War es auch skandalös von den Salzburger Kommunisten, der FPÖ einen Teil der öffentlichen Aufmerksamkeit zu stehlen, so muss man sie vor einem anderen Vorwurf in Schutz nehmen: Sie hätten mit ihrem Antreten den anderen Parteien geschadet. Umgekehrt träfe es besser: ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos gemeinsam haben mit ihren Darbietungen im Land und im Bund erst dafür gesorgt, dass eine ideologisch entkernte KP die Leerstelle besetzen konnte, die ihr eine sozialdemokratische Führung im Wachkoma überließ. Mehr oder weniger tiefsinniges Rätselraten darüber, ob Kommunisten 11,7 Prozent überhaupt zustehen, erübrigt sich – sie waren zur Party eingeladen.

Eingeladen fühlt man sich nicht erst seit letztem Sonntag auch in der FPÖ. Dort wähnt der Pandemiegewinnler Herbert Kickl die Zeit für einen Volkskanzler Kickl gekommen, allerdings ohne dafür einen sachlichen Grund anzugeben. Das hält manche auch in den Medien nicht davon ab, darin eine reale Zukunftsperspektive für Österreich zu sehen. Allzu groß dürfte die Gefahr aber nicht sein, hat er doch schon als Innenminister den Zenit seines politischen Könnens außerhalb der Bierzelte ausgereizt. Ob sich in einem Jahr mit der Angst vor dem Impfen noch einmal ein Geschäft machen lässt, ist ungewiss. Und gegen den Fluch der Mumie ist noch kein Entwurmungsmittel gefunden.

Gerade auf Afrikareise: Kanzler Karl Nehammer (ÖVP).
Foto: APA/Robert Jäger

Wirkliche Gefahr droht von einem Bundeskanzler, der im Blaumann auf dem E-Fuel-Schlauch steht und in fernen Afrika verspricht, damit aufzuhören, "von oben herab zu agieren". In Afrika kann er das gefahrlos versprechen, aber hier droht er mit allgemeiner Versöhnung und einem Zuschütten von Gräben. Das kann nicht gutgehen.

Tiefe Gräben

Da wäre zunächst die Frage, wer mit wem versöhnt werden soll. Sollte das ehrlich gemeint sein, müsste Karl Nehammer das Land zunächst einmal mit dem korrupten Regime des sehr von oben herab regierenden Sebastian Kurz versöhnen. Was ihm als Angehörigen von dessen Regierung schon deshalb nicht leicht fallen dürfte, als noch einige Gerichtsverfahren aus dieser Zeit laufen. Sollte seine Adjustierung in Blau auf koalitionäre Versöhnung mit der Kickl-FPÖ hindeuten, wäre Offenheit wünschenswert.

Wer Gräben zuschütten will, müsste zunächst zeigen, wo sie verlaufen. Die feige und bequeme Schwamm-drüber-Mentalität hat Österreichs Ruf schon einmal schwer geschadet, als bald nach 1945 eine halbe Million Nationalsozialisten, zahlreiche Verbrecher gegen die Menschlichkeit eingeschlossen, rehabilitiert wurden. Damals wurden Gräben zugeschüttet, weil sich ÖVP und SPÖ Nazistimmen sichern wollten. Es hat vier Jahrzehnte gedauert, bis Bundeskanzler Franz Vranitzky mit einem Bekenntnis zur Mitschuld Österreichs an Naziverbrechen diese Schande zu tilgen versuchte. Heute ist es die Kickl-FPÖ, die in ideologischer Nachfolge des Naziregimes Fremdenfeindlichkeit und Rassismus als ihre politische Geschäftsgrundlage pflegt, sich nicht scheut, in teils abstruser Wissenschaftsfeindlichkeit Menschen zu verunsichern; die sich an Diktatoren und Kriegsverbrecher anbiedert und an den Menschenrechten stört. Sie zieht bewusst einen tiefen Graben durch unsere Demokratie. Dass sich daran unter etwas Kickl ändert, ist nicht zu erwarten.

Nehammers Rolle als Versöhner dürfte bescheiden bleiben. (Günter Traxler, 28.4.2023)