Vier mittlerweile als Beschuldigte im Casag-Akt geführte Politiker in besseren Zeiten: Finanzminister Hartwig Löger und Kanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Staatssekretär Hubert Fuchs (beide FPÖ, von links)

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Seit fast vier Jahren hält der sogenannte Casinos-Akt regelmäßig die Republik in Atem. Darin versammelt sind die großen Korruptionsverfahren rund um ÖVP und FPÖ, die Liste der Beschuldigten reicht von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bis hin zu Ex-Ministerin Sophie Karmasin (ÖVP), die diese Woche erstmals vor Gericht stand.

Doch was ist eigentlich mit der namensgebenden Causa, dem Verfahren rund um die Casinos Austria AG (Casag)? Lange war es recht still um die Ermittlungen, die einen etwaigen Deal zwischen Glücksspielbranche und Politik zum Inhalt haben. Jetzt nimmt das Verfahren jedoch wieder an Fahrt auf – und im Fokus steht derzeit ein Steuerberater, der beste Verbindungen zum Glücksspielkonzern Novomatic und zur FPÖ hat.

Von neuen "hochrelevanten Beweisen" schreibt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in einem Amtsvermerk von Februar. Diese hätten einen "sehr engen Konnex zum ursprünglichen Tatvorwurf", der in einer anonymen Anzeige im Frühjahr 2019 geschildert worden war.

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Von Ibiza zu den Casinos

Am 1. Mai 2019 hatte der damalige blaue Bezirksrat Peter Sidlo gerade seinen Job als Finanzvorstand der Casinos Austria AG (Casag) angetreten. Knapp zwei Wochen später wurde das Ibiza-Video publik, in dem der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache davon sprach, dass Novomatic "alle zahlt" – das hat er später zurückgenommen.

In der anonymen Anzeige wurde aber genau so etwas behauptet: Die Novomatic unterstütze die FPÖ bei der Bestellung von Sidlo, der für die Position eigentlich nicht geeignet sei. Im Gegenzug erhalte die Novomatic Einfluss in puncto Glücksspiellizenzen und Gesetzgebung. Ein Deal wurde hier beschrieben, der stets von allen Beteiligten bestritten wurde.

Seither wurden Geldflüsse über FPÖ-nahe Vereine geprüft und zahlreiche Hausdurchsuchungen durchgeführt. Rasch auch beim damaligen Chef der Staatsholding Öbag, Thomas Schmid, der freilich geglaubt hatte, all seine Chats gelöscht zu haben. Der Rest ist Geschichte: Die hunderttausenden Nachrichten zwischen Schmid und anderen lösten zahlreiche weitere Ermittlungen aus, bis hin zur Causa Karmasin und Vorwürfen gegen Kurz.

Peter Sidlo, dessen Bestellung zum Casag-Manager die Causa auslöste, geht juristisch gegen die Casinos vor
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Im Casinos-Verfahren ging es zuletzt hingegen nur schleppend voran. Einer der Gründe dafür erhellt sich aus dem neuen Amtsvermerk der WKStA: Steuerberater W., den die Ermittler als zentrale Figur rund um einen blauen Novomatic-Deal sehen, hatte gegen die Auswertung seiner Daten Widerspruch eingelegt. Dieses Recht steht ihm als Berufsgeheimnisträger zu; das entsprechende Verfahren dauerte zweieinhalb Jahre. Seit Herbst stehen den Ermittlern nun aber alle relevanten Daten zur Verfügung.

Der FPÖ etwas "flüstern"

W. soll einerseits maßgeblich für die Finanzierung der FPÖ gewesen sein, andererseits im Auftrag der Novomatic bei FPÖ-Politikern lobbyiert haben. "Flüstern" nannte das der damalige Novomatic-Chef Harald Neumann in einer Chatnachricht. Der Steuerberater wollte auf Anfrage keinen Kommentar abgeben.

Er war, wie berichtet, Vorstandsmitglied im "Förderverein Helios", der im Jahr 2013 von der oberösterreichischen Raiffeisenbank einen Fünf-Millionen-Kredit aufgenommen und an die Bundespartei "weitergegeben" hat. Inzwischen ist das Geld zurückgezahlt. Mit der Novomatic stand er laut Amtsvermerk der WKStA bereits seit 2010 in Kontakt. In eine Geschäftsbeziehung allerdings seien er und der Konzern dann 2015 getreten. W. soll sich für den von Johann Graf gegründeten Glücksspielkonzern vor allem um den südostasiatischen Markt gekümmert haben, ab 2017 ging es dann auch um die "Bekämpfung des illegalen Glücksspiels" in Oberösterreich.

