Twitter folgt den Aufforderungen von Regierungen häufiger.

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Immer wieder kommt es vor, dass nationale Regierungen und Strafverfolgungsbehörden Social-Media-Plattformen zur Herausgabe von Nutzerinformationen – oder sogar zur Löschung von Beiträgen – auffordern. Grund dafür können beispielsweise Gesetzesverstöße oder strafrechtliche Ermittlungen sein. In der Regel werden solche Anfragen geprüft und teilweise auch abgelehnt. Auch bei Twitter war das der Fall. Zumindest so lange, bis Elon Musk die Unternehmensführung übernahm. Laut einem Bericht der Nachrichtenseite "Rest of World" hat der Kurznachrichtendienst seither keine einzige Datenanfrage mehr abgelehnt – was auch deshalb interessant ist, weil diese häufig von autokratischen Staaten gestellt werden.

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DER STANDARD

Innerhalb der ersten sechs Monate unter Elon Musk als CEO hat Twitter demnach mehr gerichtliche Anordnungen und Regierungsanfragen (971) erhalten als in den vorhergehenden zwölf Monaten (888) zusammen. Gleichzeitig, so schreiben die Berichterstatter auf Basis von offiziellen Twitter-Daten, ist auch die Zahl der Anfragen angestiegen, bei denen der Kurznachrichtendienst vollständig kooperiert hat. In 808 Fällen sei das Unternehmen den Aufforderungen vollständig nachgekommen, in 154 Fällen zumindest teilweise. In den verbleibenden neun Fällen sei hingegen gar keine Antwort bekannt – weshalb unklar bleibt, ob diese akzeptiert oder abgelehnt wurden.

Keine Abweisungen

Zum Vergleich: In den letzten sechs Monaten vor Musks Übernahme hatte Twitter noch drei Datenanfragen abgelehnt, in den sechs Monaten zuvor sogar fünf. Aber nicht nur das: Betrachtet man das gesamte letzte Jahr vor der Übernahme, lag die Zahl der Fälle, in denen Twitter überhaupt vollständig kooperiert hat, laut "Rest of World" noch bei etwa 50 Prozent. Unter Musk sind es 83 Prozent.

All das ist auch deshalb relevant, weil die Anfragen unter anderem von Regierungen autokratischer Staaten gestellt werden. Insgesamt 491 Anfragen seit dem 27. Oktober 2022 stammten aus der Türkei. In 387 Fällen gab das Unternehmen den Anfragen vollständig statt, in 102 Fällen teilweise. Bei zwei Anfragen bleibt unklar, wie Twitter reagiert hat. An zweiter Stelle folgt Deutschland mit 255 Anfragen, von denen 245 vollständig und acht teilweise befolgt wurden. Auch hier fehlen laut dem Bericht in zwei Fällen weitere Informationen. Den dritten Platz belegt Indien mit 50 Anfragen, von denen 44 vollständig erfüllt wurden, fünf teilweise. In einem Fall fehlen genauere Informationen.

Mehr Anfragen

Die von Twitter veröffentlichten Daten zeigen außerdem, dass die Zahl der Regierungsanfragen ganz grundsätzlich gestiegen ist. Zwischen dem 27. April 2022 und dem 26. Oktober 2022 erreichten das Unternehmen 547 Anfragen – was deutlich weniger ist als die 971 Anfragen unter Musk. Der Grund für diese Zunahme kann nur vermutet werden. "Rest of World" schreibt zum Beispiel, dass Staaten wie Indien, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate – von denen viele Anfragen stammen – restriktive Gesetze zur freien Meinungsäußerung verabschiedet hätten. Deutschland habe hingegen sein Verbot von Hassrede und Extremismus überarbeitet.

Eine mögliche Erklärung dafür, dass immer mehr Anfragen durchgewinkt werden, könnte an anderer Stelle zu finden sein: und zwar im Übernahmeprozedere durch Musk selbst. Der Milliardär hat einen Großteil der Belegschaft gekündigt, darunter auch das Team, das eigentlich für die Verarbeitung entsprechender Anfragen verantwortlich wäre. (red, 28.4.2023)