Gföhl ist ein Ort, wie es sie öfter in Niederösterreich gibt. Eine Handvoll historische Schlösser und 3.800 Einwohner verteilen sich dünn auf 80 Quadratkilometer und 19 Ortschaften. In diesem etwas unscheinbaren Ort im Waldviertel befindet sich ein etwas unscheinbares Haus mit angeschlossener Werkstatt, in dem – nun ja – etwas ungewöhnliche Ware produziert wird. In Gföhl sitzt die X-Factory – eine Tischlerei, die sich auf Sexmöbel, besonders im Sadomasobereich, spezialisiert hat. Von hier aus erfüllt man ausgefallene Kundenwünsche aus der ganzen Welt.

Im niederösterreichischen Gföhl bauen Ron Handelgruber und Lebensgefährtin Petra Reider Sadomasomöbel zusammen.
Foto: Nikolaus Ostermann

"Im Bereich Sexmöbel gibt es weltweit keinen Tischler, der unsere Qualität anbieten kann", sagt Ron Handelgruber stolz, während er durch die Werkstatt führt. Hier, zwischen Dübelautomat und Kreissäge, fertigt der 34-Jährige in monatelanger Arbeit die Möbel, seine Lebensgefährtin Petra Reider kümmert sich um den Papierkram und die allgemeine Abwicklung. In der Ecke der Werkstatt lagert das Material für die nächsten Bestellungen: teures Kirsch- und weniger teures Eichenholz.

In der X-Factory werden zwei verschiedene Art von Waren verkauft: Das wichtigste sind die Möbel aus eigener Fertigung. Hinzu kommen etwa 1.000 kleinere Artikel von Drittanbietern, vom Butt-Plug bis zur Neunschwänzigen Katze, einer besonderen Peitsche. Die Zentrale der X-Factory in Gföhl hat einen Showroom, wo man sich das alles anschauen kann: Die Regale an den Wänden sind gefüllt mit Dildos und andere Sextoys. Der Boden ist eng vollgestellt mit Betten und ausgefalleneren Stücken wie einer Streckbank und einem Andreaskreuz, an das man Menschen binden kann.

Bett als Bestseller

Wer will, findet im Produktkatalog der X-Factory alles, was sein Herz begehrt. Bis hin zu einer "Sklaventoilette": einer Toilettenbox, in der man einen Kopf so unterm Sitz befestigen kann, dass ein Ausweichen nicht mehr möglich ist. So was ist aber auch für die SM-Szene eher exotisch. Die Bestseller sind die Betten: Das beliebteste Modell ist das "Cube", von dem Handelgruber und Reider circa zehn Stück im Jahr verkaufen. Auf den ersten Blick schaut es aus wie ein gewöhnliches edles Möbelstück. Um die Matratze herum verläuft eine Art Metallrahmen, an dem verschiedene Aufsätze befestigt werden können. Eine "Papageienschaukel" zum Beispiel, eine "Schenkelstütze" oder eine "Fickmaschine auf Querrohr". Da zeigt sich der erste Vorteil der Möbel der X-Factory: Sie sind in einem Modulsystem konstruiert, also frei kombinierbar, wie in einem Baukastensystem. Habe ich einmal eine Schenkelstütze erworben, kann ich sie abnehmen und an zahlreichen Möbeln der X-Factory befestigen.

Die Möbel müssen langlebig, stabil und ästhetisch sein.
Foto: Nikolaus Ostermann

Ein weiterer Vorteil ist, dass viele Objekte auch als "normales" Möbelstück nutzbar sind. Der Metallrahmen zur Befestigung der Aufsätze, die Haken und Ösen, an denen Seilwinden angebracht werden können, das alles lässt sich mit wenigen Handgriffen unter Holzabdeckungen verbergen. Große, verschließbare Laden unter dem Bett bieten Platz für alles, was nicht offen herumliegen soll. So wird das Bett im Handumdrehen zu einem Möbelstück, das man auch der Schwiegermutter zeigen kann, ohne Gefahr von Folgefragen. Die Kombination aus Handarbeit, Qualitätsmaterialien und der persönlichen Beratung hat ihren Preis: Für das Bett "Cube" zahlt man – je nach Konfiguration – um die 8.000 Euro, das Luxus-Himmelbett "Heavy" fängt bei 24.000 Euro an.

Das Sexmöbel-Portfolio wird ständig erweitert. "Wir schauen auch Pornos, um auf neue Ideen zu kommen", sagt Handelgruber. Die Community ist ebenfalls ein Ideengeber: Der "Po-Pranger" – eine Wand, aus der nur der Hintern rausschaut – war ursprünglich ein Kundenwunsch, der dann ins Portfolio übernommen wurde und bestellt werden kann. In dem Teil der Werkstatt, wo das Metall verarbeitet wird, steht gerade eine Sonderanfertigung für ein Paar, das gemeinsam etwas mehr auf die Waage bringt: ein besonders massiver "Hochlehner", ein Stuhl mit einem Loch in der Sitzfläche, das diskret abgedeckt werden kann. Der verrückteste Wunsch eines Kunden war einmal eine blickdichte, schalldichte und luftdichte Box, in die man sich reinlegen können sollte. "Da haben wir freundlich geantwortet, dass man bei einem Bestattungsunternehmen besser aufgehoben wäre", grinst Petra Reider.

