Wer Kinder hat, der fängt plötzlich noch stärker an, über die eigene Lebenszeit hinauszudenken. Dem wird noch stärker klar: Die Welt befindet sich in keinem guten Zustand. Meine Kinder werden die Folgen der Klimakrise noch deutlicher spüren, mit ihnen leben müssen. Irgendwann fangen diese Kinder auch an, Fragen zu stellen. Im Urlaub etwa könnten sie Brände sehen oder erleben, dass es in manchen Regionen nicht mehr genug Trinkwasser gibt. Sie wollen wissen: Wieso gibt es denn dieses Jahr schon wieder so wenig Schnee? Warum machen Autos so viele Abgase?

Wie Erwachsene mit Kindern über die Klimakrise sprechen können, ohne ihnen dabei Angst zu machen, haben wir zwei Expertinnen gefragt. Die Psychologin Anna Pribil berät zu Umweltthemen und ist bei den Psychologists for Future engagiert. Katharina Horvat ist Klimapädagogin gibt Kurse für Kinder und Jugendliche. Sie erklären, wie es gelingen kann, Kindern das komplexe Thema nahezubringen, ohne sie jedoch zu überfordern – nach dem Motto "Dem Planeten geht es nicht so gut, mein Kind".

  • Auf die Fragen eingehen

Wenn Erwachsene auf die Fragen der Kinder eingehen, können sie eigentlich nichts falsch machen, sagt die Psychologin Anna Pribil: "Dann ist das Interesse da, insofern kann man davon ausgehen, dass man ihnen mit sachlichen Erklärungen nicht zu viel zumutet." Besser, als vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen und die ganze Problematik darzulegen, sei es, eine konkrete Frage zu beantworten. "Vielleicht ist für das Kind die Frage dann geklärt, und es wendet sich wieder etwas anderem zu. Oder es kommen noch andere Fragen oder Nachfragen auf."

Von dem Wissen der Kinder auszugehen sei ebenfalls eine gute Strategie. In Workshops, die sie in Schulen hält, sammelt Pribil zunächst, was die Schülerinnen und Schüler bereits über das Thema gehört haben. Ist ihnen etwa das Wort Klimawandel bekannt? Was verstehen sie darunter? "Da kommt oft ganz viel von den Kindern." Dieses Wissen – und die Fragen, die sich noch stellen – könne man dann gut für die Diskussion nutzen.

  • Die richtigen Worte wählen

Die Psychologin empfiehlt, einfache Worte zu wählen, zugleich aber nicht zu stark zu simplifizieren. Denn Kinder verstünden bereits mehr, als man ihnen manches Mal zutraut. "Man kann schon kleinen Kindern vieles erklären. Zum Beispiel kann man ihnen sagen: Wenn das Auto Abgase ausstößt, legt sich ein Schleier über die Erde wie eine Decke. Die Sonnenstrahlen kommen schon noch hinein, aber nicht mehr so leicht hinaus." Bei größeren könne man mehr ins Detail gehen und Zusammenhänge erklären. Was für das jeweilige Kind passt und altersgemäß ist, können Eltern selbst am besten einschätzen, ist Pribil überzeugt.

"Es erstaunt mich immer wieder, wie offen man mit Kindern reden kann und wie nüchtern und pragmatisch sie an manche Themen herangehen", sagt auch die Klimapädagogin Elisabeth Horvat. Sie hält im Rahmen des Programms KlimAlps Kurse für Schulklassen, in denen sie beispielsweise die Themen Lebensmittelerzeugung, Verkehr, Heizen oder Upcycling vermittelt.

Wenn Kinder Fragen stellen, bedeutet das, dass ihnen die Antwort auch zumutbar ist.
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  • Sachlich bleiben

Im Gespräch sei es besser, sachlich zu bleiben, um den Kindern keine Angst einzuflößen. "Wir sollen als Erwachsene für Kinder der Fels in der Brandung sein und unseren Kindern ein Gefühl von Sicherheit vermitteln", sagt Psychologin Pribil. Merken Eltern, dass sie das Thema gerade selbst sehr belastet, sei es womöglich besser, ausführliche Gespräche zu einem anderen Zeitpunkt zu führen.

Außerdem wichtig: "Kindern nie das Gefühl zu vermitteln, dass die Klimakrise ihre Verantwortung ist. Es muss immer ganz klar sein, dass es die Verantwortung von Erwachsenen ist, dieses Problem zu lösen."

Empfehlenswert sei außerdem, Lösungen aufzuzeigen oder sich je nach Alter auch gemeinsam mit Kindern Lösungen zu überlegen. Wie könnte eine schöne Welt aussehen, in der alle ein gutes Leben führen können? Kinder seien dabei sehr kreativ und engagiert.

