Am Montag nur chillen? Nein, am besten jeden Tag ein bisschen.
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Wieder einmal ist ein Hype um ein virales Tiktok-Video entstanden: Der von der Karrierebloggerin Marisa Jo Mayes ins Leben gerufene "Bare Minimum Monday" (sprich: montags nur das Nötigste) ist eines dieser neuen Schlagworte für die Jobwelt. Die Tiktokerin schwört online auf "Slow Work", langsames Arbeiten, empfiehlt ihren hunderttausenden Followerinnen und Followerin gemäßigte, ruhige Arbeitsmoral, die zu mehr Erfolg führen soll.

Ganz und gar nicht der Weg, den die meisten Menschen mit einer Vollzeitarbeit gehen: Oft wird von Deadline zu Deadline gehetzt, sich körperlich verausgabt. Am besten auch noch Überstunden geschrieben, immer das Handy griffbereit für die nächste Aufgabe, die eintrudelt. Bis das kurze Wochenende kommt und am Sonntag die dunkle Wolke über dem Kopf schwebt: Es wartet eine neue lange Woche, noch einmal tausend Erledigungen.

Mit dem "Bare Minimum Monday" könnten Arbeitende wieder mit Freude in den Montag starten, erklärt Mayes in ihren Videos. Sogar eine Burnout-Prophylaxe könne der Faulenzermontag sein. Mayes spricht auch von ihrer eigenen Erfahrung mit dem krankhaften Ausgebranntsein in ihrer Zeit in einem Konzern. Aber ist der Montag wirklich der Grund für die depressiven Zustände überforderter Berufstätiger?

Der "Bare Minimum Monday" scheint zu zeigen, was jeder immer öfter üben sollte: mehr auf sich selbst zu hören.

Immerhin erreichten die Hashtags #BareMinimumMonday und #BareMinimumMondays zusammen mehr als vier Millionen Aufrufe auf Tiktok. Denkt man an die unzähligen "I Hate Mondays"-T-Shirts oder die verschiedenen Musikerinnen und Musiker, die den Montag negativ in Lieder verpacken ("Manic Monday" von The Bangles oder "Monday Mourning" von a-ha), versteht man: Das Thema polarisiert.

Entspannter Montag killt stressigen Sonntag

Nun bedeutet der "Bare Minimum Monday" also, am ersten Tag der Arbeitswoche nur das Allerwichtigste und -nötigste zu erledigen und die To-do-Liste stark einzuschränken. Etwa zwei Stunden sollten für die drängenden Aufgaben aufgewendet werden, diese reichen, um sich noch so zu fühlen, als habe man Montag etwas geschafft. Vor allem aber sollen die Ängstlichkeit und die Trübnis am Sonntag verfliegen. Wer kennt diese Gefühle nicht, die einen beim Sonntagsspaziergang oder beim Familienessen schon quälen: Ist alles für die neue Woche vorbereitet? Werde ich morgen von E-Mails erschlagen?

Eine Studie aus dem "Journal of Organizational Behaviour" aus dem Jahr 2019 zeigt sogar auf, dass die Erholung vom Wochenende am Montag meistens gleich wieder verflogen ist. Gefühlt ist auch die U-Bahn am Montag gefüllt mit traurigen Gesichtern, der Straßenverkehr etwas aggressiver. Der "Bare Minimum Monday" zielt also ein bisschen darauf ab, ein besserer Sonntag zu sein. Nach den erledigten Aufgaben sollte der Fokus auf Dinge gelegt werden, die einem selbst gut tun: kreative Projekte, Einkäufe, Entspannung, Sport oder Gespräche mit Freunden.

Meist eben Dinge, für die man sich sonst nicht genügend Zeit nimmt und die auch am Wochenende zu kurz kommen. Gleichzeitig sollen durch den Tag Gefühle entstehen, sich mit dem Allernötigsten immer noch produktiv und erfolgreich zu fühlen und sich auch für die kleinen Erledigungen selbst zu loben.

Nicht in jedem Job möglich

Schnell wird beim Durchklicken der Tipps für den "Bare Minimum Monday" aber klar, umsetzbar ist auch dieser Arbeitstipp nur für Menschen, die relativ flexibel arbeiten können, nicht immer ortsgebunden sind, und bei Schichtarbeit ist dieses Konzept sowieso nicht möglich. Während überforderte Managerinnen also von dem neuen Trend profitieren könnten, würden Lagerarbeitende vielleicht nur den Kopf schütteln, wenn sie die Tiktoks sehen.

Wann kommen die anderen Tage dran?

Die Idee, den Montag langsam anzugehen, überzeugt nicht alle. Eine Organisationspsychologin erklärt "Zeit Online", gerade montags sollte man To-dos strikt abarbeiten, um den Rest der Woche nicht gestresst zu sein. Frei nach dem Motto: Erst das Schwierige hinter sich bringen, dann locker weitermachen. In einer strengen, schnelllebigen Arbeitswelt ist es aber ohnehin sinnvoll, Prioritäten zu setzen und jeden Tag das Nein-Sagen zu üben. Und wer sonntags regelmäßig Panik vor der neuen Woche bekommt, sollte die eigene Arbeitssituation hinterfragen und sich gegebenenfalls professionelle Hilfe suchen.

Mehr Achtsamkeit, jeden Tag

Von der Arbeit abzuschalten sollte jedenfalls jeden Tag möglich sein. Um nicht am Wochenende schon Angst vor der neuen Arbeitswoche zu bekommen, kann auch der Freitag ein guter Helfer sein. Wer sich eine konkrete To-do-Liste für Montag schreibt und genau plant, was in der nächste Woche ansteht, geht auch mit einem besseren Gefühl in den darauffolgenden Montag. Auch Achtsamkeit zu üben sollte nicht nur auf einen Tag gelegt werden. Denn wer Freizeit mehr genießt, kann sich auch besser entspannen. Dazu zählt, in den freien Momenten, bei den Hobbys und sozialen Aktivitäten auch wirklich präsent zu sein.

Ein bisschen erinnert der "Bare Minimum Monday" auch an das Schlagwort, welches zuletzt in der Arbeitswelt große Wellen schlug: das "Quiet Quitting". Dabei machen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur montags, sondern jeden Tag nur das Notwendigste. Meistens kommt diese Einstellung davon, sich überfordert zu fühlen und das Gefühl zu haben, die harte Arbeit würde gar nicht wertgeschätzt werden.

Aber vielleicht ist der "Bare Minimum Monday" auch der nächste Streich von New Work, mit dem Firmen noch mehr Arbeitskräfte finden könnten. Gerade ist die Debatte aber noch stark auf die Viertagewoche konzentriert.

In vielen Ländern und Unternehmen laufen derzeit Pilotversuche mit reduzierter Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. In Zukunft könnten die beiden neuen Modelle sogar verknüpft werden – und zwar mit einer Arbeitswoche von Dienstag bis Freitag. Unter dieser Voraussetzung sollte der Montag auch gar nicht mehr so schlimm sein. (Melanie Raidl, 24.4.2023)