Die Reisezugwagen der ÖBB für den Fernverkehr werden in den nächsten Monaten und Jahren ausgemustert und durch Railjets und neue Fernverkehrszüge ersetzt. Auch neue Schnellbahngarnituren sind im Anrollen.

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Die guten Nachrichten zuerst: Der ÖBB-Personenverkehr steuert heuer auf einen neuen Fahrgastrekord zu. "2023, dem 100. Jahr unseres Bestehens, erwarten wir über 480 Millionen Fahrgäste", sagte ÖBB-Holding-Chef Andreas Matthä am Freitag bei Vorlage der Bilanz für das Jahr 2022.

Der letzte Höchststand liegt fast vier Jahre zurück, er wurde mit 477 Millionen Passagieren im Vor-Corona-Jahr 2019 eingefahren. Dann kam der große Einbruch auf 286 Millionen Fahrgäste. Im Vorjahr holte man dank des Klimatickets und der damit einhergehenden teils massiven Tarifsenkungen wieder auf 323 Millionen auf. Die tragende Säule freilich, der vom Staat finanzierte Nah- und Regionalverkehr schwächelt noch immer (siehe Grafik).

Zu Spitzenzeiten wie Ostern oder Weihnachten wird es auch in neuen, zusätzlichen Schnellzügen nicht ausreichend Sitzplätze geben. Da hilft nur eine Reservierung oder ein anderer Reisetermin.
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Billiger wird es in Zukunft mit Sicherheit nicht. Diesen Ausblick gab der scheidende Finanzvorstand der ÖBB-Holding, Arnold Schiefer, in der Bilanzpressekonferenz am Freitag. Denn die Zinskosten steigen – nicht nur für den Bahnausbau, den der Staat über die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur finanziert. Zins- und Annuitätenbelastungen schießt zwar der Staat über jährliche Zuschüsse in die ÖBB ein, bei den Milliarden, die hier bewegt werden, geht das aber rasch in mehrstellige Millionenbeträge.

Zinsen und Teuerung

Deutlich teurer werden insbesondere der Bau, der Strom (die Bahn produziert selbst ja nur rund 40 Prozent der für der Schiene notwendigen Traktionsenergie, der Rest wird zugekauft) und natürlich die kreditfinanzierte Anschaffung von Schienenfahrzeugen und Rollmaterial. In der Pipeline sind in den nächsten Jahren Triebfahrzeuge, Züge und Wagen im Volumen von 4,7 Milliarden Euro, der Bau von Kraftwerken und Stromnetzen kommt extra drauf. Die Inflation mit höheren Löhnen und Preisen nicht nur für Energie und Treibstoff ist auch in der ÖBB angekommen.

Wenig überraschend ist vor diesem Hintergrund, dass die ÖBB-Führung ihre Eigentümervertreter im Verkehrsministerium auf zusätzlichen Zuschuss- beziehungsweise Finanzierungsbedarf einstimmte. "Diese Summen kann man nicht einsparen im operativen Geschäft, da wird auf der Ertragsseite etwas zu tun sein", stellte Schiefer klar.

Stimmten die Eigentümervertreter auf höheren Zuschussbedarf ein: ÖBB-Chef Andreas Matthä und der scheidende Finanzvorstand Arnold Schiefer.
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Da Fahrkartenpreiserhöhungen in Zeiten hoher Inflation maximal unpopulär sind, wird auf dieser Seite nicht viel zu holen sein. Dabei sind bei den Markterlösen, die der Ex-Monopolist ÖBB-Personenverkehr erwirtschaftete, trotz Fahrgastrekords ohnehin keine großen Steigerungen zu erwarten. Zwar erwartet die ÖBB für das Klimaticket Kompensationszahlungen aus dem Verkehrsministerium in Höhe von rund 94 Millionen Euro, im Gegenzug fielen aber Erlöse aus Einzelfahrscheinen, der Ermäßigungskarte Vorteilscard und dem bahneigenen Jahresabonnement Österreichcard weg. Darüber hinaus fehlt es auch Erlösen aus Wochen-, Monats- und Jahreskarten (über die Verkehrsverbünde) sowie der Sparschiene.

