Das Heidenreichsteiner Moor soll mehr Wasser bekommen. Schon jetzt finden sich dort viele seltene Pflanzen- und Tierarten.
Foto: Axel Schmidt

Stück für Stück schlagen die Männer das Lärchenholz in den torfigen Boden hinein. Mit jedem Zentimeter dringt die Holzlatte Jahrzehnt um Jahrzehnt weiter in die Erdgeschichte ein, um in drei Meter Tiefe in der mindestens 3000 Jahre alten Torfschicht anzukommen. So lange dauert es bei einem durchschnittlichen Wachstum von einem Millimeter pro Jahr, bis der für Moore unerlässliche Torf solch ein Volumen aufbauen kann. Der Prozess kann schneller, aber auch langsamer erfolgen, je nachdem, wie sich das nicht vollständig zersetzte Pflanzenmaterial im Feuchtgebiet umwandelt.

Wassersperren im Moor

Das Heidenreichsteiner Moor im Waldviertel, wo sich die oben beschriebene Szene Anfang März abspielte, ist deutlich älter, als es die übriggebliebenen Torfschichten vermuten lassen. Wie fast alle österreichischen Moore dürfte es nach der letzten Eiszeit vor mehr als 10.000 Jahren entstanden sein. Doch Torfabbau, Entwässerungsmaßnahmen und die forstwirtschaftliche Nutzung haben das Moor auf 29,5 Hektar schrumpfen und seine nährstoffarme und saure Zusammensetzung verändern lassen. Vielerorts trocknete der Torf aus, auf dem entwässerten Boden wurden moorfremde Bäume wie Fichten gepflanzt.

Die Lärchenbretter, die an diversen Stellen der Entwässerungsgräben im Boden versenkt werden, dienen als Sperre, um das Wasser im Moorgebiet zu halten. Neben der Gemeindeau bei Heidenreichstein wurden die Maßnahmen heuer auch im nahegelegenen Schremser und Haslauer Moor durchgeführt. Vor zwei Jahren war das ebenfalls im Waldviertel befindliche Bummermoos dran.

Die fehlenden Moorleichen

Moorleichen seien hier noch übrigens noch nie gefunden worden, reagiert Horst Dolak, Leiter des Naturparks Heidenreichsteiner Moor, mit einem Schmunzeln auf die STANDARD-Rückfrage. Bei den meisten, etwa in Skandinavien gefundenen Körpern, handle es sich um rituelle Bestattungen, also nach dem Tod der betreffenden Person, wenngleich neuere Forschungsergebnisse erstaunlich viele gewaltsame Tötungen nachweisen konnten. Die Mär, dass die Moore allerdings am laufenden Band lebende Personen verschlungen haben sollen, kann auch der renommierte Moorexperte Gert Michael Steiner nicht bestätigen.

In Waldviertler Mooren werden Lärchenbretter eingezogen, um Wasser zurückzuhalten.
Foto: Axel Schmidt

"In einem intakten Moor kann man eigentlich nicht einsinken, geschweige denn wird man nach unten gezogen", räumt Biologe Steiner mit dem verbreiteten Mythos auf. Dass Menschen versänken, passiere am ehesten, wenn Torf gestochen, also abgebaut worden sei und die verbleibende Wanne sich mit Wasser gefüllt habe. In diese Löcher, die sich mit der Zeit mit Schlamm anreichern und oberflächlich mit Moosen bedeckt sein können, könne man zwar tatsächlich "einbrechen". Laut Steiner gibt es dafür aber ein probates Mittel: "Schwimmen!"

Für die Umsetzung des mit Tschechien grenzüberschreitenden Interreg-Projekts, das von der EU und dem Land Niederösterreich gefördert wird, ist der Naturschutzbund Niederösterreich verantwortlich, der sich seit Jahren um den Erhalt und die Restaurierung bestehender Moorflächen bemüht. Erste Erkenntnisse aus früheren Maßnahmen deuten darauf hin, dass die Wasserpegel in restaurierten Gebieten relativ rasch ansteigen und standortrelevante Pflanzen zurückkehren.

Enormes Klimaschutzpotenzial

Wie wichtig Moore für das globale Klima sind, war lange Zeit unbekannt. Tatsächlich zählen sie jedoch zu den größten und effizientesten Kohlenstoffspeichern der Erde. So bedecken sie gerade einmal drei Prozent der weltweiten Landfläche, speichern mit 600 Milliarden Tonnen aber fast das doppelte Kohlenstoffvolumen der globalen Wälder, wie der von der Heinrich-Böll-Stiftung, dem Naturschutzbund und Global 2000 herausgegebene Mooratlas vorrechnet.

