Der Gendergap bei der Beschäftigungsquote wird bei allen Frauen umso kleiner, je höher die formale Ausbildung ist.

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Eine Studie der Arbeiterkammer (AK) Niederösterreich hat sich die Hürden bei der Vereinbarkeit von Sorgearbeit und Erwerbsarbeit für Frauen in dem östlichen Bundesland angesehen – und sie legt einigen Handlungsbedarf bei Frauen mit Migrationshintergrund offen. Wie in allen Bundesländern und insbesondere in ländlichen Gebieten betreffen Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen, Jobmöglichkeiten und traditionelle Familienbilder noch immer Frauen weitaus stärker. Dennoch gebe es laut AK Niederösterreich für Frauen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft größere Herausforderungen bei der Integration auf dem Arbeitsmarkt.

Kluft bei Beschäftigungsquote

Generell ist der Gap zwischen Männern und Frauen bei der Beschäftigungsquote in Städten kleiner als auf dem Land. In Niederösterreich ist er in fast allen Bezirken bei Frauen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft noch einmal größer. Die Studienergebnisse zeigen auch, dass sich die stärksten geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Frauen mit österreichischer Staatsbürgerschaft am Übergang in sowie am Übergang aus dem Arbeitsmarkt sowie in den Zeiten der Familiengründung und Kinderbetreuung auftun. Bei ihnen ist die Differenz zu Männern bei der Beschäftigungsquote im Haupterwerbsalter besonders gering – mit Anfang 20 liegt er sogar bei null. Bei Frauen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft ist der Gendergap bei der Beschäftigungsquote hingegen im Alter von Mitte 20 bis Mitte 30 besonders groß. Bei Frauen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft liegt er zwischen 25 und 28 Jahren bei 15 und 20 Prozentpunkten, bei Frauen mit österreichischer Staatsbürgerschaft liegt er zwischen 25 und 38 Jahren hingegen nur bei zwei bis fünf Prozentpunkten.

Bei Frauen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft ist hingegen beim Berufseinstieg die Geschlechterdifferenz geringer. Das hat laut Studie mit den Ausbildungswegen zu tun, die Frauen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaften stärker in die Lehre bringen und weniger an Hochschulen. Es zeigte sich auch, dass der Gendergap bei allen Frauen bei der Beschäftigung umso kleiner wird, je höher die formale Ausbildung ist: Während er bei Frauen mit Pflichtschulabschluss bei 13,4 Prozentpunkten liegt, reduziert er sich bei Personen mit Hochschulabschluss auf 2,6 Prozentpunkte.

Über Konsequenzen aufklären

Ein weiterer Unterschied zwischen den Frauen ist der Zeitpunkt der Familiengründung. Zwar geht bei allen in Österreich beschäftigten Frauen mit der Geburt von Kindern eine Reduktion der Arbeitszeit einher. Frauen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft reagieren auf Familiengründung aber häufiger mit einem längeren oder gänzlichen Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt.

Veronika Adensamer von der Abteilung Frauenpolitik der AK Niederösterreich sieht aufgrund dieser Ergebnisse vor allem zwei Herausforderungen: Wie bringen wir die jungen Frauen in den Arbeitsmarkt, und wie halten wir sie? Die zweite Herausforderung betrifft auch die Teilzeit. "Teilzeit ist in bestimmten Lebensphasen und -situationen jedenfalls eine Option, aber sie ist auch keine Dauerlösung", sagt Adensamer. Zumindest wäre es wichtig, dass die Frauen nicht zu lange in Teilzeit bleiben oder ihre Stunden aufstocken. Die Frauen müssten zudem noch viel stärker über die Konsequenzen von wenigen Erwerbsarbeitsstunden oder einem langen Fernbleiben vom Arbeitsmarkt aufgeklärt werden. "Es wird immer viel von Wahlfreiheit gesprochen. Doch um wirklich Wahlfreiheit zu haben, muss man wissen, was die Konsequenzen von welcher Entscheidung auch immer sind", sagt Adensamer.

Altbekannte Hebel

Darüber hinaus gebe es insbesondere auf dem Land noch viele strukturelle Hürden, die die Wahlfreiheit einschränken. Wenn öffentliche Verkehrsmittel selten fahren oder gar nicht vorhanden sind und Kinderbetreuungseinrichtungen früh zumachen, wird eine Erwerbstätigkeit fast unmöglich, sagt Adensamer. Mit beidem haben Frauen in Niederösterreich zu kämpfen.

Frauen, die in erster Generation hierherkommen, haben oft auch das Problem, dass ihre Ausbildungen gar nicht anerkannt werden. "Einerseits wird viel vom Arbeitskräftemangel gesprochen, andererseits haben wir viele Menschen hier, die in ihrem erlernten Beruf arbeiten könnten und wollen, jedoch aufgrund von formellen Hürden nicht dürfen", kritisiert Adensamer.

Für einen besseren Zugang zur Erwerbsarbeit sei der flächendeckende Ausbau von ganstägigen, ganzjährigen und leistbarren Kinderbildungs-und -betreuungseinrichtungen, ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Bildungsangebote nötig. (beaha, 3.5.2023)