Montanas Gouverneur Greg Gianforte will alle Internetservices "ausländischer Feinde" mit Strafen belegen.

Foto: Thom Bridge, Independent Record

Anfang April machte der US-Bundesstaat Montana den ersten Schritt und verabschiedete ein Gesetz zum landesweiten Totalverbot von Tiktok. Kernstück des Gesetzes ist das Verbot, die App überhaupt herunterzuladen. Um das zu garantieren, wird es verboten, die App zum Download anzubieten. Wer sich dem widersetzt, muss mit Geldstrafen von bis zu 10.000 Dollar pro Tag rechnen. Tritt das Gesetz in Kraft, müssten also große App-Stores wie jene von Apple und Google die App für Nutzer in Montana blockieren.

Dieses Vorhaben verärgerte naturgemäß Kritiker, die behaupteten, dass ein solches Gesetz noch dazu auf regionaler Ebene technisch wie auch rechtlich nicht umsetzbar sei. Nun stieg der republikanische Gouverneur Greg Gianforte auf die Bremse, aber nicht weil er den Bedenken nachgab oder auf die Kritiker hörte – er will den Entwurf nun nutzen, um weitere Apps zu verbieten.

Alle "feindlichen" Apps im Visier

Wie das "Wall Street Journal" berichtet, hat Gianforte das Wort "Tiktok" aus dem Entwurf gestrichen. Seine Presssprecherin erklärte gegenüber "Ars Technica", dass es seine Absicht gewesen sei, das Gesetz zu ändern, um die technischen und rechtlichen Bedenken der Kritiker auszuräumen.

Deshalb wollte der Gouverneur den Gesetzesentwurf "verbessern", indem der Schutz der Privatsphäre der Bevölkerung von Montana auch auf "andere ausländische Gegner" erweitert wird. Tatsächlich sieht der geänderte Entwurf vor, dass alle Social-Media-Apps ins Visier genommen werden, die "bestimmte Daten an ausländische Gegner weitergeben".

Der Gouverneur schlug außerdem vor, die Strafen für App-Stores zu streichen, die Tiktok im Bundesstaat verfügbar machen. In der Praxis wäre ein derartiges Verbot auf bundesstaatlicher Ebene auch zahnlos gewesen, weil es ohne viel technisches Know-how oder Aufwand umgehbar gewesen wäre.

Unternehmen werden bestraft

Gianfortes Änderungsantrag verschärft das Gesetz aber insofern, als es nur die Unternehmen bestraft, die Daten der Einwohner von Montana mit "Feinden" im Ausland teilen. Wenn ein Social-Media-Unternehmen gegen das Gesetz verstößt, kann das Justizministerium des Bundesstaats Geldstrafen in Höhe von 10.000 Dollar für jeden einzelnen Verstoß verhängen – und das täglich, solange der Verstoß bestehen bleibt.

Laut David Greene, dem Leiter der Abteilung für Bürgerrechte der Electronic Frontier Foundation, haben die Änderungsvorschläge des Gouverneurs nicht alle rechtlichen und technischen Bedenken der Kritiker ausgeräumt. "Es gibt einfach eine Million Fragen darüber, was das Gesetz tut und wie es durchsetzbar wäre", sagte Greene.

"Die Durchsetzung des Gesetzes ist technisch immer noch eine Herausforderung, da Montana nicht den gesamten Internetzugang in seinem Staat kontrolliert", so Greene. "Und es ist rechtlich immer noch problematisch, weil ein Staat den zwischenstaatlichen Handel nicht regulieren kann. Wenn der Staat beschließt, dass ein Social-Media-Unternehmen wie Tiktok in seinem Bundesstaat illegal sein soll, muss jede Maßnahme des Staates immer noch der Prüfung des Ersten Verfassungszusatzes standhalten", so Greene.

Der Erste Zusatz zur US-Verfassung schützt die Redefreiheit, weshalb Bürgerrechtler argumentieren, dass auch die Einwohnerinnen und Einwohner von Montana das Recht hätten, sich auf Tiktok auszudrücken und auf Informationen zuzugreifen.

Beinahe jeder Onlineservice wäre betroffen

Das Gesetz definiert eine Social-Media-Anwendung ungewöhnlich breit als "eine natürliche oder juristische Person, die eine internetbasierte elektronische Anwendung besitzt oder betreibt, über die Inhalte von Nutzern geteilt werden können, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Kommentare, Videos, Fotos, Blogs, Videoblogs, Podcasts und Musik". Ausdrücklich ausgenommen sind von dieser Definition nur Serviceprovider.

Heftige Kritik kommt von Tiktok selbst. Eine Unternehmenssprecherin wertete die Gesetzesänderung als Eingeständnis, dass die Befürworter des Verbots keinen praktikablen Plan für den "Versuch, amerikanische Stimmen zu zensurieren", haben. Sie sprach auch von einem ungeheuerlichen Eingriff in die Redefreiheit der Bürgerinnen und Bürger.

Gianforte kann das geänderte Gesetz nun entweder unterzeichnen oder ein Veto einlegen. Wenn er nicht innerhalb von zehn Tagen handelt, tritt das Gesetz automatisch in Kraft und wird am 1. Jänner 2024 wirksam.

Anfang April schlug der Kongress einen Gesetzesentwurf vor, der als Restrict Act bekannt ist und eine Alternative zum USA-weiten Tiktok-Verbot darstellen soll. Laut dem Restrict Act hätte der US-Handelsminister weitreichende Befugnisse, um mobile oder Desktop-Anwendungen und andere Arten von Technologieprodukten aus feindlichen Staaten zu verbieten. Konkret genannt werden China, der Iran, Kuba, Nordkorea, Russland und Venezuela.

Datenschützer wie die Electronic Frontier Foundation kritisierten den Wortlaut des Gesetzes, da es so weit gefasst sei, dass es auf jede beliebige Technologie angewendet werden könne, berichtet das "Wall Street Journal". (pez, 27.4.2023)