Die Entwässerung und fortschreitende Zerstörung führt zu einer folgenreichen Kettenreaktion. Anstatt Kohlenstoff zu speichern, setzen sie Unmengen der gespeicherten Treibhausgase frei und kurbeln damit den menschengemachten Klimawandel an.

Der fleischfressende Sonnentau ist auch im Waldviertel in den Mooren heimisch.
Foto: Axel Schmidt

Die mitteleuropäischen Moore spielen global gesehen eine untergeordnete Rolle. Die größten Flächen befinden sich neben Nordeuropa in Westsibirien und Kanada, aber auch in den Tropen, allen voran Südostasien, wie Biologe Steiner bei einem Vortrag in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erläuterte. Laut Mooratlas wurde ein Zehntel der global existierenden 500 Millionen Hektar Moore bereits zerstört, Jahr für Jahr kommen weitere 500.000 Hektar durch menschliche Eingriffe abhanden.

Warum Moore so wichtig sind

"Selbst in Sibirien und Kanada, also dort, wo der Mensch kaum existieren kann, hat es die Ölindustrie geschafft, diese bedeutenden Moorflächen durch Straßen und Pipelines zu stören", kritisiert Steiner. Dazu kommt das drohende Auftauen des Permafrosts, der sich in diesen Regionen über den Torfschichten gebildet hat. "Torf isoliert, Wasser nicht. Wenn es durch das Auftauen zu Überflutungen kommt und sich Seenplatten bilden, sorgt das für enorme CO2- und Methanausstöße", warnt Steiner. In den Tropen wiederum werden viele Regenwaldmoore zerstört, um Palmen- und Akazienplantagen anzulegen. Vor allem Indonesien und Malaysia waren in den vergangenen Jahren stark betroffen.

Auch wenn die in Österreich noch vorhandenen Flächen überschaubar sind, lohnt sich deren Schutz besonders. Denn neben blauem Moorfrosch, Hochmoorlaufkäfer, Moorameise und Mooreidechse kommen mit dem Hochmoorgelbling eine überaus seltene Schmetterlingsart sowie bedrohte Libellenarten wie die Nordische Moosjungfer und die Speer-Azurjungfer vor. Dazu gibt es seltene und spezialisierte Bäume und Pflanzen wie Moorspirke, Torfmoose, Moos- und Rauschbeere sowie Sumpfporst. Wollgräser und der fleischfressende Sonnentau, der sich seine Nährstoffe über Insekten holen muss, runden das Bild ab.

Auch der seltene Hochmoorgelbling ist ein Zeichen intakter Gebiete.
Foto: Axel Schmidt

Aber auch fürs Mikroklima und den lokalen Wasserhaushalt sind die Moore wichtig. "Moore sind ein natürlicher Hochwasserschutz, weil sie viel Wasser speichern und so etwaige Spitzen abfedern können", erklärt Biologe Axel Schmidt beim Lokalaugenschein in der Gemeindeau. "Gleichzeitig sorgen sie in Trockenzeiten dafür, dass das zurückgehaltene Wasser über die Verdunstung an die Umgebung abgegeben wird und so Hitzewellen lokal besser kompensiert werden", ergänzt Naturpark-Leiter Dolak. "Sie besitzen zudem eine Filterfunktion und sorgen in Übergangsbereichen für einen stabileren Grundwasserpegel."

Die Suche nach den Mooren

Wie viel Moorfläche verlorenging oder gar noch in Österreichs Boden schlummert, sei gar nicht so einfach zu beantworten, sagt Margit Gross, Geschäftsführerin des Naturschutzbunds Niederösterreich. Eine gute Basis bietet der von Steiner erstellte Moorschutzkatalog, der mit Fördermitteln aus dem Biodiversitätsfonds des Klimaschutzministeriums gerade aktualisiert wird. Während einige Moore seit den 1990er-Jahren verschwunden sind, kamen zuletzt auch einige neue Funde dazu.

Eine von der Naturschutzorganisation WWF in Auftrag gegebene Erhebung etwa weist 158 Hektar an hochalpinen Moorlandschaften neu aus, darunter einen 20 Hektar großen, unberührten Moorkomplex im Platzertal. Die Fläche sei nun durch den geplanten Ausbau des Kraftwerks Kaunertal bedroht, kritisiert der WWF, der von der "größten drohenden Moorzerstörung Mitteleuropas" spricht.

Einige Überraschungen könnte aber auch der kürzlich erfolgte Fund alter Karten aus der Monarchie bieten, auf denen längst vergessene Torflagerstätten verzeichnet sind. Die Kartierungen werden derzeit vom Umweltbundesamt digitalisiert und könnten weitere Hinweise auf unbekannte Moorgebiete und existierende Torfböden in Österreich liefern. Die Chance, in diesen Böden auch sagenumwobene Moorleichen zu finden, ist jedoch ebenfalls gering. (Martin Stepanek, 6.5.2023)