Joe Biden will wohl am Dienstag seine neue Kandidatur bekanntgeben. Ab dann tritt er statt als Präsident als Kandidat auf und damit in die politischen Niederungen hinab. Andererseits darf er dann Wahlspenden sammeln.

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Eigentlich war es eine Veranstaltung ganz nach dem Geschmack des Weißen Hauses. Die Sonne strahlte über dem Rose Garden, und das zarte Grün der Bäume unter einem makellos blauen Himmel garantierte schöne Fernsehbilder.

Doch als Joe Biden am Dienstag vor ausgewählten Gästen ans Mikrofon trat, um seine Initiative für bessere Kinderbetreuung und Pflege zu verkünden, wollte keine richtige Begeisterung aufkommen. Der Präsident – noch gezeichnet von den Strapazen seines Irland-Trips – nuschelte und verhaspelte sich in seiner Rede mehr als üblich. Einfühlsam schilderte er die Situation vieler Familien mit älteren Angehörigen: "Stellt euch vor, der Vater hat sein ganzes Leben in seinem Haus gelebt, aber er schafft das einfach nicht mehr. (...) Wer sagt ihm das?"

Es klang etwas schräg aus dem Mund eines 80-Jährigen, dessen verstorbener Vater heute 107 Jahre alt wäre.

Doch Joe Biden denkt nicht ans Aufhören. "Ich habe vor anzutreten", sagte er einem Reporter an Ostern. "Aber wir sind noch nicht so weit, das anzukündigen." Seit Monaten wird über den Termin für die De-facto-Entscheidung über den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten bei der nächsten Wahl 2024 spekuliert. Erst wollte sich Biden über Weihnachten mit seiner Familie beraten und anschließend die Entscheidung mitteilen. Dann war von Februar, später von April die Rede. Nun sind sich die Auguren bei "Washington Post" und "New York Times" einig: Am kommenden Dienstag – dem vierten Jahrestag von Bidens Einstieg in das Präsidentschaftsrennen für die Wahl 2020 – soll die erneute Bewerbung verkündet werden.

Keine Konkurrenz

Anders als bei den Republikanern, wo der derzeitige Favorit Donald Trump von mehreren innerparteilichen Konkurrenten herausgefordert wird, wäre für die Demokraten die Personalie damit klar. Mit der esoterischen Buchautorin Marianne Williamson und dem Anti-Impf-Aktivisten Robert F. Kennedy haben nur zwei ebenso randständige wie chancenlose Figuren ihre Bewerbung für den Kandidatenposten kundgetan. Dass ein prominenter Parteivertreter gegen den amtierenden Präsidenten antreten wird, gilt als extrem unwahrscheinlich.

Biden kann eine Reihe von Argumenten für sich ins Feld führen: Er hat den mutmaßlichen republikanischen Kontrahenten Donald Trump schon einmal geschlagen. Unter seiner Führung schnitten die Demokraten bei den Zwischenwahlen deutlich besser ab als erwartet. Er hat trotz schwieriger Mehrheitsverhältnisse im Kongress gesetzgeberisch bemerkenswert viel durchbekommen. Und am Arbeitsmarkt steigen Beschäftigtenzahlen und Löhne.

Bescheidene Werte

Auf der anderen Seite sind die Umfragewerte des Präsidenten konstant bescheiden. Mit nur leichten Abweichungen je nach Institut sind nur 42 Prozent der Amerikaner mit seiner Arbeit zufrieden, 52 Prozent jedoch nicht. Zwar fallen die Zustimmungsraten unter den Wählern der Demokraten deutlich besser aus: Dort liegen sie bei rund 80 Prozent. Doch die Euphorie für den Kandidaten bei jüngeren Unterstützern der Partei ist sehr gedämpft: Nur jeder Vierte unter 45-Jährige würde Biden definitiv seine Stimme geben.

Ein wesentlicher Grund dürfte das Alter des Kandidaten sein: Bei seiner Vereidigung wäre der schon jetzt älteste Präsident in der Geschichte der USA 82, am Ende einer möglichen zweiten Amtszeit 86 Jahre alt. Zwar bescheinigt ihm sein Leibarzt eine gute Gesundheit. Doch ein Stolperer auf einer Flugzeugtreppe und ein Sturz vom Fahrrad haben Zweifeln an seiner Fitness Nahrung gegeben. Auch wirkt Biden bei seinen Auftritten etwas steif. Seine Reden sind öfter tonlos. Er verspricht sich regelmäßig. Und seine Anekdoten wiederholen sich.

Blasse Parteikameraden

Ob solche Überlegungen eine Rolle in der langen Entscheidungsphase gespielt haben, ist nicht bekannt. Offenkundig scheint aber, dass sich derzeit keine überzeugende Alternative aufdrängt: Vizepräsidentin Kamala Harris hat es in den ersten zwei Jahren ihrer Amtszeit nicht geschafft, mit einem einzigen Thema in Verbindung gebracht zu werden. Verkehrsminister Pete Buttigieg scheint den öffentlichen Auftritt und die Selbstdarstellung besser zu beherrschen als seinen Job. Und der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom bleibt bundespolitisch blass.

Je später Biden seine offizielle Bewerbung bekanntgibt, desto länger kann er versuchen, sich aus den vergifteten politischen Grabenkämpfen herauszuhalten und mit seiner präsidialen Bilanz zu punkten. Andererseits darf er so lange auch keine Spenden für seine Kampagne einwerben. Das könnte zum Problem werden. "Das Geld steht im Zentrum der Zeitplanung", schreibt die "New York Times".

Tatsächlich will sich Biden nach übereinstimmenden Medienberichten am Dienstag in einer Videobotschaft den amerikanischen Wählern erklären. Für Freitag und Samstag ist laut "Washington Post" dann in der amerikanischen Hauptstadt ein Treffen mit 50 bis 100 hochrangigen Sympathisanten der Demokraten geplant. Dort will Biden um politische Unterstützung werben – und um Geld. (Karl Doemens aus Washington, 21.4.2023)