Nachtfalter und andere Insekten werden von künstlichen Lichtquellen in die Irre geführt. Warum eigentlich?
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In lauen Frühlings- und Sommernächten herrscht oft höchste Aufruhr rund um Straßenlaternen und sonstige Beleuchtung. Sechsbeinige Flatterer werden vom Licht angezogen. Das kommt nicht nur den hungrigen Achtbeinern, die in Lampennähe ihre Netze weben, zugute: Auch Vier- und Zweibeiner – konkret Fledermäuse und Vögel – gönnen sich im Gewimmel einen leicht verdienten Mitternachtssnack.

Warum die Lichter für Motten und andere Insekten derart attraktiv sind und ihnen nicht selten zum Verhängnis werden, ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt. Einer beliebten Theorie zufolge orientieren sich die Tiere nachts an der natürlichen Lichtquelle, also am Schein der Sterne und vor allem des Mondes – künstliches Licht bringt ihren Orientierungssinn dabei durcheinander.

Eine veraltete Theorie?
National Geographic

Dies dürfte einigen Fachleuten zufolge eine fehlerhafte Erklärung sein. Auch eine etwas komplexere alternative Hypothese kann die Forschungsgemeinschaft nicht hinter sich vereinen: Dieser zufolge können Lampen in der Nacht für Insekten so ähnlich aussehen wie Tageslicht, das von dichtem Wald verdeckt wird. Um bei Tag auf eine Lichtung oder andere freie Flächen zu navigieren, streben Schmetterlinge und verwandte Flieger ebenfalls ins Helle.

Mit dem Rücken zum Licht

Eine genaue Beobachtung liefert ein weiteres Puzzleteil, das zur Lösung des Rätsels beitragen dürfte. In der noch nicht fachbegutachteten Studie, die als Preprint hochgeladen wurde, analysierte ein Team um den Bioingenieur Samuel Fabian vom Imperial College London Flugmanöver in Zeitlupe. Nachtfalter, Schmetterlinge und Glühwürmchen wurden in den Wäldern von Costa Rica und im Labor gefilmt.

Drei Bewegungsmuster konnte das Forschungsteam identifizieren:

  • Entweder flogen die Insekten Loopings um die Glühbirne,
  • oder sie bewegten sich an der Lichtquelle vorbei und kippten ihren Körper dann nach oben,
  • oder sie flogen über die Glühbirne, drehten sich kopfüber und stürzten gen Boden.

Das Interessante dabei: Die Tiere orientierten ihren Rücken möglichst zum Licht. Dasselbe beobachtete das Forschungsteam, als es winzige Sensoren zur Aufzeichnung der Bewegungen auf den Insekten befestigte. Dieser Trend in den "Drehmanövern" dürfte typisch für die Flugbewegungen sein, die Insekten im Bann einer Lichtquelle durchführen.

Orientierung an der Sonne

Die Erklärung der Fachleute für diese Orientierungsbewegung hat mehr mit der Sonne als mit dem Mond zu tun. Sie lautet so: Am Tag wenden die Insekten ihren Rücken zum Sonnenlicht. Aus der entomologischen Forschung ist bereits bekannt, dass dieser Instinkt den Fliegern dabei hilft, das Flugniveau zu halten. Selbst bei Flugmanövern wird der Rücken zum Sonnenlicht hin ausgerichtet.

Sie wissen dadurch quasi, wo oben und wo unten ist. Derselbe Instinkt sorgt jedoch in der Nacht für Probleme – bei Lichtquellen, die sich auf dem Boden befinden oder horizontal angebracht sind. Dann richten sie sich zum seitlichen Flug aus und taumeln um die Glühbirne, wenn sie nicht in der Nähe zum Absetzen kommen. Manche Insekten fliegen so lange, bis sie all ihre Kalorien aufgebraucht haben und abstürzen.

"Dies ist das bisher beste Argument für die Erklärung dieses Verhaltens", sagte Insektenflugforscher Tyson Hedrick von der Universität von North Carolina in den USA, der nicht an der Studie beteiligt war, gegenüber der "New York Times". Zuvor gehörte er zum Team "Mondorientierung", vermutete also, dass künstliche Lichter die Navigation dank des Nachthimmels störten.

Schädliche Lichtverschmutzung

Menschen sorgen zwar schon seit Jahrtausenden durch künstliche Beleuchtung für Probleme. Das eine oder andere Feuer hatte freilich geringere Auswirkungen als heutige taghell beleuchtete Metropolen. Wobei Nachtfalter, die in Städten leben, einer Studie zufolge angepasst sind und gewissermaßen lernen konnten, Licht zu meiden. Auch das Leuchten von Glühwürmchen, die Entwicklung von Raupen und das Verhalten von Tieren, die totale Finsternis bevorzugen, werden nachteilig beeinflusst.

Fachleute empfehlen, gegen die Lichtverschmutzung vorzugehen – durch generell heruntergedimmte Beleuchtung sowie durch nach unten gerichtete Lichtquellen. Dies verwirrt Insekten weniger, wie das Forschungsteam zeigte. Ein weiterer Vorteil: Weniger Licht spart in der Regel Energie. (sic, 29.4.2023)