Smokey Robinson hat nach 14 Jahren Maniküre und anderer Tiefenpflege wieder ein Album veröffentlicht. "Gasms" zeigt: Gewisse Dinge verlernt man nicht.

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Mit 83, worum geht es da? Um Gasms natürlich, und zwar "any on the list", wie Smokey Robinson im Titelsong seines neuen Albums singt. Diese unbeirrbare Themensetzung überrascht nicht wirklich, schließlich war Amore aus allen Perspektiven immer Robinsons Thema, man kann den Mann einen stilistisch versierten Schwerenöter nennen, ohne ihn zu beleidigen. Als Soulmusiker war ihm das Spezialgebiet "Music to make love to" nie fern. Gleichzeitig war er darin nie plump oder sonst wie pfuigack, sondern stets ein gepflegter Seducer, ein Verführer.

Nachdem er zuletzt 2009 das sensationell leiwande Album Time Flies When You’re Having Fun veröffentlicht hat, dürfte er dessen eingedenk ziemlich Spaß gehabt haben, denn er brauchte gleich wieder 14 Jahre bis zu dem nun erschienenen Gasms.

Smokey Robinson - Topic

Aber fad wird jemandem wie ihm natürlich nicht. Der Mann ist eine Legende. Einer der größten des Motown-Labels, Gründer der Miracles, lebenslanger Freund von Motown-Gründer Berry Gordy und über Jahre hinweg aus den Charts von Generationen nicht wegzudenken.

Honig aufs Bäuchlein

Im Alter hat er dann die plastische Chirurgie für sich entdeckt und genießt mit gebügeltem Gesicht das Leben in dem ihm zustehenden Status: eine Hollywood-Premiere hier, ein Grammy-Auflauf dort, diese Abteilung. Da könnte ein spätes Album natürlich in die tote Hose gehen, aber nicht bei ihm. Gasms schmiert seinem Publikum Honig aufs Bäuchlein, hält das Tempo eher unten, die Eleganz und die Überzeugungskraft des ewigen Lumpi hoch. Nennen wir es Souveränität.

Smokey Robinson - Topic

Im kunstvoll gesetzten Tremolo bricht ihm ein wenig die Stimme – was ihr nur noch mehr Autorität verleiht, wenn Smokey gesteht, seine Angebetete ständig anzurufen: I Keep Callin’ You. Es ist ein intimer Hochglanz-Soul, Musik für ein Anbahnungsdinner zu zweit, lässig angejazzt von ein paar Hörnern, meist jedoch von faulen Keyboards geschmeidig gehalten. Die Ökonomie des Alters. Keine Sprints, keine Torheiten, bloß auf dem ureigensten Terrain Größe zeigen. Doch die Stimme verrät, dass das Feuer der Leidenschaft in ihm noch lodert. (Karl Fluch, 3.5.2023)