Frau in steirischer Tracht (vor 1924) aus der Sammlung von Anna und Konrad Mautner.

Volkskundemuseum

Haubenstock aus dem 19. Jahrhundert aus der Sammlung von Anna und Konrad Mautner 1938.

Volkskundemuseum

Dieses Outfit trug der zwölfjährige Alfons Wittels bei seiner Flucht aus Österreich 1939.

Foto: Volkskundemuseum/Christa Knott

Ein Wetterfleck, klassisch aus Lodenstoff, dazu ein Filzhütchen mit Gamsbart, die passende Montur für nasskalte Tage, aber auch ein Stück Heimat, das den zwölfjährigen Alfons Wittels 1939 bei seiner Flucht vor dem NS-Regime begleiten sollte: über Zürich nach Paris, dann quer durch Afrika und zurück nach Frankreich, schließlich über Lissabon nach Rio de Janeiro.

Dieses Outfit trug der zwölfjährige Alfons Wittels bei seiner Flucht aus Österreich 1939.
Foto: Volkskundemuseum/Christa Knott

Als die Familie 1949 nach Wien zurückkehrte, hatte der 22-jährige junge Mann das Ensemble, dem er längst entwachsen war, dennoch mit im Gepäck. Er behielt es bis an sein Lebensende im Jahr 2001. Aus seinem Nachlass gelangte es als Schenkung an das Volkskundemuseum Wien, wo es derzeit in Gesammelt um jeden Preis! zu sehen ist. Die Ausstellung befasst sich mit der Herkunft von Objekten, fragt nach, warum und auf welche Weise sie durch den Nationalsozialismus überhaupt ins Museum kamen und wie damit umgegangen wird. Dazu gehört die Provenienzforschung, deren Abläufe in der Schau nachvollziehbar gemacht werden und die fallweise in einer Restitution an die Erben der einstigen jüdischen Eigentümer mündet.

2.500 Objekte "bedenklich"

Basis dafür ist bekanntlich das vor bald 25 Jahren im Dezember 1998 erlassene Kunstrückgabegesetz für Bundesbestände. Eine Gesetzgebung, von der das vom Verein für Volkskunde betriebene Museum als Privatinstitution theoretisch nicht erfasst wäre. Praktisch hat man sich dazu später aktiv entschlossen: Sammlungsmitarbeiterinnen und der Bibliothekar durchforsteten in einem ersten Schritt die Inventare und Aktenbestände. Die Zwischenbilanz ergab rund 2.500 Objekte, die als "bedenkliche Erwerbung" einzustufen waren. Daran knüpfte die Provenienzforscherin der Kommission ab 2015 an, ein Abschluss ist zeitlich noch nicht absehbar.

Dem Kunstrückgabebeirat wurden seither elf Dossiers vorgelegt und in sieben Fällen eine Restitution empfohlen. Nicht alle konnten bisher umgesetzt werden, denn die Suche nach rechtmäßigen Erbinnen und Erben birgt Hürden, da viele Rechtsnachfolger Geflüchteter oder Ermordeter im Ausland leben.

600 Objekte restituiert

Insgesamt wurden auf Basis von vier Dossiers bislang mehr als 600 Objekte restituiert. Rund 500 davon gehörten zur volkskundlichen Sammlung, die einst von Konrad und Anna Mautner zusammengetragen, im Sommer 1938 beschlagnahmt und unter Wert für nur 410 Reichsmark angekauft wurde. Ihren Nachfahren war die Existenz dieser Kollektion bis zur Kontaktaufnahme durch das Museum gänzlich unbekannt.

Indirekt erschloss sich ihnen damit auch ein "neues" Kapitel Familiengeschichte: über die enge historische Verbindung, die schon Isidor und Jenny Mautner mit dem Museum pflogen und die von ihren Söhnen Stephan und Konrad sowie Konrads Ehefrau Anna intensiviert worden war.

Vielfältiges Völkerleben Österreichs

Das Selbstverständnis des Museums als "Spiegelbild des mannigfaltigen österreichischen Völkerlebens", als "Stütze des österreichischen Staatsgedankens" sowie als Vorbild und Anregung für die "heimatliche Kunst und Arbeit" traf sich mit den unternehmerischen und patriotischen Zielen und Werten der Familie und ihrer Firmen. Ähnlich verhielt es sich mit der angewandten "Trachtenpflege" in der Zeit des Austrofaschismus: mit einer Trachtenberatungsstelle im Museum ab 1935 und Anna Mautners über ihr Textildruck-Unternehmen betriebene Mission.

Der Rückgabe der Objekte folgte – mit Ausnahme einiger weniger Erinnerungsstücke – die Schenkung an das Museum. Der Familie war es wichtig, sie weiterhin der Öffentlichkeit und Forschung zur Verfügung zu stellen. Nun wird sie erstmals nahezu vollständig in der letzten großen Ausstellung vor der im Herbst 2024 startenden Renovierung gezeigt: Die Bandbreite reicht von Bekleidung über Schützenscheiben, Liedtexte, Möbel und Pfeifen bis zu Fotografien vom "Volksleben" im Salzkammergut. Allesamt Dinge, deren kulturhistorischer oder ideeller Wert weit über dem monetären bleiben wird. (Olga Kronsteiner, 26.4.2023)