Ein Hinweis mit Schild und Maske – aus dem Streik der Ärztinnen und Ärzte in Hamburg im März.

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Wer sagt heute noch, wie gut die Arbeit ist, wie sinnvoll sie ist, wie stolz und dankbar sie macht? Vielmehr steht sie unter Generalverdacht, dass kaum mehr etwas stimmt mit ihr. Von der unfairen Verteilung und Bezahlung bis zu ihrer Wirkung auf individuelle Gesundheit und den Zustand der Erde, stehen die Jobs auf einem Prüfstand wie nie zuvor. Und die sogenannten Erwerbsfähigen gleich mit. Die einen wollen weniger arbeiten und mehr leben, die anderen sind angeblich nicht fähig oder grundgebildet genug, den anderen wird zutiefst misstraut, weil sie es sich richten oder verlangen, dass alles wieder in eine bekannte Ordnung kommt – es geht ja immerhin um den Wohlstand, um die sozialen Sicherungssysteme, um die Zukunft der Gesellschaft.

Was sagen wir Jungen über Arbeit und Leistung?

In diesem Durcheinander, in all diesen enorm vielfältigen Interessen- Bedürfnis- und Ausgangslagen sucht Arbeitsminister Martin Kocher beständig nach Haltgriffen für eine Herstellung einer zukunftsfähigen Ordnung. Über all dem steht die Frage: Was hinterlassen wir den nächsten Generationen? Was können wir versprechen – und halten?

Kocher steht mit einem Versuch nach dem anderen an. Etwa mit der Reform des Arbeitslosengeldes. Etwa mit der Suche nach mehr Arbeitsstunden oder aktuell mit süßeren Steuerzuckerln für Überstunden. Kein Wunder, denn alleine kann er nicht gewinnen. Das liegt nicht nur daran, dass die Kommunikation eines gemeinsamen Zieles fehlt. Wo wollen wir denn überhaupt hin als Gesellschaft? Sondern auch daran, dass Arbeit Querschnittmaterie Nummer eins ist und der Ansatzpunkt für einen Zukunftsentwurf. Von der Bildung über die Inklusion, Soziales, das Klima, das Lebensglück – einfach alles hängt daran.

Und da denken alle zu kurz und zu eng rund um einen alten Fetisch, der Erwerbsarbeit heißt. Politiker wie SP-Vorsitz-Kandidat Andreas Babler dürfen ruhig einen Schlachtruf wie 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich verkünden. (Interessant, dass er nie vom bedingungslosen Grundeinkommen spricht.) Unternehmen dürfen ruhig das miese Arbeitsethos beklagen. Aber wohin führt uns das?

Neue Arbeit ausrufen und in alten Strukturen bleiben?

Arbeit braucht jetzt eine viel radikalere Debatte. Wo bleibt schnelle, unbürokratische Gründungschance – vor auch im großen Feld der Kreislaufwirtschaft? Warum reden wir nicht auch über ein steuerliches Bonus-Malus-System für das Ehrenamt und diskutieren auch in Österreich verpflichtende Community-Dienste einen Tag pro Woche, bei dem verschiedenste Professionen ihre Expertise kostenfrei jenen anbieten, die es sich nicht leisten können?

Der Weg in die (Arbeits-)Gesellschaft von morgen kann nur über mehr Freiheiten gehen. Viele Firmen werden durch Personalmangel ja bereits zu Neuerungen gezwungen. Aber wen und was wollen wir künftig schützen? In diese Debatte müssen sich alle begeben, auch Kammern, Berufsverbände und Standesvertretungen. Die Grundproblematik der demografischen Kurve ist Tatsache. Erwerbsbarrieren für Eltern, für Fachleute aus Drittstaaten sind bekannt. KI ist bereits da. Wo bleibt ermöglichende Infrastruktur, wo bleibt die Entrümpelung der Anerkennungshürden von Qualifikationen, was tun wir gegen Ausgrenzung? Wie lange vermischen wir noch Asyl und Migration in der Debatte?

Augen zu und stehen bleiben, das geht nicht, der Zug fährt längst. Und Haltestellen in einer vermeintlich besseren Vergangenheit gibt es nicht. (Karin Bauer, 1.5.2023)