No-Go: Splitter

Die Geschichte der X-Factory beginnt im Jahr 1999. Unter Günther, dem früheren Besitzer, wurden die Sexmöbel noch mehr oder weniger nebenbei hergestellt. Handelgruber ist damals langjähriger Mitarbeiter, später kommt auch Reider als Bürokraft hinzu. 2018 stirbt Günther nach längerer Krankheit. Das Unternehmen wurde den beiden Angestellten hinterlassen. Die beiden schaffen erst mal Ordnung, zum Beispiel mit einer neuen Preispolitik. Gleichzeitig bemüht sich Handelgruber um ein Zertifikat: Er ist kein Tischlermeister, kriegt aber nach langem Hin und Her eine "Befähigung zur Herstellung von SM-Möbeln".

Die Geschichte der X-Factory begann im Jahr 1999. Handelgruber ist kein Tischlermeister, bekam aber eine "Befähigung zur Herstellung von SM-Möbeln".
Foto: Nikolaus Ostermann

Denn bei allem Gerede über Neunschwänzige Katzen und Pranger: Zuerst werden hier mal Möbel gebaut, die ästhetisch, stabil und langlebig sein sollen. Jedes Stück kommt mit einer ausführlichen Anleitung und wird vor dem Versand einmal aufgebaut, um sicherzugehen, dass alles passt. Falls gewünscht, wird auch die Montage übernommen. Viele Gedanken teilen sich die Menschen hinter der X-Factory mit anderen Möbelbauern, andere sind doch wieder speziell. So werden Sexmöbel für gewöhnlich nackt genutzt. Da darf nichts splittern.

In der Werkstatt arbeitet Handelgruber allein. Ein Mitarbeiter verließ die Firma im Vorjahr und wurde noch nicht ersetzt. Die Auftragslage war zuletzt nicht ideal, auch das oft lukrative Weihnachtsgeschäft fiel im Vorjahr aus. "Wir haben gemerkt, dass die Leute ihr Geld wieder für Dinge wie Urlaubsreisen ausgeben können", sagt Handelgruber. Was aber nicht heißt, dass die X-Factory zusperren muss: Bis Mitte August sind die Auftragsbücher dicht. Sie waren nur schon dichter.

Wie jede hochpreisige Tischlerei lebt auch die X-Factory von der persönlichen Betreuung.
Foto: Nikolaus Ostermann

Wie jede eher hochpreisige Tischlerei lebt auch die X-Factory von der persönlichen Betreuung. Man kann sich das gewünschte Bett auf der Webseite konfigurieren, die meisten Bestellungen kommen trotzdem per E-Mail. Die Kunden wollen Beratung, und Handelgruber und Reider beraten gern. Es gibt auch viele Dinge zu bedenken, die man als Laie vielleicht vergessen würde: Es gibt die Möglichkeit, am Fußende des Bettes fixe Kerzenleuchter zu installieren. Diese Option kommt aber mit einem wichtigen Hinweis: "Bedenken Sie: Wenn Sie mit der Peitsche freien Zugang wollen, ist es von Vorteil, die Kerzenleuchter abzunehmen."

Diskrete Verpackung

Für die X-Factory ist Gföhl quasi das Tor zur Welt: Aus dem Waldviertel wird fast um den ganzen Globus verschickt. Nur 20 Prozent ihres Umsatzes macht die Firma in Österreich. Wichtige Märkte sind Deutschland, Frankreich und die Schweiz, aber auch die USA. So eine – immer diskret behandelte und neutral verpackte – Bestellung kann dann auch mal 2000 Euro Liefergebühren umfassen und bis zur erfolgreichen Abwicklung ein Jahr in Anspruch nehmen. Ein reicher Russe ging auf Nummer sicher und holte seine Ware im Privatjet ab.

Nur bei einer Frage muss man bei der X-Factory schlechte Nachrichten überbringen. Ein Kunde fragte einmal, ob es bei den Möbeln so etwas wie einen Notknopf gebe, falls dem nicht gefesselten Partner etwas passieren sollte. "So etwas haben unsere Möbel nicht", sagt Handelgruber, was auch ein wenig den Reiz ausmache. Es sei natürlich sinnvoll, wenn sich Partner für solche Fälle Sicherheitsmaßnahmen überlegen. "Erst mal gilt aber: Gefesselt ist gefesselt." (Jonas Vogt, 26.4.2023)