Huldigen als The Jazz-Bins dem Soul-Jazz (von links): Marc Ribot an der Gitarre, Greg Lewis an der Hammondorgel und Joe Dyson an den Drums.

Foto: Saudades

Auch politisch und in Sachen Musikerrechte hochaktiv: Marc Ribot.

Foto: EbruYildiz

Immer wieder stachelt Marc Ribot seine beiden jungen Mitmusiker an Hammondorgel und Drums zu frenetischen Passagen an. Der Bandleader und Gitarrist weiß aber auch bei seinem jüngsten, funkigem Soul-Jazz verpflichteten Projekt The Jazz-Bins genau, wann Sparsamkeit angesagt ist. Spannung entlädt sich beim Auftritt im norditalienischen Novara nicht nur, wenn sich das Trio zur Ekstase hochschraubt. Es gibt auch Applaus und Zwischenrufe für Orgeltöne in tiefen Registern, für lässige Grooves, über denen auf der Gitarre sparsam gesetzte Soul-Licks maximale Wirkung entfalten.

Von ähnlichen Wechselwirkungen zwischen Musik und Publikum erzählt Ribot vor dem Konzert im Gespräch, als er sich an den Chitlin’ Circuit, an seine Anfänge in den so titulierten kleinen Jazz- und R-'n'-B-Clubs der afroamerikanischen Bevölkerung erinnert. Bevor er mit seinem kantig-unberechenbaren Gitarrenspiel in den 1980er-Jahren zur Fixgröße der New Yorker Downtown-Szene und zum gefragten Sideman von Tom Waits bis John Zorn wurde, verdiente er sich im Chitlin’ Circuit seine ersten Sporen als Berufsmusiker: "Es gab dort ein Publikum, das mehr über Jazz wusste als jedes andere Publikum, das ich je gesehen hatte. Sie ließen dich wissen, wenn du etwas falsch machst – aber auch, wenn du die Dinge auf die Reihe bekommen hast."

"Böse Blicke"

Ribot wuchs in Newark, Jew Jersey, auf, damals "ein Zentrum des Hammondorgel-Jazz". Vier Monate lang spielte er 1979 mit Brother Jack McDuff, einem Großmeister der Hammond B-3, und kam mit diesem auch erstmals nach Europa. Bei McDuff war eine ganze Reihe legendärer Gitarristen in die Schule gegangen, darunter ein junger, schon damals virtuoser George Benson. Ribot erntete von McDuff indessen "böse Blicke, weil ich nicht klang wie Benson, wie er das wollte. Ich hätte es geliebt, wie George Benson zu klingen, aber das war nicht mein Schicksal." Die Liebe zum Hammondorgel-Jazz ist Ribot dennoch geblieben: "Ich hatte immer eine große Zuneigung zu dieser Musik – und zu Punkrock."

Marc Ribot - Official

Genregrenzen spielen für Ribot seit jeher keine Rolle: "Wonach ich suche, ist eine Geschichte intensiver musikalischer Erfahrung!" Deswegen plädiert er auch für eine Geschichte des Rock, die den Free Jazz eines Albert Ayler ebenso inkludiert wie den No-Wave-Pionier Arto Lindsay. In den Eingeweiden fühlbare Intensität zeichne auch das Hammondorgel-Spiel von Greg Lewis aus, mit dem aus dem ursprünglichen Spaßprojekt The Jazz-Bins erst richtig Ernst wurde. Am Sonntag treten Ribot und Lewis mit Drummer Joe Dyson im Greith-Haus in der Steiermark und am Montag im Porgy & Bess in Wien auf.

Zitate statt Authentizität

Und wie hält es der auch als Polit-Aktivist und in Sachen Musikerrechte hochaktive Ribot mit der Kritik an kultureller Aneignung? "Das ist ein valider Diskurs." Allerdings setze er in seiner Ästhetik auf Zitate, nicht auf Behauptungen von Authentizität. Schon mit seinem Kuba-Projekt Los Cubanos Postizos (The Prosthetic Cubans) sei es ihm gelungen, sich an "etwas anzunähern, das mich interessierte, ohne es als Eigentum zu beanspruchen". Angefangen beim Namen sei klar gewesen, dass hier etwas auf entscheidende Weise verändert wurde, dass "es ganz offensichtlich ein Hybrid" ist: "Als ich auf Spanisch sang, machte ich meinen Akzent noch schlechter, als er tatsächlich ist."

Ähnlich verhält es sich jetzt mit The Jazz-Bins, den selbsterklärten Jazz-Mistkübeln und ihrer Liebeserklärung an Soul-Jazz und Hard Bop: "Ich signalisiere eine Menge Unterschiede gegenüber dem Original, gleichzeitig hoffe ich, dass es keine 'ironische' Version ist. Wir lieben diese Musik, und ich bin froh, dass ich junge Musiker wie Greg Lewis und Joe Dyson nach Europa bringen kann, wo sie hoffentlich mit eigenen Projekten gebucht werden." Was ihn selbst betrifft, gibt sich Ribot nach wie vor nicht als Straight-ahead-Jazzgitarrist aus, selbst wenn er an das Genre anstreift: "Ich bleibe der Gitarrist, dem Jack McDuff böse Blicke zuwarf." (Karl Gedlicka, 22.4.2023)