Im Gastblog zeigt Rechtsanwalt Karl Newole, wie der Staat für Verfahrenskosten haftet – und welche Faktoren dabei zu beachten sind.

Kennen Sie das: Sie müssen sich mit einem störenden und rechtswidrigen Zustand herumschlagen, obwohl es eigentlich Aufgabe der Behörden wäre, Abhilfe zu schaffen und sauber zu arbeiten?

Drei Fallkonstellationen zur Illustration

Am Nachbargrundstück verletzt ein Betrieb wiederholt behördliche Auflagen zur Lärmvermeidung. Es könnte auch ein Airbnb-Studio in einem Haus in einer Schutzzone in Wien sein.

Oder Sie sehen sich aus heiterem Himmel einem Behördenverfahren ausgesetzt. Kürzlich in unserer Kanzlei: Eine Eigentümerin eines Biobauernhofs dreht unter Einsatz einer Drohne einen Werbefilm. Eine Anzeige des örtlichen und mit den Behörden gut vernetzten Hotelbetreibers setzt ein Verfahren nach dem Luftfahrtgesetz in Gang, mit dem sich die Biohofbesitzerin monatelang herumschlagen muss, bevor es sich als völlig haltlos entpuppt und eingestellt wird.

Oder drittens, Sie sind regulär Partei eines Verwaltungsverfahrens, etwa nach der Bauordnung oder dem Gewerberecht, und sehen sich mit abweisenden und untätigen Beamten und Amtssachverständigen konfrontiert.

Schaden durch staatliches Handeln

Allen Fällen ist gemeinsam, dass ein Schaden auch durch staatliches Handeln oder Unterlassen entstehen kann. Dabei ist "staatliches Handeln" vielschichtig zu verstehen. Es umfasst nicht nur das Handeln des Bundes, der Länder und der Gemeinden, sondern erstreckt sich auch etwa auf Kammern oder Sozialversicherungsträger. Sofern ein Schaden an Vermögen oder Personen durch sogenanntes hoheitliches Handeln der Organe dieser "Rechtsträger" entsteht, gilt das Sonderschadenersatzrecht des Amtshaftungsgesetzes, kurz AHG. Voraussetzung einer Haftung ist naturgemäß ferner, dass ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vorliegt, wobei Fahrlässigkeit ausreicht.

Ist das Handeln des Staates ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten, so kann dieser zur Haftung verpflichtet werden.
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Dabei ist das Konzept einer Haftung des Staates für das "Betriebsrisiko" der Gerichte und Verwaltungsbehörden seinen Bürgern und Bürgerinnen gegenüber rechtstheoretisch durchaus bemerkenswert. Dementsprechend lange war auch der Weg seiner gesetzlichen Ausgestaltung. Im Jahr 1867, dem Jahr der österreichischen staatsrechtlichen "Zeitenwende", wurden mit der "Dezemberverfassung" und dem Staatsgrundgesetz bedeutsame Grundsteine gelegt, die in der Ersten Republik weiter ausgeformt und 1948 mehr oder weniger vollendet wurden (illustrativ dazu: Paar, Grundzüge des Amtshaftungsrechts, 2010).

Ersatzansprüche stellen

In den eingangs erwähnten Fällen können für die Betroffenen erhebliche Kosten entstehen, insbesondere Rechtsvertretungskosten für Eingaben, Säumnisbeschwerden, Anzeigen, Rechtsmittel, Teilnahme an Behördenterminen oder Kosten für Privatgutachten von Sachverständigen, um unrichtige Behördenannahmen auszuhebeln, etwa Lärmgutachten. Nachdem in aller Regel Verwaltungsverfahren keinen Kostenersatzanspruch vorsehen, erst recht nicht für Dritte, die nicht unmittelbar Verfahrenspartei sind, bleiben sie auch regelmäßig "auf ihren Kosten sitzen".

Hier kommt aber unter Umständen das AHG als letzter Ausweg zu Hilfe. Liegt ein sogenanntes unvertretbares Verhalten der Behörde vor, hat sie also willkürlich oder unsachlich gehandelt, ist ein Ersatz des verursachten Kostenschadens denkbar. Beispiele aus der Praxis, in den entsprechende Fragen beurteilt wurden, betrafen etwa Kosten in einem rechtswidrigen Vergabeverfahren (3 Ob 30/19m), Anwaltskosten, die aufgewendet wurden, um eine drohende Verwaltungsstrafe abzuwenden (1Ob231/16a), Aufwand, auch für Sachverständige, im Zusammenhang mit einer Bausache (1Ob200/13p) oder Vertretungsaufwand im Zuge eines landwirtschaftlichen Entschädigungsverfahrens (1Ob87/08p). In den erwähnten Eingangsfällen können Ersatzansprüche Kosten umfassen, die für die Herstellung eines rechtmäßigen Zustands erforderlich waren, zum Beispiel um den Lärm des Nachbarn abzustellen, oder Kosten für Rechtmittel. Auch der Ersatz von Kosten eines Verfahrens vor dem Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof, die über die pauschalierten Ersatzbeträge hinausgehen, die man im Obsiegensfall vor diesen Gerichtshöfen erhält.

Problem-Faktor Verjährung

Der Staat wäre freilich nicht der Staat, wie wir ihn kennen, wenn darüber hinaus nicht noch eine besondere Falle zu beachten wäre. Während nämlich Kosten des erforderlichen Einschreitens eines Rechtsanwaltes normalerweise erst drei Jahre ab jenem Zeitpunkt zu verjähren beginnen, ab dem der Rechtsanwalt seine Honorarnote gelegt hat, beginnt im Amtshaftungsrecht die Verjährung bereits mit Vollendung jeder einzelnen Vertretungshandlung zu laufen. Es gibt zwar die Sondernorm des § 6 Abs. 1 2. Halbsatz AHG, die vorsieht, dass "eine Verjährung keinesfalls vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung" eintritt (1 Ob 50/13d; RIS-Justiz RS0117586-T1), sie kann aber auch nicht alle Verjährungsfälle retten.

Zusammenfassend: Verfahrenskosten und damit zusammenhängende weitere Aufwendungen, die einer beteiligten Person durch rechtlich nicht vertretbare behördliche Verfahrensschritte, Verzögerungen oder Entscheidungen entstanden sind, können einen ersatzfähigen Schaden darstellen. Dabei geht es um unvermeidbare, angemessene und zweckentsprechende Kosten, die zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes tatsächlich erforderlich waren, und zwar auch und gerade dann, wenn die in Betracht kommende Verfahrensordnung keinen Kostenersatz kennt. Auf die erwähnte Verjährungsproblematik ist dabei besonders zu achten. (Karl Newole, 27.4.2023)