Die Salzburg-Wahl zeigt: Die politische Mitte, das sind immer noch die ÖVP und die SPÖ, hat versagt.

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Die Spitzenkandidatin der FPÖ in Salzburg, Marlene Svazek.

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Das Wahlergebnis in Salzburg ist einigermaßen skurril und stellt die politische Welt nicht nur in diesem Bundesland auf den Kopf. Links und Rechts legen kräftig zu, die politische Mitte sackt in sich zusammen. Die rund 26 Prozent für die FPÖ unter Marlene Svazek sind mehr als ein Achtungserfolg, hier greift eine Partei nach der Macht, die ihr alle anderen Parteien verwehren wollen – aus guten Gründen. Die Vorstellung, dass die FPÖ auch auf Bundesebene den ersten Platz einfährt, wird damit noch ein wenig plastischer. Was sich in den Umfragen abzeichnet, will ja kaum jemand wahrhaben: dass ein politischer Radikalinski wie Herbert Kickl tatsächlich den Anspruch auf das Kanzleramt stellt und dass er dies möglicherweise mit einem Wahlergebnis tut, das ihm alles Recht dazu gibt. Was noch nicht heißt, dass der Bundespräsident dem auch nachkommen muss.

Mit dem Wahlerfolg in Salzburg untermauern die Freiheitlichen ihren Anspruch, vom politischen Establishment ernst genommen zu werden. Sie könnten damit die tonangebende Kraft werden – und das macht vielen Menschen Angst. Die Freiheitlichen haben aus ihrer Fremdenfeindlichkeit und ihrer rassistischen Grundhaltung, die letztendlich eine Menschenfeindlichkeit ist, nie ein Hehl gemacht. Die Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie, die freiheitliche Funktionäre immer wieder vermittelt haben, sollte eine Regierungsverantwortung eigentlich ausschließen. Aber wer entscheidet darüber? Letztendlich sind es die Wählerinnen und Wähler. Aber welche? Diejenigen, die der FPÖ ihre Stimme geben, oder alle anderen, die die FPÖ ablehnen und fürchten?

Keine Orientierungshilfe

Die politische Mitte, das sind immer noch die ÖVP und die SPÖ, hat versagt. Die SPÖ war zuletzt nur mit sich selbst beschäftigt und nicht in der Lage, inhaltliche Ansagen oder Abgrenzungen vorzunehmen. Der Streit um die Parteiführung brachte zwar auch eine Mobilisierung mit sich, aber noch keine Orientierungshilfe. Die ÖVP ebnet auf ihrer Suche nach einem Weg, die Menschen wieder anzusprechen, der FPÖ den Weg, indem sie diese imitiert. Sebastian Kurz ist es mit seinem emotionsgeladenen Populismus gelungen, der FPÖ das Wasser abzugraben, Karl Nehammer bietet aber nur einen schwachen Abklatsch. Und in Salzburg blieb Wilfried Haslauer ein glanzloser Landeshauptmann, der auf 30 Prozent reduziert wurde.

Die Ermittlungen gegen freiheitliche Politiker werden kaum noch wahrgenommen. Die Ermittlungen gegen Politiker im Kern und Umfeld der ÖVP hingegen haben das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen nachhaltig beschädigt. Da leidet die Politik darunter, das trifft aber auch die Medien. Ihr seid alle käuflich, lautet der Vorwurf.

Diesem Vorwurf hat die politische Mitte nichts entgegenzusetzen gehabt – und sich auch nicht nachhaltig darum bemüht. Die ÖVP hat versucht, die Vorwürfe zu überspielen, anstatt sich damit auseinanderzusetzen. Die Volkspartei hätte sich neu erfinden und definieren müssen. Stattdessen wurde ein bisschen Kosmetik betrieben.

Auch auf gesetzlicher Ebene ist viel zu wenig passiert, was die Ernsthaftigkeit der politischen Anstrengungen unterstrichen hätte. Es gibt keinen unabhängigen Bundesstaatsanwalt, es gibt kein Informationsfreiheitsgesetz. Dafür geht das Gesundheitssystem den Bach runter, so stellt es sich zumindest in der Öffentlichkeit da, aber der Kanzler veranstaltet einen Autogipfel. Mit dieser Unbeholfenheit gewinnt man keine politische Auseinandersetzung. (Michael Völker, 23.4.2023)