Mother’s Little Helpers: In der Musik der Lael Neale erblüht der Charme von Hausfrauen-Psychedelic aus den Sixties in sympathischen Kleinodien.

Alexandra Cabral

Neil Young hat einen Song, der heißt I’m the Ocean und bricht mit ozeanischer Wucht und Herrlichkeit über sein Publikum herein. Von Lael Neale gibt es eine ähnlich feucht-forsche Behauptung: I am the River heißt sie, klingt aber eher nach einem Bächlein.

Das Lied eröffnet das eben erschienene Album Star Eaters Delight, und der Fluss wird als natürliches Fortbewegungsmittel besungen: CO2-frei befördert er Menschen von Feucht A nach Nass B. Star Eaters Delight ist das dritte Album der US-Musikerin, das zweite auf dem Label Sub Pop und das erste rundum gelungene. Zwar war alles, was jetzt erblüht, schon in früheren Arbeiten angelegt, doch erstmals geht die Mischung richtig auf – wenngleich es eine mauerblumige Schönheit ist.

Lael Neale

Das prägende Instrument in der Musik Neales ist das Omnichord. Das ist eine Art elektronische Leierorgel, die seit 1981 auf dem Markt ist und in unseren Breiten von Trio (Da Da Da …) bekanntgemacht wurde. Auch David Bowie, Brian Eno oder Daniel Lanois erkannten den Charme dieses japanischen Spielzeugs aus dem Hause Suzuki, während Damon Albarn damit den Gorillaz Melancholie einschrieb.

Hypnosemittel

Neale nützt es eher als Hypnosemittel. Als Erbe von Sixties-Garagenbands, die sich aus Mutters Lade bei den Little Helpers bedienten, verleiht es ihrer Musik eine rezeptfreie Psychedelic. Faster than Medicine wäre ein kleiner Hit in dieser Welt und erinnert an die dänischen Rock-’n’-Roll-Wiedergänger The Raveonettes. Dort wird wie bei Neale kein Ton zu viel gespielt – ob aufgrund mangelnden Vermögens oder bloß so, ist wurscht.

Lael Neale

Pflichtschuldig gehören The Velvet Underground erwähnt, wenn es um den bewussten Einsatz von Wiederholung geht – mag der Vergleich noch so inflationär sein. Doch im zentralen, achtminütigen Song In Verona drängen sich die Assoziationen mit Nico nachgerade auf; wenngleich Neale keinen deutschen Akzent hat. Sie kommt aus dem US-Bundesstaat Virginia. Dorthin ist sie nach ein paar Jahren in Los Angeles vor Corona wieder zurückgezogen.

Verstrahlte Hippies

Das Album umkreist dieses Thema, die Gegensätze zwischen einer Megacity und der Provinz mit ihrer Behäbigkeit und den Schatten, die die helle Sonne dort wirft. Weil die Sixties bei Neale gar so präsent sind, besitzen die langsameren Songs auch eine sympathisch-verstrahlte Sekten-Anmutung, den der Hippie-Folk von Bands wie Eve bot, wenn der Trip wieder einmal nicht und nicht enden wollte.

Return to Me Now ist wiederum eine sedierte Sehnsuchtsballade, die von Spacemen 3 stammen könnte, nur dass bei Neale schon Schokolade gegen Kummer hilft. Es muss nicht immer gleich dieses Heroin sein. (Karl Fluch, 25.4.2023)