Einnahmenerosion

Wie genau sich die Erlöse im Personenverkehr zusammensetzen und verändert haben, bleibt ebenso ein Geheimnis wie die Zahl der Bahnkunden mit Klimaticket – obwohl die Jahreskarte bei jeder Fahrt erfasst wird. Die ÖBB kennt so zwar nicht die zurückgelegten Kilometer pro Fahrgast, aber die Zahl der Reisenden. Selbst das unterliegt in Österreich nicht dem Transparenzgebot eines Staatsbetriebs.

Der Rückgang der öffentlichen Finanzierungen für den ÖBB-Personenverkehr von 1,475 auf 1,310 Milliarden Euro, dessen sich ÖBB-Führung rühmte, ist somit relativ. Denn die Abgeltung der Zug- und Busfahrten der Klimaticket-Nutzer durch das Verkehrsministerium ist nicht in den Zahlungen des Bundes inkludiert. Die Reduktion der Zuschüsse um 165 Millionen Euro schrumpft dadurch rechnerisch auf rund 65 Millionen. Das sieht die ÖBB naturgemäß nicht so, sie verweist auf Leistungsausweitungen trotz gekürzter Zuschüsse im Personenverkehr.

In dem für Bau und Betrieb zuständigen Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur ist ebenfalls keine Senkung der Zuschüsse zu erkennen, sie stiegen um knapp 93 Millionen auf 2,063 Milliarden Euro – obwohl für Instandhaltung des Bestandsnetzes um 182 Millionen Euro weniger ausgegeben wurden.

Höhere Preise, mehr Umsatz

Bleibt der ÖBB-Güterverkehr Rail Cargo Austria (RCA), der aus der Sektorförderung 110 Millionen Euro lukrierte (nach 107 Millionen Euro im Vorjahr). Zur Steigerung trug laut Aufstellung der ÖBB freilich das Ausland bei. Denn das notorische Problemkind, die Ungarn-Tochter Rail Cargo Hungaria, bekommt neuerdings vom ungarischen Staat eine Förderung des Einzelwagenverkehrs, wie er sonst bei keiner Bahn in Europa mehr durchgeführt wird, weil unrentabel und enorm aufwendig, weil es des Verschubs und der Zugbildung bedarf, wenn Wagen mit unterschiedlicher Fracht zu einem Zug zusammengespannt werden. 14 Millionen Euro bekam die RCA-Gruppe aus Ungarn, was zum schmalen Vorsteuergewinn von sieben Millionen Euro wohl ebenso beigetragen hat wie die Preiserhöhungen, die RCA aufgrund der hohen Kosten für Traktionsenergie durchgeführt hat. Da weniger Fracht transportiert wurde, ist auch klar, warum die Förderungen für Rollende Landstraße, Kombi- und Einzelwagenverkehr sanken.

Was die von der Rail Cargo Austria erhofften Zuschüsse zur Linderung der enormen hohen Stromkosten betrifft, sieht es übrigens düster aus. Für die im Budget eingestellten mehr als 60 Millionen Euro an Stromkostenzuschuss gibt es bis dato keine Freigabe aus Brüssel. Nun dürfte sich die RCA mit rund 20 Millionen Euro aus einer neuerlichen Senkung der Schienenmaut begnügen müssen.

Schulden jenseits der 30 Milliarden

Eine Premiere lieferte die ÖBB-Infrastruktur: Sie rutschte trotz staatlicher Finanzierung erstmals mit 16 Millionen Euro ins Minus. Dazu trug das negative Finanzergebnis bei, Spuren dürften aber auch Mindereinnahmen beim Schieneninfrastrukturbenützungsentgelt (Schienenmaut) und die hohen Strompreise hinterlassen haben.

Die Verbindlichkeiten des Gesamtkonzerns belaufen sich auf 33,3 Milliarden Euro, davon 30,3 entfallen auf den schuldenfinanzierten Bahnausbau.

Dass sich vor diesem Hintergrund im Jahr 2023 ein Ergebnis vor Steuern in Höhe von 193 Millionen Euro eher nicht wiederholen lassen wird, sollte nicht verwundern. (Luise Ungerboeck, 21.4.2023)