Die Expertin empfiehlt auch Wissenssendungen, um den Kindern den Klimawandel näherzubringen – etwa die "Sendung mit der Maus", das Kinderradio Kiraka oder "Logo! – Kindernachrichten". Außerdem gibt es mehrere Kinderbücher, die sich dem Thema widmen (siehe Literaturtipps im Infokasten).

  • Von klein auf beginnen

"Schon bei ganz kleinen Kindern kann man ein Bewusstsein für Natur und Umwelt schaffen", sagt Pribil. Bereits kleine Babys würden vom Kinderwagen aus gerne Blätter im Baum betrachten. Kleinkinder seien oft ganz fasziniert von Käfern und Schecken. Sie verstünden mitunter auch schon Komplexeres, etwa dass Wasser wertvoll ist und man nicht unendlich viel davon im Klo herunterspülen sollte. Dass Kinder Begriffe wie "Klima" oder "Klimawandel" kennen, sei dabei nicht entscheidend. Ebenso wenig ausschweifende Erklärungen. "Man muss gar nicht immer das große Aufklärungsgespräch führen, es geht mehr um eine Haltung."

Das sagt auch die Pädagogin Katharina Horvat: "Kinder bekommen bereits sehr viel mit über das tägliche Sehen und die ständige Wiederholung. Bei kleinen Kindern muss man nicht alles benennen und erklären, sondern kann es auch einfach vorleben." Das Hinterfragen komme später, und dann könnten sich Eltern den Fragen stellen.

Veronika Rivera hat Naturschutz und Landschaftsplanung studiert und postet in ihrem Blog und auf Instagram über Elternschaft in Zeiten der Klimakrise.
  • Altersgerecht erklären

Mit Kindern im Kindergarten- und frühen Grundschulalter könne man bereits über den Unterschied von Wetter und Klima und über die Konsequenzen von Handlungen sprechen, schreibt Veronika Rivera. Die Journalistin, die Naturschutz und Landschaftsplanung studiert hat, bloggt zur Klimakommunikation mit Kindern und hat auch ein Handbuch zu dem Thema geschrieben.

Mit zehn, elf und 13 Jahren dürften Gespräche über die Klimakrise ins Detail gehen. Jetzt könnten sich Gespräche um die Physik und Chemie der Klimaerwärmung und die technischen Lösungen drehen. Was sind die Zusammenhänge, welche Versäumnisse sind in der Vergangenheit passiert, und warum hakt es bei den Lösungen? Welchen Einfluss haben Lobbys, und warum ist der Kapitalismus die Wurzel der Klimaprobleme?

"Es sind Gespräche, in die wir als Eltern reinwachsen, uns fortbilden müssen. Niemand ist als Klimaexpert:in geboren." Wer die Antwort auf eine Frage nicht parat hat, könne sie gemeinsam mit dem Kind recherchieren.

Rivera betont auch: Kinder sollten nicht mit ungefilterten Informationen konfrontiert werden, die sie noch nicht einordnen können. In ihrer Anwesenheit sollte man also womöglich Katastrophennachrichten oder die Gespräche darüber eher meiden. Kommt einem Kind dennoch etwas zu Ohren, was es überfordert, solle man mit ihm über das Gehörte sprechen.

  • Zeit in der Natur verbringen

"Man liebt nur, was man kennt, und man schützt nur, was man liebt", sagte der bekannte Verhaltensforscher Konrad Lorenz. Das gelte auch für Kinder und die Umwelt, meint Psychologin Pribil: "Es ist ganz wichtig, dass Kinder eine Verbindung zur Natur haben. Nur dann haben sie nämlich auch die Motivation, sie zu schützen."

Familien sollten viel rausgehen, die Natur kennenlernen. Kinder seien sehr begeisterungsfähig, zeige man ihnen einen Baum, ein Blatt oder einen Zapfen, seien sie sofort interessiert. Auch in der Stadt seien solche Naturerlebnisse möglich. "Man muss nicht jedes Wochenende in den Wald fahren, sondern kann auch in einen Park gehen."

Ab in die Natur: Wenn Kinder einen Bezug zur Natur haben, wollen sie sie auch schützen, sagen Expertinnen.
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  • Lernen im Alltag

Ein Thema für Kinder greifbar zu machen gelinge am besten im Alltag, sagt die Pädagogin Katharina Horvat. Beim Einkaufen oder Kochen lasse sich zum Beispiel über die Herkunft von Lebensmitteln sprechen. Indem sie etwa selbst Gemüse anbauen können, merken sie, dass zu Weihnachten Erdbeeren eben nicht wachsen. "So gelingt ein Hinführen an komplexe Themen wie Saisonalität oder Regionalität." Es schaffe auch Wertschätzung für Lebensmittel.

