Manche wissenschaftlichen Bezeichnungen erzählen eine Geschichte. Als man Quasare in den 1950er-Jahren entdeckte, hielt man sie für Stern-ähnliche Objekte, die Radiosignale aussenden. Die Bezeichnung "quasi-stellar radio source" fasst genau dieses wenige Wissen zusammen und führte zu der heute noch üblichen Bezeichnung "Quasar".

Eine künstlerische Darstellung eines Quasars. Die helle Linie ist ein "Jet" aus Material, das ausgestoßen wird. In dieser Richtung erfolgt auch bevorzugt der Ausstoß der Strahlung des Quasars.
Foto: ESO-M Kornmesser

Doch mit der vermuteten Sternähnlichkeit irrte man. Quasare befinden sich nicht, wie damals vermutet, in unserer Milchstraße, sondern sind viel weiter entfernt. Es handelt sich um viel gewaltigere Phänomene, als man es damals für möglich hielt. Heute weiß man, dass hinter den Quasaren supermassive Schwarze Löcher stehen, die beim Verschlingen von Gas diese enormen Strahlungsausbrüche verursachen.

Bereits in einer Arbeit von 1997 war anhand von Bildern des Weltraumteleskops Hubble gezeigt worden, dass bei zumindest einigen Quasaren auch Interaktionen oder Kollisionen von Galaxien eine Rolle spielen. Eine neue Studie legt nun nahe, dass es sich dabei tatsächlich um die wichtigste Ursache für das Entstehen von Quasaren handeln dürfte.

Quasare bei kollidierenden Galaxien häufiger

Für die Studie, die nun im Fachjournal "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society" erschien, führte ein Team von Astronominnen und Astronomen der britischen Universität Sheffield die bisher genaueste und umfassendste Untersuchung von Quasaren durch. 48 Quasare wurden mit 100 Galaxien ohne Quasar verglichen. Dabei zeigte sich, dass kollidierende Galaxien dreimal häufiger Quasare enthalten als solche, die sich in sicherer Entfernung von anderen Galaxien befinden.

Die Idee entstand laut einer Aussendung der Universität Sheffield bei der Untersuchung von Aufnahmen des Isaac Newton Telescope auf der kanarischen Insel La Palma. Dabei fiel auf, dass in Galaxien, die Quasare beherbergen, äußere Strukturen gestört waren. Diese Spuren stammten von Kollisionen mit anderen Galaxien.

Dieses Video zeigt den Quasar P172+18. Es enthält reale Teleskopbilder und künstlerische Darstellungen des Objekts.
European Southern Observatory (ESO)

Kollisionen bringen Gas ins Zentrum

Die Erklärung, wie solche Kollisionen Quasare hervorbringen, ist einleuchtend: Schwarze Löcher sind normalerweise von Akkretionsscheiben aus Gas umgeben, das dort um die Masse im Zentrum kreist. Zwischen der Scheibe und dem Ereignishorizont ist aber eine Lücke, wie etwa auf den von der Event-Horizon-Telescope-Kollaboration aufgenommenen Bildern der Schwarzen Löcher M87 und Sagittarius A* gut zu erkennen ist. Der dort sichtbare schwarze Schatten ist deutlich größer als der Ereignishorizont, der quasi die Oberfläche des Schwarzen Lochs bildet, die alles, was sie durchdringt, für immer verschlingt. (Dieses "für immer" ist umstritten, es könnte sein, dass die Information der hineingestürzten Materie irgendwann doch wieder nach außen dringt.)

Die zwei bisher genauesten Bilder von supermassiven Schwarzen Löchern.
Foto: EHT Collaboration

Erst wenn dieses System gestört wird, etwa durch eine zweite Galaxie, fällt Gas in großen Mengen ins Innere des Schwarzen Lochs und erzeugt auf dem Weg dorthin die starke Strahlung, für die Quasare bekannt sind. Die extremen Kräfte, die dabei auftreten, führen zu einem Effekt, den Stephen Hawking einst treffend "Spaghettisierung" nannte und den kein Material der Welt überstehen könnte.

Für die Heimatgalaxie des Quasars hat die dabei frei werdende Energie extreme Auswirkungen. Sie kann dazu führen, dass alles verbliebene Gas ins Weltall hinausgeblasen wird und die Sternentstehung für die kommenden Milliarden Jahre zum Erliegen kommt. Das steht womöglich auch unserer Milchstraße bevor.

Das Bild eines Quasars, zusammengesetzt aus Aufnahmen des Röntgenobservatoriums Chandra.
Foto: X-ray: NASA/CXC/Univ of Michigan/R.C.Reis et al; Optical: NASA/STScI

Zukunft der Milchstraße

"Quasare sind eines der extremsten Phänomene im Universum, und was wir sehen, wird wahrscheinlich die Zukunft unserer eigenen Milchstraße sein, wenn sie in etwa fünf Milliarden Jahren mit der Andromeda-Galaxie kollidiert", sagt Studienautor Clive Tadhunter. "Es ist aufregend, diese Ereignisse zu beobachten und endlich zu verstehen, warum sie auftreten", sagt der Forscher, der aber froh ist, dass die Erde noch lange nicht in der Nähe eines solch apokalyptischen Ereignisses sein wird.

Das Team betont die Bedeutung des Ergebnisses für die Astronomie. "Einer der wichtigsten wissenschaftlichen Beweggründe für das James Webb Space Telescope der Nasa war die Untersuchung der frühesten Galaxien im Universum, und Webb ist in der Lage, das Licht selbst der am weitesten entfernten Quasare, die vor fast 13 Milliarden Jahren entstanden sind, zu erfassen. Quasare spielen eine Schlüsselrolle für unser Verständnis der Geschichte des Universums und möglicherweise auch für die Zukunft der Milchstraße", sagt Studienautor Jonny Pierce.

Diese Animation zeigt, welche Auswirkungen ein Quasar auf die ihn umgebende Galaxie hat.
NASA Video

Schwarze Löcher im Zentrum des Interesses

Es ist ein weiteres Ergebnis, das unser Bild von Schwarzen Löchern verbessert, um die sich in den letzten Jahren viele Forschungsaktivitäten drehen. Nach dem erfolgreichen Abbilden des schwarzen Schattens in der Mitte der Akkretionsscheibe zweier supermassiver Schwarzer Löcher, dem erst kürzlich veröffentlichten ersten Bild des Ursprungs eines "Jets", der aus der unmittelbaren Umgebung eines Schwarzen Lochs ausgestoßen wird, und den Gravitationswellenexperimenten, die einen direkten Blick auf die Verzerrungen der Raumzeit durch Schwarze Löcher erlauben, könnten sich gerade hier neue Perspektiven für die Physik auftun.

Die extremen Bedingungen in der Nähe des Ereignishorizonts bringen die heute bekannten physikalischen Theorien an ihre Grenzen und könnten zeigen, wie eine umfassendere Erklärung der Welt aussieht, die Gravitation und Quantenphysik verbindet. Eine solche Theorie ist, trotz Jahrzehnten unzähliger Vorschläge und Modelle, nach wie vor in weiter Ferne. Auch aus diesem Grund können Wissenschafterinnen und Wissenschafter nicht erwarten, mehr über die extremen Vorgänge rund um Schwarze Löcher zu erfahren. (Reinhard Kleindl, 2.5.2023)