Für diese Tätigkeit soll er insgesamt mehr als 250.000 Euro erhalten haben – obwohl er laut WKStA lediglich "von der Novomatic aufbereitete Informationen über illegale Glücksspiellokale an das Büro von Podgorschek", also den damaligen oberösterreichischen Landesrat Elmar Podgorschek, weitergeleitet hat. "Andere nennenswerten Aktivitäten sind nicht ersichtlich", steht in dem Amtsvermerk.

Vertreter des Glücksspielkonzerns wandten sich aber immer wieder auch bezüglich der Themen Lizenzen und Standorte an W. – und da vor allem ein Manager, mit dem er schon vor dessen Zeit bei der Novomatic Geschäfte gemacht hatte.

Dieser übermittelte 2018 eine Liste mit "Zielen" an W., die sich der damalige Novomatic-CEO Neumann "aus der Zusammenarbeit (…) erhofft". Gewünscht war offenbar eine "Änderung des Glücksspielgesetzes", ebenso "keine Ortsgebundenheit der Casinos". Neumann beteuerte stets seine Unschuld, er wollte keine Stellungnahme abgeben.

W. ließ jedenfalls seine Kontakte zur FPÖ spielen, hatte etwa ein Vorgespräch mit dem blauen Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs; später trafen die beiden Neumann. Im Herbst 2018 schickte der befreundete Novomatic-Manager per Mail eine Liste mit potenziellen Erfolgshonoraren an W., die Neumann abgesegnet haben soll: Da ging es um Beträge von bis zu einer Million Euro. Ein Erfolgshonorar für Erreichen der Online-Lizenz sei jedoch "schwierig", da es "im Zuge eines anderen Deals (Details mündlich – aber du kannst es dir denken)" schon eine Zusage gegeben habe.

Die WKStA vermutet schon seit Anfang 2020, dass der Steuerberater geplant habe, einen Teil dieser Erfolgshonorare im Auftrag der Novomatic an Fuchs weiterzuleiten. Das haben alle Involvierten bestritten, als über die Hausdurchsuchung bei W. berichtet wurde. Nun, bei der Auswertung der lang versiegelten Daten, will die WKStA eben weitere Beweise für ihren Tatverdacht gefunden haben. Sie verweist etwa auf eine E-Mail, die W. im Juni 2018 an den oberösterreichischen FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner geschrieben hat. Darin beschwert sich W., dass er keinen Termin bei Staatssekretär Fuchs bekomme. "Ich fühle mich dadurch sehr geringgeschätzt, sehe darin jedoch primär auch einen Affront gegenüber meinem Auftraggeber Novomatic AG (…)", schrieb er an Haimbuchner. Und er erinnerte an den Kredit für die FPÖ: "Es hat sich damals übrigens nie jemand bei mir von denen bedankt, dass ich die Haftung für ihre Schulden übernommen habe, obwohl laut meiner Information vom zuständigen Bereichsdirektor der RLB OÖ (Raiffeisen Landesbank; Anm.), mit dem ich befreundet bin und der alles abgewickelt hat, der Kreditakt auf meine Bonität aufgebaut war."

Über den oö. FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner wollte W. einen Termin bei Staatssekretär Fuchs erhalten
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"Zu nah!"

Offenbar war W. auch für ein Aufsichtsratsmandat bei der Casag im Gespräch; da sei ihm allerdings von einem FPÖ-Verhandler ausgerichtet worden, dass auf ihn "leider vergessen" worden sei. Im Aufsichtsrat der Novomatic selbst wollte Neumann W. allerdings nicht sehen. "Zu nah!", teilte er einem Mitarbeiter mit. Den Termin bei Fuchs bekam W. dann doch, wie sich auch aus seiner Chatnachricht an den "lieben Manfred", also Haimbuchner, erschließt. Dort bedankte sich der Steuerberater nicht nur für dessen "Empfehlungen bezüglich Tracht", sondern merkte auch an: "Du hast mir bei Hubert Fuchs wirklich so geholfen, dass mir die Worte fehlen!"

Strache hingegen behauptet, W. "nicht wissentlich" zu kennen. Das geht aus einer Einvernahme des früheren FPÖ-Chefs vom 12. April 2023 hervor, in der Strache viel zum Steuerberater gefragt wurde.

Der war auf die "Wiener" allerdings ohnehin nicht so gut zu sprechen. So beendete W. seine Mail an Haimbuchner mit den Worten, er "hoffe nur, dass bei unseren Regierungsmitgliedern in Wien der Hochmut nicht vor dem Fall kommt". (Renate Graber, Fabian Schmid, 29.4.2023)