2020 kamen zwei Forscher anhand aktueller Beobachtungen von Exoplaneten zu der Einschätzung, dass neben der Menschheit etwa 35 weitere intelligente, aktiv kommunizierende Zivilisationen die Milchstraße bevölkern könnten. Deutlich optimistischer gab sich zwei Jahre davor der renommierte Astronom Seth Shostak vom Seti-Institut in Kalifornien: Seine Modifikation der berühmten Drake-Gleichung, mit der der US-Astrophysiker Frank Drake 1961 erstmals die Anzahl technisch hoch entwickelter Aliens in unserer Heimatgalaxie schätzte, ergibt rund 10.000 außerirdische Zivilisationen.

Folgt man dieser recht freundlichen Bewertung, wäre der nächste E. T. im Schnitt nur 2.000 Lichtjahre entfernt. Für Aliens, die unsere Funksignale von ihrer Heimatwelt aus belauschen wollen, ist das natürlich immer noch viel zu weit entfernt. Erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts verschickt die Menschheit überhaupt bewusst Funksignale, seit kaum 50 Jahren mit nennenswerter Signalstärke. Der Großteil der Radiosignale stammte dabei von kommerziellen Radio- und Fernsehsendern.

Was lässt sich von potenziellen Außerirdischen aus Signalen von Mobilfunkmasten über die Erdbevölkerung in Erfahrung bringen? Ein Forschungsteam hat nachgerechnet.
Foto: APA/AFP/esa/nasa/TIM PEAKE

Handyleuchtfeuer im All?

Aber nehmen wir einmal an, eine außerirdische Zivilisation versteckt sich weniger als zehn Lichtjahre von uns entfernt und spitzt die Ohren. Die stärksten elektromagnetischen Abstrahlungen, die sie empfangen würden, wären militärische Radarübertragungen – allerdings gleich gefolgt von Signalen, die die wachsende Zahl an Mobilfunkmasten aussenden. Mit seinem weltumspannenden Netzwerk stellt die Mobiltelefonie TV und Radio mittlerweile weit in den Schatten.

Liefert die globale Handykommunikation also außerirdischen Zivilisation einen Fingerzeig in Richtung Erde? Und wenn ja, was geben wir auf diesem Wege von uns preis? Mit diesen Fragen beschäftigte sich auch ein internationales Astronomenteam – die Antworten, die es gefunden hat, wurden nun in einer Studie in den "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society" veröffentlicht.

Die stärksten Mobilfunksignale werden im All von jenen Türmen empfangen, die sich von außen gesehen gerade am Rand der Erdkugel befinden.
Illustr.: Esa/red

Blickwinkel muss stimmen

Die Gruppe um Michael Garrett von der University of Manchester kalkulierte bei einer Funksignalleistung von 100 bis 200 Watt je Mobilfunkturm, dass die Erde im Mobilfunkbereich (hauptsächlich bei 400 bis 3.000 Megahertz) zu Spitzenzeiten mit rund vier Gigawatt ins All hinausstrahlt. Für die Forschenden wäre das jedoch noch nicht genug, um von einer nahen Zivilisation, deren radioastronomisches Technologielevel dem unseren entspricht, aufgefangen zu werden. Würde man bei ihnen jedoch ein höheres technologisches Niveau annehmen, könnten uns Aliens durchaus wahrnehmen – mit der Einschränkung allerdings, dass sie den passenden Blickwinkel auf unseren Planeten haben müsst.

Handymasten strahlen den größten Teil ihrer Funkleistung nämlich parallel zur Erdoberfläche ab. Die stärksten Mobilfunksignale dürften deshalb von jenen Türmen kommen, die sich von außen gesehen gerade am Rand der Erdkugel befinden. Da die meisten Handymasten auf der Nordhalbkugel stehen, würde man von einem fremden Planeten aus von der nördlichen Hemisphäre ein besseres Signal empfangen als von der Südhalbkugel.

Hypothetische Alienwelten in der Umgebung

Als hypothetische Alienwelten nahm das Team Exoplanetenkandidaten um die Sterne Alpha Centauri A, Barnards Stern und HD 95735 an. Während der Planet um Alpha Centauri A in 4,3 Lichtjahren Distanz einen schönen Blick mit aussagekräftigen Messwerten von der Südhalbkugel der Erde hätte, würden die Welten um Barnards Stern (sechs Lichtjahre entfernt) und HD 95735 (acht Lichtjahre entfernt) ebenfalls messbare Mobilfunksignale von der Nordhemisphäre der Erde empfangen, ergaben die Modellierungen.

Die Grafik zeigt die errechneten Signale von Mobilfunktürmen, gesehen von einem Planeten im System HD 95735, etwa acht Lichtjahre von der Erde entfernt.
Grafik: Saide et al., MNRAS

Informative Signale

Zwar könnten selbst die hochentwickeltsten Aliens aus dem wilden Signaldurcheinander keine einzelnen Botschaften isolieren (es muss sich also niemand sorgen, dass die persönlichen Telefongespräche von E. T. abgehört werden), trotzdem wären die Mobilfunkabstrahlungen für potenzielle Lauscher sehr informativ, meinen Garrett und sein Team.

So könnten die Außerirdischen etwa aus der regelmäßigen Wiederholung der Signalverteilung auf die Tageslänge, der Achsenneigung der Erde und letztlich auch in gewissem Maße auf die der Landverteilung auf unserem Globus schließen. Von dort wäre es dann nicht mehr weit bis zu einer näherungsweisen Einschätzung der Bevölkerungsdichteverteilung auf unserem Heimatplaneten.

In Zukunft noch heller

Die Berechnungen basierten hauptsächlich auf 4G-Signale. Der sich rasch ausbreitende 5G-Mobilfunkstandard (von künftigen noch potenteren Varianten ganz zu schweigen) dürfte es fremden Beobachtern in einem nahe gelegenen Sternsystem noch leichter machen, uns im All aufzuspüren.

In einem nächsten Schritt will das Team leistungsfähiges ziviles und militärisches Radar, neue digitaler Rundfunksysteme, Wi-Fi-Netze und die wachsenden Schwärme von Satelliten im Erdorbit in ihre Modellierungen einbeziehen. "Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass wir bis zum Ende des Jahrzehnts mehr als hunderttausend Satelliten in einer niedrigen Erdumlaufbahn und darüber hinaus haben werden", meinte Garrett. "Die Erde ist bereits jetzt im Radioteil des Spektrums ungewöhnlich hell. Wenn sich der Trend fortsetzt, könnten wir von jeder fortgeschrittenen Zivilisation mit der richtigen Technologie leicht entdeckt werden." Vorausgesetzt natürlich, sie sind tatsächlich irgendwo da draußen in der näheren Umgebung. (tberg, 8.5.2023)