Beim Weg in den Kindergarten oder in die Schule könne man seinen Kindern erklären, wieso man den Weg mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurücklegt, sagt Psychologin Pribil. Oder man erzählt ihnen beim Müllwegbringen mehr darüber, wo der Müll hinkommt oder wieso es wichtig ist, ihn zu trennen oder gar nicht erst so viel entstehen zu lassen. "Man kann dabei auch sehr gut Themen wie Plastik und verschmutzte Meere aufgreifen oder bewussteren Konsum."

  • Klimaschutz als etwas Lustvolles

Außerdem ratsam sei, den Kindern die schönen Seiten am Klimaschutz schmackhaft zu machen. Dass es beispielsweise viel toller und lustiger sein kann, mit dem Fahrrad oder dem Bus in die Schule zu fahren. "Wir müssen wegkommen von der Schwarzmalerei und hin zum Positiven", sagt Horvat.

Gute Gewohnheiten würden bei Kindern hängen bleiben, im Idealfall ein Leben lang. Sie würden zu einer Art Automatismus, vergleichbar damit, beim Radfahren einen Helm zu tragen, was in früheren Generationen noch keine Selbstverständlichkeit gewesen sei. "Jetzt denken Kinder gar nicht mehr darüber nach, dass es wichtig ist, einen Helm zu tragen." So könne das auch beim Klimaschutz sein.

Manchmal gehe es auch darum, umweltbewusstem Verhalten ein neues Image zu verpassen. Auf Kindergeburtstagen könnten etwa "pre-loved" Spielzeuge zur Normalität werden, sagt Pribil. Durch die Bezeichnung "pre-loved" ist das Spielzeug dann nicht einfach ein altes, sondern eines, mit dem schon ein anderes Kind gerne gespielt hat.

  • Vorbild sein

Kinder schauen natürlich auch auf das, was Erwachsene tun. "Vorbild zu sein ist ganz wichtig", sagt Pribil. Wenn Mama und Papa achtsam konsumieren, sparsam mit Wasser umgehen oder konsequent Müll trennen, ist das für Kinder der beste Motivator. Aber auch andere Bezugspersonen sind wichtig, wie der Lehrer oder die Trainerin im Fußballverein.

Der gute Rat: für sich als Eltern zu klären, wie man zu gewissen Themen steht – bevor man mit den Kindern darüber spricht. Das bedeutet zugleich aber nicht, dass Eltern immer streng zu sich selbst sein müssen. "Kinder verstehen auch, dass es im Leben Regeln gibt, aber immer wieder auch Ausnahmen – weil nicht alles immer perfekt sein muss." Zum Beispiel: Man versucht als Familie, vegetarisch zu leben, isst aber zu besonderen Anlässen dennoch Fleisch. Dann könne man Kindern gut erklären, dass man es vermeiden will – wenn aber doch Fleisch auf den Teller kommt, man darauf achtet, dass die Tiere vorher gut gelebt haben.

Klimastreik in Dortmund: Sich einzusetzen hilft gegen die Klimaangst – auch Kindern.
Foto: imago images/Friedrich Stark
  • Aktiv werden hilft gegen die Angst

Aber was, wenn sich Kinder zu sehr sorgen und ihnen die Klimakrise Angst macht? Auch ihnen helfe es, aktiv zu werden, was in der Psychologie unter "Selbstwirksamkeit" firmiert. Eine Familie könne sich auch gemeinsam überlegen, was man tun, wo man etwas verändern kann, empfiehlt Pribil. Wollen wir jede Woche einmal ein vegetarisches Gericht zusammen kochen? In den Urlaub mit der Bahn fahren? Weniger neu kaufen und mehr wiederverwenden? "Auch wenn man als Familie nicht die Welt retten kann, hilft es Kindern, etwas zu tun."

An Demonstrationen teilzunehmen – etwa denen von Fridays for Future – gebe vielen Kindern ebenfalls ein gutes Gefühl. "Es beruhigt sie, wenn sie sehen, dass sich viele Menschen für den Klimaschutz einsetzen", sagt Pribil. So sieht das auch Veronika Rivera: "Wenn auch dein Kind besorgt ist und Angst hat, dann erinnere es daran, wie viele Menschen sich täglich dafür einsetzen, dass die Erwärmung gestoppt wird."

In Ihrem Buch sagt sie etwas ganz Grundsätzliches: "Klimakommunikation muss Kindern nicht die unbeschwerte Kindheit rauben, sondern kann – ganz im Gegenteil – ein wichtiger Punkt in der Vermittlung von Normen und Werten sein." (Lisa Breit, 28.4.2023)