Der Gehsteig hat als Parkplatz für E-Scooter ausgedient: E-Roller sind künftig auf eigenen Parkflächen oder auf Pkw-Stellplätzen abzustellen. Diese Regel soll noch im Mai in Kraft treten.

Foto: Matthias Cremer

Wien soll nicht Paris werden – zumindest wenn es um E-Scooter geht. Die Metropole an der Seine hat sich bei einer Bürgerbefragung – mit dürftiger Beteiligungsquote von sieben Prozent – mit großer Mehrheit für ein Aus der Leih-E-Scooter ausgesprochen. Der Ärger über falsch abgestellte Geräte auf Trottoirs und über zu viele Unfälle war zu groß. Mon Dieu! Bis Ende August müssen die Roller aus dem Stadtbild entfernt werden. Die 15.000 E-Fahrgeräte sollen aber weiterrollen – auf Asphalt oder Kopfsteinpflaster in anderen Städten wie Rom oder Tel Aviv.

VIDEO-Reportage: Weil immer mehr E-Kick-Scooter in Wien Probleme machen, arbeitet die Stadtregierung an Verschärfungen der Regeln. Gut so, sagen Experten und Passanten
DER STANDARD

In der Donaumetropole Wien hat die hiesige Stadtregierung Ende des Vorjahres ebenfalls ein Scooter-Chaos geortet. Anstatt die Leihroller gänzlich zu verbieten, setzt Rot-Pink auf strengere Regeln und Einschränkungen. Das neue System sollte nach einem EU-weiten Vergabeverfahren im Mai mit nur noch vier statt zuletzt fünf Betreibern starten.

Weil der einzige nicht zum Zug gekommene Anbieter Tier einen Einspruch gegen das Ergebnis eingelegt hat, kommt es nun aber zu einem gerichtlichen Nachprüfungsverfahren. Die Vergabe der neuen Konzessionen werde sich dadurch "um mindestens drei Monate verzögern", wie es aus dem Büro von Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) hieß. In der Zwischenzeit soll für die bestehenden Betreiber eine Übergangsregelung "mit strengen Vorgaben" gelten. Details werden am 3. Mai, also kommende Woche, präsentiert. Nach Informationen des STANDARD soll die Übergangslösung auch ein Abstellverbot auf Gehsteigen beinhalten.

Auf Gehsteigen geparkte E-Scooter sollen bald der Vergangenheit angehören.
Foto: Matthias Cremer

Gehsteig als Parkplatz hat ausgedient

Und dieses Verbot ist auch einer der Kernpunkte der geplanten Reform: Der Ärger über umgeworfene oder quer auf Gehsteigen abgestellte Leih-E-Scooter wurde zuletzt immer größer, was auch Sima einräumte. Wer gegen das Abstellverbot verstößt, muss mit Strafen rechnen. Konkret sollen die Betreiber der Leihgeräte bestraft werden, die sich wiederum bei ihren Kundinnen und Kunden schadlos halten können.

Möglich ist etwa, dass die Mieter via App der Leih-E-Scooter-Firma zunächst ermahnt und in weiterer Folge bestraft werden. Über ein digitales Dashboard soll künftig jeder Scooter per GPS geortet werden können – womit illegal abgestellte Scooter selbst im Nachhinein geahndet werden können. Kontrolliert werden die neuen Regeln für das Abstellen künftig auch von Parksheriffs.

Ausschuss im Verkehrsministerium wird eingesetzt

Der Boom bei den Leihgeräten – Wien-weit waren im Vorjahr zu Hochzeiten 7.000 Leih-Scooter auf den Straßen – sorgt jedenfalls auch für höhere Unfallzahlen. Einer Hochrechnung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) zufolge gab es österreichweit im Jahr 2020 rund 1.300 E-Scooter-Unfälle mit Verletzten, die im Spital behandelt werden mussten. 2022 waren es 3.600 solcher Unfälle, im Vorjahr wurden auch vier Todesopfer gezählt. Laut KFV-Geschäftsführer Christian Schimanofsky würden nur 17 Prozent der Scooter-Fahrer einen Helm tragen, bei den Mietern von Leihgeräten lediglich ein Prozent.

