dem Netz entfernt. Der täuschend echt an die Stimmen der Originalkünstler angelehnte Song sorgt allerdings für Panik in der Musikindustrie. Immerhin ist die finanzielle Verwertungskette in Gefahr.

Amüsiert und interessiert

Drakes Plattenfirma Universal hat dem globalen Streamingkaiser vor einem Jahr 400 Millionen US-Dollar gezahlt, damit er für den Mischkonzern weiterhin schöne Lieder singt und dessen Reichtum mehrt. Und auch Streamingdienste wie Spotify können langfristig kein finanzielles Interesse daran haben, wenn sie Songrechte für die Originale bezahlen und die Leute lieber die Fälschungen hören.

Musikmanager Hannes Eder war früher einmal Chef von Universal Austria. Er sieht heute als Inhaber der mit Kruder & Dorfmeister oder Felix Kramer gut sortierten Firma Phat Penguin eher amüsiert-interessiert auf die Problemzone künstliche Intelligenz, Urheberrecht und menschliche Gestaltungskraft.

Hannes Eder: "Wenn die KI-Programme in den 1990er-Jahren aufgekommen wären, hätten sie gegenüber den Originalkünstlern keine Chance gehabt. Während der letzten 15 Jahre wurde halt mit gelacktem R ’n’ B oder irgendwelchen Autotune- und Drogenrappern völlig inflationär eine austauschbare und belanglose Lulumusik produziert, die die Leute auch noch freiwillig hören. Insofern ist es für das Publikum wirklich egal, ob es nun die Fälschung oder das Original vorgesetzt bekommt." Hysterisch müsse man deswegen (noch) nicht werden.

Ein Fake von Drake

Bevor der Fake-Drake-Song von den Plattformen genommen wurde, erzielte er übrigens nicht gerade berauschende Streamingzahlen. Und bevor die chinesischen Roboter mit ihren Malen-nach-Zahlen-Programmen aus der Funktionsmusik für Fahrstühle, Skihütten und Großraumdiscos irgendwann mit sehr viel Vielleichts den Laden übernehmen, wird auch ein falsches Lied von Drake noch immer von einem Menschen zusammengeschraubt, sprich komponiert werden müssen.

"Konservenmusik" hat es laut Eder immer schon gegeben. Da sich große Acts wie die Beatles oder AC/DC jahrelang vehement dagegen stemmten, dass ihre Musik gestreamt wird, entstanden unzählige schlechte Coverversionen ihrer Lieder. Die wurden allesamt sofort entfernt, sobald die Originale im Netz abrufbar waren. Musikkonzerne halten schließlich Anteile an den Streamingplattformen. Und Geld wird wohl auch noch ein wenig weiterhin die Welt regieren.

Stillstand auf hohem Niveau

Insofern muss man sich um originäre Musik auch weiterhin keine Sorgen machen. Künstlerische Innovation entsteht immer noch vorrangig aus dem Regelbruch und der Missachtung der Norm. Da ist sich auch der als Bassist in einer Rockband geschulte Handwerker Hannes Eder sicher: "Ein Programm kennt keinen Regelbruch, sonst wäre es ja kein Programm. Leider wird halt bei jeder Erfindung der Menschheit immer auch kurz einmal die dümmste Variante ausprobiert." Eder meint damit nicht Björk oder PJ Harvey, sondern die Influencer-Musik.

Der Musikindustrie geht es laut dem kürzlich veröffentlichten "Global Music Report" übrigens glänzend. Während die Musiker und Musikerinnen pro eine Million Streams höchsten 3400 Dollar ausgeschüttet bekommen, machte die Branche im Jahr 2022 vor allem mit Streaming einen weltweiten Umsatz von 26,2 Milliarden US-Dollar. Das bedeutet eine Steigerung von neun Prozent gegenüber dem Jahr davor. Das bedeutet unter Berücksichtigung der Inflation – und 2022 einer fünfstelligen Kündigungswelle in der Musikbranche – einen Stillstand auf hohem Niveau.

Langsam aber, so hört man, wird sich die Musikindustrie schon demnächst ein wenig mit der Frage von KI und den Urheberrechten auseinandersetzen müssen. Eine "höchst unklare Angelegenheit", so Eder. (Christian Schachinger, 21.4.2023)