E-Scooter-Fahrerinnen oder -Fahrer mit Helm sind – noch – eine Seltenheit.
Foto: APA / Roland Schlager

Das Verkehrsministerium verweist hingegen darauf, dass es "noch kaum belastbare Statistiken zur Sicherheit und zu Unfällen im Straßenverkehr" gebe. Das liege daran, dass E-Scooter in der Unfallbilanz bisher gemeinsam mit E-Fahrrädern erfasst wurden. 2023 werde das geändert: Dann kann die Exekutive Unfälle mit E-Scootern gesondert erfassen. Es müssten aber dennoch gleichzeitig "mögliche Verbesserungen vorangetrieben" werden, wie es gegenüber dem STANDARD heißt. Im Rahmen des Verkehrssicherheitsbeirats werde ein Arbeitsausschuss zum Thema E-Scooter eingesetzt. Hier sollen auch konkrete Maßnahmen wie eine mögliche Helmpflicht oder eine generelle Tempodrosselung von 25 km/h auf 20 km/h mit unterschiedlichen Interessengruppen besprochen werden.

Weniger Scooter in der City

In Wien wird die Anzahl der Leihgeräte im innerstädtischen Bereich jedenfalls nach einer Häufung von Beschwerden deutlich limitiert. Bisher konnten die fünf Anbieter im ersten Bezirk je 500 Leih-E-Scooter betreiben – macht 2.500 Geräte. Künftig sind maximal 500 E-Scooter erlaubt. In den Bezirken 1020 bis 1090 sowie 1200 wird die Maximalzahl von 2.500 auf 1.500 reduziert. Insgesamt werden also in diesen innerstädtischen Bezirken statt bisher 5.000 Scooter nur noch 2.000 erlaubt sein.

In den äußeren Bezirken wird das Angebot vergrößert. Allerdings sollen rund um Hotspots etwa bei Öffi-Stationen Abstellflächen für E-Scooter eingerichtet werden.

130 Parkflächen bis Mai

Apropos Abstellflächen: Diese werden derzeit in Wien ausgebaut, bis Anfang Mai soll es mehr als 130 dieser Parkplätze mit roten Bodenmarkierungen für je acht bis zehn Scooter geben. Bis Jahresende soll die Zahl auf 200 anwachsen. Der Clou: Rund um diese Stellplätze wird es im Umkreis von 100 Metern technisch nicht möglich sein, die E-Scooter-Miete zu beenden. Damit werden geordnete Leih- und Rückgabestationen geschaffen.

130 solcher gekennzeichneten Scooter-Parkplätze soll es laut Stadt Wien bis Anfang Mai geben.
Foto: Karl Schöndorfer / Toppress

Das attraktive Abstellen direkt vor der eigenen Wohnung wird damit nicht mehr möglich, falls es E-Scooter-Parkplätze in der Nähe gibt. Abseits dieser Stellplätze können E-Scooter aber auch in Pkw-Parkspuren geparkt werden. In Zonen, wo Autoparkplätze rar sind, dürften sich da Nutzungskonflikte mit Autofahrern abzeichnen.

Die Zahl der Anbieter wird im neuen System von fünf auf vier reduziert – diese Regelung wird aber eben frühestens erst in drei Monaten wirksam. Die schwedische Firma Voi, die nach Eigenangaben die Ausschreibung der Stadt als Bestplatzierte gewann und als einziges zum Zug gekommenes Unternehmen noch keine Geräte in Wien hat, muss mit dem Aufstellen der Leih-E-Scooter noch warten. Der beim Vergabeverfahren vorerst ausgebootete Betreiber Tier kann seine Roller vorerst ebenso weiterbetreiben wie Lime, Link und Bird, die sich auch bei der Neuvergabe durchsetzten. (David Krutzler, 27.4.2023)